Birgit Althöfer

Ein Weihnachtswunder

Ein Weihnachtswunder

Die sanften Hügel und die verschwiegenen Wälder glitzerten und funkelten verheißungsvoll in der aufgehenden Sonne. Das Minizwergenland lag wie bedeckt von tausend Sternen ganz still und verschlafen da.
Plötzlich durchbrach wildes Gemurmel die Stille: „Das gibt´s doch nicht, was ist denn nur mit ihr los, das ist ja noch nie vorgekommen, ja hol´s mich der … ach, du weißt schon wer!“
Wild murmelnd und gestikulierend stapfte der Oberminizwerg in seinem rot-glänzenden Stiefeln durch den Winterwald. „Was ist denn nun wieder los, warum bist du nur vor Weihnachten immer so nervös, Weihnachten ist doch etwas Schönes“, fragte ihn der Silberwolf, der geweckt von dem Gezeter, müde aus seiner Höhle herausguckte.
„Fällt dir nichts auf, hörst du alles, was du hören solltest oder hast du dir Bohnen in die Lauscher gesteckt.“ Der Oberminizwerg lief schon ein wenig rot an und bald hatte sein Gesicht die Farbe seiner Stiefel.
Der Silberwolf hielt kurz inne, horchte in den Winterwald hinaus und sagte dann etwas träge: „Sie singt ja gar nicht.“ „ Na bravo, haben wir es jetzt auch endlich kapiert“, entgegnete der Oberminizwerg ziemlich angesäuert. „Ja, aber warum singt sie denn nicht ihre schöne Weise wie jedes Jahr zu Weihnachten“, fragte der Silberwolf verschlafen.  „Das, verehrter Herr Wolf, gilt es herauszufinden und es beschleicht mich ein sehr ungutes Gefühl, sie hat Weihnachten noch nie versäumt uns in der Morgendämmerung mit ihrem schönen Weihnachtsgesang zu wecken. Was kann da geschehen sein? Ist sie krank, hat sie verschlafen oder, nein, ich wage es nicht zu Ende zu denken, ist ihr gar ein Unglück geschehen ?“
Blitzschnell schoss der eben noch so verschlafene Silberwolf aus seiner Höhle und ebenso schnell befand sich der Oberminizwerg auf seinem Rücken, um in hastigem Galopp zum Schloß der Mooskönigin zu gelangen. Dort angekommen, nahm der Oberminizwerg sofort die Spurensuche auf und er fand beunruhigende Dinge vor. „Da“, rief er, „Koboldspuren und da, alles umgeworfen und –Nein- die Weihnachtsteine – völlig unbewacht, da hol mich doch… du weißt schon wer!“ 
Der Oberminizwerg war außer sich und geriet immer mehr außer Kontrolle. „Beruhigen, ich soll mich beruhigen, das ist ganz ausgeschlossen, dass…“  
In diesem Moment betrat Jakob, der Älteste der oberen Weisen und vervollständigte die unheilvolle Ahnung: „Nein, beruhigen ist wirklich nicht drin, wir haben im Wald versteinerte Tiere gefunden, und das kann wirklich nur Einer, der große Magier Kurux!“ „ Aber der Magier und seine Tochter Liandra waren doch immer Freunde der Tiere“, entgegnete der Silberwolf betroffen.
„Einst waren sie es“, sagte Jakob, „aber dann verschwand Liandra urplötzlich nach einem Spaziergang im Wald.“ Wie so oft spazierte sie fröhlich singend durch den Wald, sammelte Früchte, bestaunte die alten Riesenbäume und streichelte die Tiere, die ihr in Scharen durch den Wald folgten, sobald ihre schönen Lieder erklangen. Und eines Tages verschwand sie spurlos und ihr Vater, der sie tagelang gesucht hatte, fand nur noch ihr buntes Tuch, das sie immer trug. Die vielen bangen Monate des Suchens und des Wartens ließen ihn verbittern. Er zog sich immer mehr in seinen Turm zurück, sprach mit niemandem mehr und jeder, der ihm helfen wollte, setzte er mit den Worten: „Wie wollt ihr mir helfen, mit einem albernen Trost oder mit euren seltsamen Geschenken? Bringt mir meine Tochter, damit könnt ihr mir helfen“, vor die Tür. Niemand wusste Rat, hatte man doch schon das ganze Minizwergenland, das Ostriesengebirge und den Winterwechselwald durchsucht. Jeder Stein wurde umgedreht, jede Höhle durchsucht, aber Liandra blieb verschwunden. „Aber was hat Magier Kurux jetzt mit unserer Mooskönigin vor, so kurz vor Weihnachten. Wir müssen das Fest vorbereiten, aber wenn die Mooskönigin verschwunden bleibt, wird es kein Weihnachtsfest geben. Nicht auszudenken, die Weihnachtssteine werden ohne ihre Anwesenheit nicht funkeln und glitzern und auch nicht Weihnachtlich rot glühen!