Diethelm Reiner Kaminski

Ohne jedes Risiko

 

Micha hatte nicht lange gebraucht, um Fiete zu überzeugen. „Null Risiko. Wir brauchen sie nur abzuholen und aufzuladen. Alles in allem zwei Stunden und alles ist geritzt. Den Transporter krieg ich geliehen, günstig, und einen Wirt, der uns die Dinger abnimmt, hab ich auch schon gefunden.“

„Und was hast du mit dem ausgehandelt?“

„Zwanzig pro. Und da stehen bestimmt mehr als hundert rum. Warten nur darauf, dass wir sie abholen. Keine Wachleute. Das Schloss am Tor ein Witz für Profis wie uns. Und die einsame Gegend, idealer geht´s nicht. Gerade mal zwei Häuser in der Nachbarschaft. Unbewohnt. Also worauf warten wir? Wir sollten sie so schnell wie möglich abholen, bevor andere sie uns wegschnappen. Ich bin für morgen Nacht. Heute muss ich mich noch um den Transporter kümmern. Abholen, überprüfen, auftanken, Nummernschilder überkleben …“


"Hat dein Spezi gar nicht gefragt, was du mit der großen Karre vorhast?“

„Hat er. Ich ziehe um. Weiter hat er nicht gefragt. Ist dem doch egal, Hauptsache, er verdient was und sein Laster steht nicht unnütz rum.“

„Und wie viel würde für mich dabei rausspringen?“

„Halbe halbe, meine ganzen Vorarbeiten sind gratis. Du bist schließlich mein Freund.“

„Und das heißt?“

„Naja, vierhundert für den Laster und 50 für den Sprit gehen schon mal ab, ach ja, und hundert für den heißen Tipp, bleiben rund 1 400, also die Hälfte für jeden von uns. Ist doch nicht übel für so wenig Maloche. Und drei, vier Fässchen behalten wir für uns, für die Nieren zum Durchspülen über die Feiertage.“

„Wenn du meinst. Ich verlass mich auf dich. Ich möchte dich ja auch nicht im Stich lassen. Also ich bin dabei.“

Micha hatte nicht übertrieben. Die Brauerei lag tatsächlich in einer verlassenen Gegend am Stadtrand, das Gelände war so schlampig gesichert, dass selbst ein Anfänger das Schloss am Haupttor problemlos mit einer Rohrzange hätte knacken können, die beiden Häuser neben dem Brauereigelände lagen im Dunkeln und schienen unbewohnt zu sein.

Micha fuhr den Laster auf das Firmengelände. Direkt vor die Mauer aus aufgetürmten Bierfässern, sodass er und Fiete keinen langen Weg zum Auto zurücklegen mussten. In weniger als einer Stunde waren über hundert 50-Liter-Fässer verladen.

„Schade“, flüsterte Fiete, „dass da nicht noch mehr sind. Da wär noch Platz für mindestens dreißig.“

„Hab ich doch gesagt. Ein Kinderspiel. Freu dich schon auf das erste frisch Gezapfte am heimischen Herd.“

„Und auf die Knete. Aber nun lass uns abhauen.“

„Lauf schon mal und mach das Tor auf.“

Fiete trabte los. Er stutzte. Ein Licht. Der Mond? Seine Augen waren nicht mehr die besten. Kein Mond. Ein Fenster im Dachgeschoss eines der beiden Häuser war hell erleuchtet. Von wegen unbewohnt. Und am Fenster eine dunkle Silhouette. Ob Mann oder Frau, konnte er nicht erkennen.“

Der Schreck über diese Entdeckung kroch Fiete in die Glieder. Nichts wie weg von hier. Er öffnete das Tor und wurde von Panik ergriffen … Die Ausfahrt war versperrt. Ein quergestelltes Polizeiauto, rechts und links je drei Uniformierte, die Fiete, der keinen Widerstand zu leisten wagte, in Empfang nahmen. Vier von ihnen stürmten auf den Brauereihof, um den Fahrer des Lasters zu verhaften.

„Wohl ziemlich großen Durst gehabt, ihr beiden“, sagte der Kommandoführer gut gelaunt. „Aber den hättet ihr kaum löschen können. Nicht mal mit hundert Fässern.“
Fiete und Micha schauten begriffsstutzig abwechselnd auf den Bullen und auf die Fässer im Transporter.

„Leer. Allesamt leer. Na, da haben wir wenigstens einem Gastwirt die Enttäuschung und euch die Blamage erspart. Wenn sich eure Dummheit in der Unterwelt herumspricht, kriegt ihr keinen Fuß mehr an Land … Aber ihr könntet eure Lage verbessern, wenn ihr uns verratet, vom wem ihr den Laster habt und wer euch die Fässer abnehmen wollte. Oder habt ihr den Laster auch geklaut?“

Fiete wollte noch fragen, wer sie verpfiffen hatte, aber dann fiel sein Blick auf das immer noch erleuchtete Fenster mit der dunklen Silhouette, und er wusste, wie überflüssig die Frage gewesen wäre. 


01 - 12 - 2012 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Diethelm Reiner Kaminski).
Der Beitrag wurde von Diethelm Reiner Kaminski auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.12.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Diethelm Reiner Kaminski als Lieblingsautor markieren

Buch von Diethelm Reiner Kaminski:

cover

Von Schindludern und Fliedermäusen: Unglaubliche Geschichten um Großvater, Ole und Irmi von Diethelm Reiner Kaminski



Erzieht Großvater seine Enkel Ole und Irmi, oder erziehen Ole und Irmi ihren Großvater?
Das ist nicht immer leicht zu entscheiden in den 48 munteren Geschichten.

Auf jeden Fall ist Großvater ebenso gut im Lügen und Erfinden von fantastischen Erlebnissen im Fahrstuhl, auf dem Mond, in Afrika oder auf dem heimischen Gemüsemarkt wie Ole und Irmi im Erfinden von Spielen oder Ausreden.
Erfolgreich wehren sie mit vereinten Kinderkräften Großvaters unermüdliche Erziehungsversuche ab.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (4)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Krimi" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Diethelm Reiner Kaminski

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Schief gewachsen von Diethelm Reiner Kaminski (Satire)
19“ von Klaus-D. Heid (Krimi)
Musikunterricht á la Ganther von Norbert Wittke (Schule)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen