Christine Wolny

DER KRUMME TANNENBAUM

 


Da standen sie nun dicht an dicht gedrängt vor einem Kaufhaus auf einem fahrbaren Gestell und warteten auf ihren Käufer. Jedes Bäumchen durfte seine Wurzeln behalten, war in einen Topf gepflanzt und voller Erwartung.
Unser erstes Weihnachtsfest.
Sie wussten, dass sie bald getrennt würden, das hatte ihnen eine große Tanne erzählt, die in ihrer Nachbarschaft stand und die keiner mehr umpflanzen konnte, weil sie so mächtig war.

„Jedes Bäumchen von euch kommt in ein Wohnzimmer und darf Weihnachten erleben. Ich weiß, wovon ich rede, es war sehr schön. Nach Weihnachten hat mich ein lieber Mann hier her gepflanzt, er hatte keinen eigenen Garten. Ich sage euch, das war gar nicht so leicht für mich, aus dem warmen Wohnzimmer ins Eiskalte zu müssen. Anfangs war ich richtig krank und meinte, sterben zu müssen. Aber im Frühjahr erholte ich mich, und ihr seht ja, wie ich gewachsen bin.“

„Ich wünsche mir ein großes Wohnzimmer,“ und „ich wünsche mir, dass viele, kleine Kinder in der Familie sind“, hörte man die kleinen Tännchen durcheinander plappern.
Jeden Tag mussten sie von ihren Geschwistern Abschied nehmen.
„Der ist schön, den nehmen wir,“ hörten sie die Menschen sagen.
Und schon war wieder einer weg.
„Mutti, der ist ganz schief, den wollen wir nicht, und nachdem sie ihn ein paar Mal gedreht hatten, wurde er wieder zurück gestellt.
So kam es, dass er, je näher Weihnachten rückte, alleine da stand.

Kurz vor Heiligabend kam eine alte Frau mit Fahrrad vorbei.
Sie sah den einsamen Tannenbaum und entschloss sich, ihn mitzunehmen.
Mit Schwung hob sie ihn auf ihr Fahrrad, und verschwand kurz, um ihn zu bezahlen. Eigentlich wollte sie in diesem Jahr gar keinen Baum schmücken, aber ihr kam es vor, als ob er extra für sie übrig geblieben ist.
Dass er krumm war, merkte sie erst zuhause.

„Jetzt weiß ich, warum dich niemand haben wollte. Macht nichts,“ ich bin ja auch schon etwas krumm,“ hörte man die Frau sagen.
„Ich werde dich schön heraus putzen,“ dann sieht man es gar nicht.
Und nach Weihnachten pflanze ich dich in meinen Garten. Mit einem kräftigen Stock gestützt, wirst du gerade Richtung Himmel wachsen,“ und ihr kam es vor, als ob sich das Tännchen plötzlich streckte.
 
© C.W

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.12.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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