Ralf Jakobs

Donnerschlag

 

Obwohl heller Tag, wird es mit einem mal Nacht.

Schwarz und schwefelgelb der Himmel. Paukenschlägen gleich, rollt Donner laut krachend und berstend die Berghänge hinab. Blitze zucken über die Gipfel.

Sie steht auf der schmalen Veranda der kleinen, alten Hütte, die sich wie gewachsen in den Berg schmiegt. Ihre Hände auf dem hölzernen Geländer blickt sie über das Tal. Aus dem Dunkel des Wohnraums heraus betrachtet er liebevoll ihre Silhouette. Er entzündet ein Licht, sieht Schatten über die Wände aus ausgebleichtem Nadelholz wandern. Es ist warm, gemütlich. Ihre Anwesenheit ist es, die dem Haus diese Eigenschaften verleiht.

Er greift nach den dampfenden Teebechern und geht zu ihr hinaus, tritt hinter sie. Ohne ein Wort zu sagen, lehnt sie sich an seine Brust, legt ihren Kopf leicht an seine Wange. Er reicht ihr den Becher, dessen Wärme sie mit beiden Händen umschliesst. Legt eine Hand auf ihren Bauch. Gemeinsam atmen sie die von regenschwerem Aroma getränkte Luft.

Er folgt ihrem Blick. In jedem Haus im Tal brennt Licht, suchen die Bewohner sich vor der Dunkelheit zu schützen. In den Pausen zwischen den dumpfen Donnerschlägen herrscht surreal anmutende Stille. Kein Ton ist zu hören, kein Windhauch zu spüren.

Und dann setzt der Regen ein. Begleitet von einem urgewaltigen, Granateneinschlägen gleichem Donnerkonzert fällt ein Vorhang aus Wasser, illuminiert von unzähligen Blitzlichtkaskaden. Trommelwirbeln einer Militärkapelle gleich schlägt der Regen hart auf die Holzschindeln. Feinster Sprühregen dringt bis unter das tief hinuntergezogene Terrassendach, bedeckt ihre Gesichter mit weichem Wasser. Er lächelt, nimmt ganz intensiv den Takt seines Herzschlages wahr. Fühlt die Wärme ihres Körpers an seiner Brust, unter seinen Händen. Und ihm ist als ob ihr Herz im gleichen Takt schlagen würde, als wäre derselbe Glanz in ihrer beiden Augen.

Ihre Hände legen sich auf seine Handrücken. Sanft berühren seine Lippen ihr Haar, ihre Schläfen. Sie dreht ihren Körper zwischen seinen Händen, wendet ihr Gesicht seinen Küssen zu. Ihre Münder vereinigen sich , pressen sich fest gegeneinander. Sie versinken in den Augen des Anderen. Tauschen im zuckenden Blitzlichtgewitter intensive Küsse.

Er nimmt sie auf, trägt sie auf seinen Händen ins Haus und legt sie auf dem Bett ab. Wird von ihr hinab gezogen aufs Lager. Fieberhaft und voller Ungeduld entkleiden sie sich gegenseitig, lösen ihre Lippen nur von einander um die Hemden über die Köpfe zu ziehen. Hände streichen lustvoll über Körper, nehmen einander in Besitz.

Immer wieder zuckt Blitzlicht über Körperlandschaften, die sich in Wogen der Lust einander entgegen strecken, vereinigen, zu einem einzigen Körper, einem Willen, einem Wollen, einer Lust werden.

Irgendwann ebbt das Toben der Elemente ab. Glücklich erschöpft ruhen die Liebenden eng nebeneinander, ineinander. Und während sie sich immer noch zärtlich streicheln, voller Dankbarkeit voneinander kosten, fällt zufriedene Müdigkeit auf sie. Fallen sie eng umschlungen in tiefen Schlaf.

Er erwacht. Durch die offen stehende Tür leuchten die Felsen der Berge rot im Schein der untergehenden Sonne. Leicht wie eine Feder streift ihr Atem seine Haut. Voll von Liebe betrachtet er sie, kann sich nicht satt sehen. Irgendwann spitzt er seine Lippen, haucht einen Kuss auf ihre Stirn. Lässt seinen Kopf zurück ins Kissen sinken und schliesst seine Augen. Ein Lächeln hat sich in seinem Gesicht, in seinem Herzen festgesetzt. Und während er seinen Arm um sie gelegt hat, ihr Erwachen erwartet, lauscht er der Melodie der Nachtigall.

© Ralf Jakobs

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.12.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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