Manfred Bieschke-Behm

O Tannenbaum oder Fröhliche Weihnachten


Wenn ich nur das Wort Lametta höre, kräuseln sich meine Nackenhaare“
„Wie bist du denn drauf?“ – fragt Renate ihren Mann Michael.
„Früher bei uns zu Hause wurden die bleischweren Lamettafäden
 einzeln auf den Baum gehängt, um sie nach Weihnachten wieder 
 einzeln abzuhängen. Bevor sie fein säuberlich in Zeitungspapier versorgt wurden, mussten meine Schwester und ich die Fäden glattstreifen. Kein Knick oder gar Bruch – das war oberstes Gebot. Ich fand die ganze Prozedur furchtbar. Ich sage dir, einfach furchtbar! Schreckliche Erinnerungen werden wach – nee, brauche ich nicht - will ich nicht – wirklich nicht! Aus diesem Grund möchte ich kein Lametta am Baum – nicht ein Fitzelchen davon möchte ich sehen.“
„Ist ja gut! – Ich habe es verstanden – kein Lametta. Eigentlich war es meinerseits nur eine Frage auf die ich ein „ja“ oder „nein“ erwartet hatte. – Ich konnte ja nicht ahnen, dass sich daraus ein so großes Drama für dich entwickelt. – Darf es an Stelle von Lametta denn Engelshaar sein?“
 
STILLE!
 
„Hallo – ich habe dich etwas gefragt: Darf es anstelle von Lametta vielleicht Engelshaar sein?“
„Gegen Engelshaar habe ich nichts einzuwenden, wenngleich ich das „Zeugs“ nicht gerne anfasse.“
„Du brauchst das „Zeugs“, so du Engelshaar nennst, ja nicht anfassen – ich kann das Engelshaar auch allein auflegen.“
 
STILLE!
 
„Also auch kein Engelhaar!?“
„Wieso auch kein Engelshaar? – Ich habe doch gar nicht gesagt, dass es kein Engelshaar sein darf.“
„Na, dann habe ich deine Aussage wohl falsch interpretiert – sorry. – Nun zu den Weihnachtskugeln….“.
„Wie zu den Weihnachtsbaumkugeln?“
„Na ja – wir sollten uns darüber einigen mit welcher Kugelfarbe wir in diesem Jahr den Baum schmücken wollen.“
„Die Kugelfarbe mir egal! –Kugeln ja, dafür keine Weihnachtssterne.“
„Keine Weihnachtssterne?“
„Nee – keine Weihnachtssterne. Weihnachtssterne finde ich albern.“
„Wie können Weihnachtssterne denn albern sein?“
„Weihnachtssterne sind kitschig und deshalb für mich albern.“
„Ach? – und Engelshaar ist nicht kitschig?“
„Engelshaar ist zumindest die bessere Variante zum Lametta. – Im Prinzip aber auch Kitsch“ 
 
Wieder STILLE!
 
 „Wollen wir nun die goldenen, die silbernen oder die roten Kugeln nehmen?“
„Mir ist die Farbe egal. – Meinetwegen nimm von allen ein paar und dann hat die liebe Seele Ruh.“
„Einen Weihnachtsbaum, geschmückt mit bunten Kugeln, finde ich doof.“
„Na dann nimmt doch die Farbe, die dir gefällt und dann ist es gut so.“
„Ich möchte, dass wir uns über die Kugelfarbe einig sind.“
„Dann schlage ich vor, die roten Kugeln zunehmen.“
„Ich hätte aber lieber die goldenen Kugeln.“
„Was fragst du mich, wenn du dich bereits entschieden hast die goldenen Kugeln zu nehmen?
„Ich habe mich ja doch gar nicht entschieden. – Ich habe lediglich gesagt, dass ich am liebsten goldene Kugeln am Baum hängen würde.“
„Weiß du was? – ich äußere mich jetzt überhaupt nicht mehr zum Thema Kugeln, Weihnachtssterne, Lametta und Engelhaar. Am Schluss machst du sowieso das was du willst – so wie immer.“
„Was heißt „so wie immer“?“
„Wie immer heißt wie immer.“
„Ich habe jetzt gar keine Lust mehr auf Weihnachten – Mir ist die Freude daran vergangen.“
„Jetzt fängt die Arie wieder an. – Nur weil wir uns in Sachen Weihnachtsbaum nicht einigen können würdest du am liebsten Weihnachten abschaffen.“
„Wer hat denn gesagt, dass ich Weihnachten abschaffen will? – So ein Blödsinn.“
 
Renate und Michael haben sich für den Moment nichts mehr zu sagen. Tiefes Schweigen beherrscht die Situation. Jeder für sich ist beleidigt und fühlt sich missverstanden. Renate versucht sich abzulenken indem sie die Weihnachtsbaumspitze in den Händen hält und nicht so recht weiß wohin damit. Auch will sie Michael bezüglich der Weihnachtsbaumspitze nicht ansprechen. Sie vermutet erneut ein „Drama“herauf zu beschwören. Also bleibt sie still.
Michael indes versucht umständlich die Lichterkette zu entwirren und würde am liebsten sagen: „So ein Durcheinander müsste nicht sein, hättest du beim Baumabputzen im letzten Jahr mehr Sorgfalt walten lassen.“ – aber er schweigt – er sagt lieber nichts. Er hat keine Lust auf eine erneute Diskussion.
 
Plötzlich geht die Stubentür auf und Sohn Mike tritt ein. Sein erster Blick richtet sich auf den ungeschmückten Weihnachtsbaum gleich darauf sieht er seinen Vater mit der verhedderten Lichterkette hantieren und seine Mutter wie sie die Weihnachtsbaumspitze gefährlich in den Händen hin und her dreht. Irritiert fragt er: „Was ist denn hier los? – Ist was passiert? – Ihr seht nicht gerade aus, als würdet ihr Spaß am schmücken des Weihnachtsbaumes haben.“
Wie verabredet fangen Renate und Michael gemeinsam an zu sagen: Wir sind uns…………..…“.
„….ihr seit euch – wie jedes Jahr - wieder einmal nicht einig, was an den Baum gehangen wird – stimmt´s?“ fällt Mike seinen Eltern ins Wort.
„Ja das stimmt.“ gibt Mutter Renate kleinlaut zu.
Vater Michael äußert sich nicht, er ist vergrätzt.
„Ich mache euch einen Vorschlag“ sagt Mike „was haltet ihr davon, wenn wir den Baum in diesem Jahr nur mit Kerzen schmücken und all das andere „Gedöns“ einfach weglassen?“
Mikes Eltern schauen sich zunächst ungläubig an, fangen dann aber an zu lachen und stimmen dem Vorschlag ihres Sohnes zu.
 
Schnell entzerren alle drei die Weihnachtsbaumlichterkette und befestigen gemeinsam die Kerzen an den Fichtenzweigen. Der so geschmückte Weihnachtsbaum erstrahlt im Glanze der Lichter in seiner Natürlichkeit und erfreut Renate, Michael und Mike gleichermaßen.

Fröhliche Weihnachten!
 

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