Lothar Krist

Die Farbe Rot

Die Farbe Rot.
Liebe und Hass. Krieg und Weltrevolution.

Rot ist die Farbe der Liebe. Der so samtig glänzende, gleichmäßige Schwung von Danaes Lippenrot lässt mich verwegen hart nach verlegen zarten Stunden träumen. Wie oft habe ich nicht eine laue Nacht im Sommer am Meer oder auch “nur“ zu Hause an einem unserer so dunkeltief-grünen Seen durchgemacht, um ein wunderschönes Morgenrot mit ihr in Umarmungen gefangen zu erleben. Im dunkeldüstren Abendrot habe ich mich oft mit ihr in ein zeitlos unendliches Nichts hinein zerküsst, denn rot ist die Farbe der Liebe.

Doch rot ist auch die Farbe des Kriegs. Du steckst in Angst zerschossen hilflos in einem finsteren Kellerloch. Einschlag um Einschlag, näher und näher, machen Mutter Erde so zittern. Dann hörst du die Bombe aus der so überaus netten Familie der Bunkerbrecher in einem schrillen Schriller ihre letzten Sekunden zerpfeifen, zuerst noch rieselt für eine einzige Sekunde lang der stickige Staub der Ziegel, dann verbrennst du in einem einzigen Schmerz samt dem an dich gepressten Kindsverwimmern in einem einzigen Flammenmeer ganz lichterloh. Alle Farben züngeln nach Gelb über Orange ins Rot. Dann bist du tot, ... oder Zeit deines restlichen Lebens zur hautlosen, fleischroten Unkenntlichkeit entstellt.

Rot ist die Farbe von MOAB. Rot kommt heute der moderne Tod. Im Umkreis von einer halben Meile zerfetzt die Mutter aller Bomben jeden anwesenden Lungenflügel in Blutspritzendes Rot. Stehst du noch eine weite Meile weg im Weg herum, hängt dein Trommelfell in schalliger Schnelle in Fetzen. Deine Augen sehen aus dieser Entfernung noch die Silhouette der Stadt im infernoalen Rot und schwarzem Rauch versinken, dann naht eine Walze glühendheiß gerollter Zungen, du siehst, wie sie in Zeitlupe kommend gierig nach dir schlecken, dann bist du tot.

Tora-Bora, die Jahrhunderte alte Trutzburg gegen das Böse, versank an einem Heiligen Abend im Feuerrot. Am Heiligen Abend, man stelle sich Das nur vor. Der Bonesman hatte keinerlei Skrupel, er zündete seinen Christbaum an auf Heiligem und für ihn so fremden Boden. Der Heilige Berg stand den Afghanen immer als Zeichen der Guten gegen die von irgendwo immer wieder einfallenden Bösen. An diesem Ort hat sich selbst das Reich des Russischen Bären all seine Zähnchen schrumplig gebissen. Tora-Bora befärbte auch die Schnauze des Russischen Bären rot und befüllte seine graugrünen Drillichhosen mit übel riechendem dünnbraunen Kot. Er hat sich nach zehn Jahren endlich gründlichst angeschissen und musste sich verpissen. Der Bonesman ist jetzt gerade mal ein gutes Jahr dort.

Doch der Bonesman warf nur ein einziges Gänseblümchen, er versetzte den ganzen Berg ins Nichts, und der Prinz des Schweigens ertrank mit über sechshundert Getreuen im die Höhlen verzischenden Flammentod. Nun konnte sein gewagtes Spiel beginnen. Er nannte es den Roten Tod der Zeit. Der Prinz von Hass spielt heute sein Videospiel heraus aus dem sicheren Tod. Da findet ihn kein Mensch, es sei denn, er ist tot. Der Prinz des Schweigens wusste Alles. Der Prinz von Hass kannte jeden Schritt. Er hatte ja seine Wogehenwirhingedanken. Seine vier Flieger kamen aus allen vier Himmelsrichtungen. Seine Botschaft an die Welt verbrannte beim “Landen“ den Himmel ganz rot. Menschen, die vor dem Feuer weg rannten, sprangen hundert Meter tief in einen sinnlosen, doch schmerzfreieren Tod. Ein Patsch nur, und der vom heißen Sommer ausgetrocknete Asphalt saugte gierig das Rot von seinem, ihrem Blut.

Der Rote Tod kommt heute aus tausenden von Panzerrohren. Der Rote Tod speit so viel Angst, Verzweiflung, Leid und Kot. Es gibt heute so viele Panzer in der Welt, wie noch nie zuvor. Das Geld von einem einzigen Panzer nur und ein ganzes Volk im Sudan könnte ein Jahr davon Leben, auf ihre Art sogar in Saus und Braus. Doch statt dessen verbrennen ihre Hütten feuerrot.

Der Rote Tod cruise-missiled sich wie der Stern über Bethlehem mit einem den Nachthimmel durchschneidenden langen Goldschweif aus einem tiefen Schacht von einem U-Boot heraus und dann gelb-oranged er sich über das weite Meer hinweg in einen einzigen Massenmordtod. Der Rote Tod verkollateralschadet sich fünfhundert Meter neben seinem angepeilten Ziel und er bläst eine ganze Häuserzeile mitsamt den unwissenden Seelen darin hinein ins Nirvananichts. Der Rote Tod kennt keinen Unterschied. Der Rote Tod sieht kein Gesicht.