“ Und als alle so ratlos und traurig bei- einander standen wurde die Stille jäh durch ohrenbetäubenden Donner und einen grellen Blitz durchbrochen. Danach hallte eine laute und wütende Stimme durchs Tal. Sie gehörte dem Magier Kurux, der wild gestikulierend vom Turm folgendes verkündete: „ Ich halte eure Mooskönigin gefangen, es geht ihr nicht gut, sie ist schon ganz blass und schwach. Ihr werdet euch mir alle unterwerfen, auch die Tiere, und ihr werdet in meinen Mienen nach Gold und Edelsteinen graben. Wenn ihr dem nicht folgt, werdet ihr eure Mooskönigin nie wieder sehen!“
„Sie wird sterben ohne den Kontakt zu den Weihnachtssteinen, das ist ja furchtbar!“ Der Silberwolf sah in die Runde und fragte: „Glaubt ihr, die Mooskönigin erwartet das von uns, dass wir uns unterwerfen und uns der Knechtschaft überlassen?“ Nein, meine Freunde, sie erwartet sicher von uns, dass wir überlegen wie wir sie befreien könnten. Und genau das werden wir tun!“ „Aber wie, wie nur. Der Turm hat tausend Augen, und die Kobolde bewachen ihn. Niemand kommt dort ungesehen hinein.“ „Doch“ , entgegnete der Silberwolf, „Die Kleinsten von uns können das, unsere flinken Haselmäuse.“
Und so machte sich der kleine, unauffällige Trupp, bestehend aus den Haselmäusen und Eichhörnchen auf den Weg zum Turm des Magiers. Es war für sie eine Kleinigkeit am efeubewachsenem Turm empor zu klettern. Sie erreichten das Fenster des Turms und schlüpften schnell in den Raum. Dort sahen sie zu ihrem Entsetzen die Mooskönigin blass und schwer atmend auf einer Decke liegen. Die Haselmäuse flößten ihr schell einen nahrhaften Necktar aus Honig und Pollen ein, den die Bienen den ganzen Sommer über gesammelt hatten. Und so kehrte wieder ein wenig Farbe in ihr hübsches, moosgrünes Gesicht zurück. Doch die Haselmäuse und Eichhörnchen drängten zur Eile und Flucht. „Liebe, verehrte Mooskönigin, lass Dich einfach fallen, die Adler werden Dich auffangen und sicher zurück bringen.“ Nur hatten sie vor lauter Aufregung alle nicht mehr an das wachsame Auge des Magiers Kurux gedacht, der die Flucht der Mooskönigin auf dem Rücken der Adler sofort bemerkte und wilde Blitze in den Himmel schickte. Einer der Blitze traf den Adler mit der Mooskönigin am Flügel, und er trudelte und verlor dabei die Mooskönigin. Sie hatte Glück und landete aus nicht allzu großer Höhe auf einem verlassenen Ameisenhaufen, der ihren Fall stark abmilderte, und sie sich glücklicherweise nicht verletzte. Die Eichhörnchen und Haselmäuse waren sofort bei ihr und riefen ihr zu: „Los liebe Mooskönigin, wir müssen durch die Tropfsteinhöhle flüchten, es gibt keinen anderen Weg um uns vor den Blitzen zu schützen.“
Schnell fanden sie den Eingang zur Höhle, doch alle beschlich ein sehr ungutes Gefühl, denn alle wussten, wer die Höhle bewohnte und auch beherrschte. Es war eine riesige Fledermaus, die alle nur erfurchtsvoll und ängstlich „das Schattenwesen“ nannten. Und so dauerte es nicht sehr lange, bis sie ihr bei dem Gang durch die Tropfsteinhöhle begegneten. Ihre Augen funkelten rot und glühend in der Dunkelheit, und sie wollte gerade zum Flug ansetzten, als die Mooskönigin begann ihre wunderschönen, morgendlichen Weihnachtslieder zu singen. Wie ein angenehmer Nebel durchzog ihr Gesang die gesamte Höhle, und die sanften Töne drangen in jeden Winkel. Die Fledermaus war wie gelähmt und blieb friedlich an ihrem Platz. So durchschritten sie schnell die Höhle, bis sie plötzlich ein Wimmern und Klagen vernahmen. Sie trauten ihren Augen kaum, denn sie fanden Liandra, die lang vermisste Tochter des