Diethelm Reiner Kaminski

Stimmungswechsel

 

„Was für einen überflüssigen Kram hast du dir bloß schon wieder aufschwatzen lassen? Haben wir nicht schon genug Krempel im Haus? Immer diese unnötigen Ausgaben, aber wir haben es ja“, zeterte Meta, die sich insgeheim Hoffnung auf einen neuen Ledermantel gemacht hatte. Als ob Horst ihre Absicht gerochen hätte. Jetzt war er ihr zuvorgekommen.

„Das ist kein überflüssiger Kram. Ich war auf der Elektronikmesse. Was für ein Glück, dass ich hingegangen bin und dieses fantastische Gerät entdeckt habe. Zum Einführungspreis von nur 1 200 Euro. Dieser Apparat wird unser beider Leben verändern. Zum Positiven. Langfristig sogar unsere Ehe retten, die allmählich zu rosten beginnt“, verteidigte sich Horst, während er das Klebeband des Kartons mit einem Messer aufschnitt und ihm einen weißen Kasten, eine durchsichtige Plastiktüte mit einem schwarzen und einem roten Kabel und ein dickes Handbuch entnahm.

„Und was soll das sein? Schon wieder eine neue Musikanlage?“

„Das ist ein Stimmungsgenerator. Ganz neu auf dem Weltmarkt. Er wird die Welt revolutionieren.“

„Sagt dein Aufschwatzer. Du glaubst solchen Blödsinn auch noch. Und wie soll das bitte funktionieren?“

„Du kannst unter einem Dutzend verschiedener Stimmungen, z. B. heiter, besinnlich, nachdenklich …“, er wurde von Metas höhnischem Gelächter unterbrochen: „Du und nachdenken?“, aber Horst ignorierte die Bemerkung und fuhr unbeirrt in seiner Aufzählung fort, „also unter verschiedenen Stimmungen auswählen, aber natürlich nur positiven, denn der Apparat soll ja gerade Missstimmungen bekämpfen und statt dessen Stimmungen wie zufrieden, begeistert, dankbar, glücklich, verliebt hervorrufen und sie auf den Menschen übertragen. Die Stimmungen sind sozusagen, aber frag mich nicht, wie, in der Kiste gespeichert und abrufbar. Du brauchst nur diese Elektroden hier mit den Handgelenken zu verbinden. Wir können es ja gleich mal ausprobieren. Jetzt bist du aus verständlichen Gründen sauer auf mich, vielleicht sogar sehr zornig, aber das wird sich in wenigen Minuten ändern. Streck mal bitte die Arme aus und streif die Ärmel deines Pullovers hoch. Gleich strahlst du vor Glück.“

„So ein Humbug. Willst du mich veräppeln?“, protestierte Meta, hielt Horst aber trotzdem ihre entblößten Arme hin.

„Mach dich nur lustig, gleich wirst du lächeln und mir zum Kauf des genialen Maschinchens gratulieren. Kein Streit mehr zwischen uns. Nur noch Harmonie und Wohlbefinden.“

„Träum weiter. Nun mach schon und verplempere nicht meine Zeit. Oder denkst du, ich hätte nichts Besseres zu tun, als dein Gewäsch anzuhören?“
Horst drückte, erst zaghaft, dann immer kräftiger auf einige Knöpfe.

„Wie kann man nur so trottelig sein und auf so einen Schwachsinn reinfallen. Und mit so einem Deppen bin ich verheiratet. Muss ich blind gewesen sein. Die müssen vergessen haben, mich an einen Wahrheitsgenerator anzuschließen.“

„Sei doch nicht gleich so ungeduldig. Ein neues Gerät. Mit dem muss ich mich doch selbst erst einmal vertraut machen. Reich mal bitte das Handbuch rüber.“

„Welche Sprache möchtest du denn? Die Gebrauchsanweisungen gibt es nur in vier Fassungen: Chinesisch, Griechisch, Mongolisch und Hindu. Ich hoffe, du verstehst eine dieser Sprachen. Hast du mir jedenfalls bisher verschwiegen.“

Horst drückte zum wiederholten Male verschiedene Tasten, stellte das Gerät ein und aus, zog den Netzstecker und schloss den Apparat wieder an, aber nur mit dem Erfolg, dass Meta immer wütender wurde, gleichzeitig aber neue Hoffnung schöpfte, dass es womöglich doch noch mit ihrem neuen Ledermantel klappen könnte.
Mit vor Zorn gerötetem Gesicht schrie sie: „Du Depp trägst die Kiste augenblicklich dorthin zurück, wo du sie hergeholt hast, und forderst das Kaufgeld zurück. Und komm nicht ohne das Geld zurück, sonst sind wir geschiedene Leute. Geht das in dein beschränktes Kleinhirn oder nicht?“

Host murmelte etwas von Montagsproduktion und bedauerlichem Gerätefehler, bei der Vorführung hätte alles super geklappt, packte aber trotzdem den Apparat wieder in den Karton und legte das viersprachige Handbuch obenauf. Er verschloss den Karton mit Tesafilm und steckte ihn in eine Tragetasche.

Auf dem Weg zur Elektronikmesse horchte er in sich hinein, um herauszufinden, in welcher Stimmung er sich befand. Trotz mehrmaliger intensiver Prüfung kam er zum immer gleichen Ergebnis: Er fühlte sich glücklich, glücklich darüber, dass Meta ihn nicht vor die Tür gesetzt, sondern ihm noch eine Chance gegeben hatte. Und das allein durch die Nähe zu diesem wunderbaren Gerät, ohne dass er mit ihm verkabelt war. Er beschloss, Meta das Rückgeld zu schenken, damit sie sich ihren Traum von einem neuen Ledermantel erfüllen und von diesem in eine glückliche Stimmung versetzt werden konnte.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.12.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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