Hans Witteborg

Diebstahl mit Folgen

Zu einer Zeit als die Tiere noch sprechen konnten und sich mit der Sprache „Faunetik“ verständigten, die auch den Menschen bekannt war, ereignete sich ein Vorfall, der weitreichende Folgen haben sollte.
Eine Taube war gerade dabei, sich ein gemütliches Nest zu bauen und trug fleißig kleine Zweige für das Gerüst zusammen. Eine Elster hatte sie schon einige Zeit beobachtet.
Jedesmal, wenn die Taube wieder davon flog, um Nachschub an Baumaterial zu holen,
huschte die Elster in den Baum und stahl sich die Zeiglein, die gerade fein eingeflochten waren.
Die arme Taube rackerte sich ab und ab aber das Nest wurde nicht größer. Sie hatte einen Verdacht und bat deshalb einen in der Nähe äsenden Schwan auf ihr Bauwerk aufzupassen.
Unter Nachbarn leistet man sich gerne Hilfe. So kam es, daß der Schwan mit lautem Flügelschlag die Elster vertrieb, so daß die Taube ungestört ihre Arbeit verrichten konnte.
Der Schwan erzählte seiner Nachbarin der Ente von dem unrühmlichen Tun der Elster und ihrer diebischen Veranlagung.
Es ist bekannt, daß Enten gerne herumschnattern und so erfuhr es bald die gesamte Tierwelt.
Man empörte sich und gedachte die Elster zu bestrafen. Hierzu holte man sich den Rat eines Fuchses ein, der wegen seiner Schlauheit einen gewissen Ruf genoß.
„Keine Strafe kann hart genug sein, um diese Untat zu rächen,“ sagte der Fuchs. Er beauftragte seinen guten Freund den Marder nun seinerseits aus dem Nest der Elster die Eier zu stehlen. So geschah es.
Als die Elster das gewahr wurde, schwor sie den Tieren bittere Rache. War es nicht die Verständigung untereinander, die den Ruchlosen Eierraub erst möglich machte? Hier fand die Elster ihren Ansatzpunkt für den Vergeltungsfeldzug. Sie beschloß den Tieren ihre Sprachfähigkeit zu rauben. Nachts, als alles schlief, schlich sich die Diebin an. In Nestern und Höhlen wo man die Nachtruhe pflegte, drang sie ein, hypnotisierte die Schläfer und schärfte ihnen ein ihre Sprachfähigkeit zu vergessen.
Am anderen Morgen quakte, schnatterte, piepste und jaulte alles durcheinander! Niemand verstand die andere Art mehr.
Natürlich hatte man sofort einen Verdacht. Die Elster war es, vermutete man, ohne jedoch
sich gemeinsam darüber verständigen zu können. Aber überall, wo die Elster auftauchte
wurde sie angegriffen oder zumindest beschimpft. Sie wurde gejagt, vertrieben und gemieden.
Ihre Einsamkeit war so groß, daß ein großer Teil ihres weißen Gefieders vor lauter Trauer schwarz wurde. So ergeht es jemanden, der sich außerhalb der Gesellschaft bewegt!
Einige Weise unter den Menschen sahen dies als Mahnung: Wenn man nicht mehr miteinander redet, endet irgendwann einmal jedes Gemeinschaftsgefühl und am Ende steht die totale Vereinsamung!


Damit Ihr mir glaubt, daß die Tiere nur die Sprache verloren haben nicht aber das Verstehen,
möchte ich zum Beweis folgendes beitragen:
Als ich neulich meine Katze fragte: „Wie steht es um meine Finanzen?“ antwortete sie
wahrheitsgemäß mit „mau“.
Überzeugt?

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.12.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Vom Ufer aus von Hans Witteborg



Die Gedichte begleiten durch die vier Jahreszeiten und erzählen wie die Natur erwacht, blüht und welkt, wissen von reicher Ernte zu berichten. Der Spätsommer im Park, winterliche Gefilde oder Mailandschaften scheinen auf. Der Autor verwendet meist gereimte Zeilen, zeigt sich als Suchender, der neues Terrain entdecken möchte. Der Band spricht von den Zeiten der Liebe, zeigt enttäuschte Hoffnungen und die Spur der Einsamkeit. Wut und Trauer werden nicht ausgespart. Es dreht sich das Kaleidoskop der Emotionen. Der kritische Blick auf die Gesellschaft und sich selbst kommt zum Zuge. Kassandras Rufe sind zu hören. Zu guter Letzt würzt ein Kapitel Humor und Satire. So nimmt der Autor seine Zettelwirtschaft aufs Korn, ein hoffnungsloser Fall.

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