Magiers Kurux. Auf dem Weg nach draußen erzählte Liandra ihnen ihre Leidensgeschichte. Zuerst war sie im Wald unterwegs und kam dann zur Tropfsteinhöhle. Sie wurde oft von ihrem Vater gewarnt, die Höhle nicht alleine zu betreten, aber ihre Neugier und die Begeisterung für die vielen atemberaubenden Tropfsteingebilde war zu groß. Sie betrat die Höhle und war wie verzaubert von Stalagmiten und Sinterfahnen. Und dann ging alles ganz schnell. Sie rutschte auf dem feuchten Untergrund aus und kugelte einen kleinen Abhang hinunter. Dabei verstauchte sie sich den Fuß und kam nur langsam voran. Zu allem Unglück wurde die Fledermaus auf sie aufmerksam und hielt sie seitdem in einer Felsspalte gefangen. Mit ihrem verletzten Fuß war alleine an eine Flucht nicht zu denken. So war sie die Gefangene der Fledermaus, die jeden Tag ein paar Tropfen Blut von Liandra nahm. Und so war die Flucht der Mooskönigin und der Tiere gleichzeitig die Befreiung Liandras. Überglücklich folgte sie ihnen ans Tageslicht, ihre Gefangenschaft war vorbei!
Auf dem Weg zurück ins Minizwergenland machte sich jeder so seine Gedanken zu Weihnachten. Es war ein Tag vor Heiligabend. Würden sie es noch schaffen alles zusammen zu tragen, damit jedes Tier des Waldes etwas zu fressen hatte und auch die Minizwerge, die Mooskönigin, der Silberwolf, Lianfra und ein jeder, der dort wohnte seine kleine feine Überraschung bekam? Ein Eichhörnchen sprach es aus: „ Wird es dieses Jahr Weihnachten für uns geben?“ Da sprang plötzlich der Silberwolf hinter einem Gebüsch hervor und konnte seine Freude über die Rückkehr der Mooskönigin kaum verbergen. „Na Du bist mir ja ein komisches Hörnchen, natürlich feiern wir Weihnachten, ist es je schon einmal ausgefallen?“ Alle lachten erleichtert und wussten nun, dass der Silberwolf und alle anderen im Minizwergenland in ihrer Abwesenheit schon alles für das heilige Fest vorbereitet hatten. „Geh` nun zu Deinem Vater und feiere ein Wiedersehen mit ihm, damit sich sein verwundetes Herz beruhigt und bringe ihn mit, feiert mit uns Weihnachten!“
Am Heiligen Abend waren alle auf dem Platz des Friedens im Minizwergenland versammelt, der festlich geschmückt war. Von überall glitzerte und funkelte es. Die drei Weihnachtssteine funkelten auf einem goldenen Teller, der auf einer festlich geschmückten Empore stand. Es wurde ganz still und plötzlich drang die Stimme des Magiers Kurux an ihre Ohren. Mit bedrückter Stimme sprach er zu ihnen: „Ich habe euch allen viel Leid angetan in meiner Sorge um Liandra. Das war nicht richtig, doch ich konnte vor Schmerz nicht mehr klar denken. Ich werde euch zu Diensten sein, liebe Mooskönigin, als Wiedergutmachung und Entschuldigung. Ich schäme mich zutiefst, verzeiht mir.“ „Gräme Dich nicht, freue Dich lieber Deine Tochter wieder zu haben. Wir verzeihen Dir, wenn Du ein schönes Weihnachtsfest mit uns feierst.“ Alle klatschten und jubelten, und Liandra und ihr Vater schauten sich gerührt um.
Es wurde wieder ganz still, und dann ertönte die wunderbare Stimme der Mooskönigin, die ein weihnachtliches Lied sang, das jeden verzauberte. Dann richtete die Mooskönigin eine Rede an ihr Volk: „Wieder einmal habt ihr bewiesen, wie treu ihr alle an meiner Seite steht und wie mutig und tapfer ihr unser Minizwergenland verteidigt und dafür einsteht, ein jeder von euch, die Größten wie die Allerkleinsten, die oft eine sehr große Rolle spielen. Ihr habt erreicht, dass unser schönes Weihnachtsfest wie jedes Jahr stattfinden kann. Lasst uns ein friedvolles Weihnachtsfest feiern und Sorgen und Kummer vergessen! Ich wünsche euch allen und den Menschen ein freudiges Weihnachtsfest mit vielen glücklichen Gesichtern und natürlich auch mit schönen Geschenken!“

„Frohe Weihnachten euch allen“

 
 

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