Manfred Bieschke-Behm

Leben mit dem Tod

 

Wieder einmal ist es November. Der Monat, der für Nebel steht, kahle Bäume, nasses auf dem Boden  liegendes Laub,  frosteinflößende Temperaturen und Totengedenktage. Die Gräber werden winterfest gemacht indem sie mit Tanne abgedeckt und zusätzlich mit Grabschmuckgestecke verziert werden. Hin und wieder werden frische Blumen auf Gräber gelegt. Dies sicherlich als Zeugnis innerer Verbundenheit.

Sich mit dem Tod vorbehaltslos auseinander zu setzten bedeutet mit dem Tod in enger Verbundenheit  leben und die Angst davor zu verlieren. Der Tod ist ein Teil des Lebens und unumgänglich. Leben und Sterben sind untrennbar miteinander verbunden. Der Tod ist des Schlafes Bruder und das Leben die Hoffnung, dass alles einen Sinn hat.

Im November ist der Wunsch nach Wärme und Geborgenheit besonders groß. Der Gedanke, in ein Wirtshaus einzukehren, ist in der nasskalten Jahreszeit besonders ausgeprägt. Erwartet wird wohlige Wärme Nach Möglichkeit Kaminfeuer und gleichmäßig langsam vor sich hin flackernde Kerzen auf den  Tischen. Heiße Getränke tragen zur Gemütlichkeit bei und lassen häufig länger verweilen, als geplant.

Ich stehe nach einer langen Wanderung vor einem Wirtshaus und bin voller Vorfreude, denn ich bin müde und möchte hier einkehren, um mich auszuruhen. Ich kenne das Wirtshaus nicht und bin deshalb vorsichtig beim Öffnen der Eingangstür. Entgegen meinem Wunsch Wärme zu spüren, empfängt mich eine nicht  geahnte Kühle. Auf allen Stühlen sind ungeschmückte Tannenkränze abgelegt. Was hat das zu bedeuten? frage ich mich. Ich entdecke niemanden der mir eine Antwort geben könnte und deshalb bleibt auch meine Frage „ob ich hier erwünscht bin“ unbeantwortet. An den Wänden hängen Uhren deren Zeiger sich nicht bewegen. Die Zeit steht still. Ich schaue mich weiter um, und muss feststellen, dass es tatsächlich keinen leeren Stuhl gibt auf den ich hätte mich setzten können. Kurz überlege ich, ob ich einen Kranz von einem Stuhl nehmen sollte, um mich niederzulassen zu können. Die Zeit, die hinter mir liegt, hat mich sehr müde gemacht. Die Sehnsucht nach Ruhe und Abkehr scheint übermächtig. Die Hand schon ausgestreckt, um einen Kranz zu entfernen, ziehe ich schnell wieder zurück, weil ich plötzlich das Gefühl habe unrechtes zu tun. Ich akzeptiere schnell, dass in diesem Wirtshaus zurzeit kein Platz für mich ist. Alle Plätze sind belegt. Von beklemmenden und gleichzeitig befreienden Gefühlen befallen verlasse ich das Wirtshaus ohne mich umzudrehen.

Ich setze meine Wanderung auf meinen mir vorgegebenem Weg fort und finde erneut ein Wirtshaus. In der Hoffnung, diesmal willkommen zu sein und einen Platz zu finden, betrete ich das Gasthaus. Was ich vorfinde sind tickende Uhren die an den Wänden hängen und fröhliche beieinander sitzende Menschen. Ihre einladenden Handbewegungen geben mir Mut näher zu treten. Ich nehme die Einladung dankbar an und lasse mich nieder. Im Gespräch erfahre ich, dass sich hier Menschen treffen, die wie ich, ab und zu müde sind und sich nach Rast und Ruhe sehnen. Alle Personen, die sich in diesem Wirtshaus befinden, kennen auch das von mir zuerst besuchte und haben, wie ich, dort keine Einladung zum verweilen bekommen.

Der Komponist Franz Schubert (1797-1827) hat im Jahre 1827 vierundzwanzig Gedichte von Wilhelm Müller (1794-1827) vertont. Der Liederzyklus trägt den Namen „Die Winterreise“.
Das Gedicht Nr. 21 „Das Wirtshaus“ hat mich inspiriert hierüber meine Gedanken über das Leben mit dem Tod in Worte zu fassen.
Manfred Bieschke-Behm, Anmerkung zur Geschichte

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