Tausend T72-Panzer fassen einen letzten Mut und greifen gedeckt durch einen wilden Sandsturm das Heer der Bonesmen an. Doch es gibt nur einen Allah und der war gerade mal nicht da, außerdem war er vielleicht sogar ein wenig böse, ich denke ziemlich sogar, so zog der Sandsturm wieder weiter und hundert Apache-Helikopter stürzten sich wie eine gierige Rattenschar auf diesen Opferteller. Die sechzehn Hellfire-Raketen waren schnell verschossen. Die viertausend Panzersoldaten verglühten hilflos und rot im Höllenfeuer. Ein einziger Nachmittag nur und ein neuer Friedhof der Tanks ziert die Wüste des Iraks und lässt die Geigerzähler von Ärzte ohne Grenzen ganz wild verzirpen für ein paar hundert Jahr. Hunderttausende von ermordeten, so tapfer kämpfenden Apachen werden rot vor Wut und erbrechen sich in hilfloser Entrüstung hinein ins Heldengrab.

Manche Kinder von Heute haben in ihren zarten Zeigefingervenen einen so unheimlichen, perfekt trainierten und für uns so neuen und noch so unverständlichen Seelenrottod. Sie umklammern spielerisch in eine Neue Liebe versunken den Joystick, ein sanfter Druck nur, und der Rote Knopf speit aus seinem sicheren Bunker im Feuerrot einen so fernen, ganz fernen Neuen Massenmordtod. Joystick-Killerkids lieben dieses Neue Knopferlrot in ihren zarten Händen. Endlich erwachsen! Endlich erwachsen ... und endlich Herr sein über die Drohne Predator, endlich Blut sehen, endlich wirklich zerstören und endlich das Antlitz sehen vom echten Tod. Den Auslöser für diesen Massenmordtod nennen sie liebevoll ihr “Knopferlrot“, in den USA so ganz verwegen “my dear Red Dead“, den Peng-Peng ihres Neuen Heldenerlebens! Und eines ihrer Lieblingscomputerspiele “Kill the bad teacher, killkill“ bewegt heute tatsächlich unsere ganze westliche Welt und die Friedenskinder von Damals, die Eltern dieser Neuen Generation, werden dabei nicht einmal rot, denn sie wissen noch nicht.

Auf der anderen Seite tausende Schulen von Hass. Die Hassschulen saugen die hungrigen Kinder aus jeder in Armut und Unfreiheit zerfallenden Stadt, aus jedem kleinen Dorf. Hassschulen prägen dort alle Gedanken, und alle Gedanken tragen den Hass nun von Ort zu Ort. Auch diese Kinder sind nun dem Schulalter endlich entwachsen.

Suicide-Killer-Killerkids träumen auch in der Farbe Rot. Suicide-Killer-Killerkids denken ihre Feinde sogar sich selbst mitverbummend tot. Suicide-Killer-Killerkids haben genau so viel Angst vor dem Sterben, wie du und ich. Doch die Angst vor dieser Fremdbestimmung stimmt selbst den feigsten Hungerleider grob, ... und dann sieht er nur noch rot. Peng-Peng da, und Bumm-Bumm dort, ein neues und so erbärmliches Hundeleben.

Der Ganze Westen, er wusste, aber er hat Nichts, jahrzehntelang Nichts dagegen getan. Nein, er schüttete sogar noch Fässer von Gier nach den schwarzgoldenen Quellen in diese hellrot auflodernde und weithin sichtbare Flamme von bereits aufkeimendem Hass, und so versinkt nun auch dieses seit Ewigkeiten völlig zerstrittene Völkerheer in einer sich endlich über zumindest Eines einig seiende und nun auf einmal so blutrote und nur noch schwarz oder weiß erkennende Glaubenswehr.

Rot klagen die wochenlang ohne Schlaf geränderten Augen: ´s ist Krieg! ´s ist Krieg! ´s ist ein Neuer Krieg in der Welt, ... ein Krieg, ein Krieg, den wieder einmal kein normaler Mensch versteht, und der doch geschieht. Und die Fahnen brennen vom Gelb über Orange nach Rot. Die Meere der Friedsuchenden Kerzen brennen um Jahrzehnte zu spät. Jimi Hendrix, der rechtzeitig abgetreten ist, weil er wusste, warum er diesen Song geschrieben hat, brennt sein verzweifeltes “Star sprangled Banner“ aus lauten Lautsprecherboxen von Fern aus dem Jenseits protestierend laut dazu.

Doch der Bonesman, der Bonesman, der hört nicht. Der Bonesman sieht nur noch rot. Es scheint, als hasse er alle Menschen. Göttin Danae? Noch nie von gehört! Aus seinem Mund röchelt brodelnder Hass, seine Worte stinken von einem Neuen Wahnsinn angetrieben, in seinem Schlund kocht ein Gläubiger Kot. Und alle Welt sieht jetzt wieder rot.

Und am Ende weiß dann wieder Keiner: Warum bloß? Und am Ende weiß dann wieder Keine: Wieso? Doch am Ende weiß alle Welt: Blut tränkt unsere ganze Mutter Erde dunkelrot! Big Brother, der Erste, Mr. Bonesman, frisst jetzt unsere Göttin Danae, unser aller Mutter Erde. Der Blaue Planet glänzt nun bald von allen Seiten so rot nach Verwesung, nach Tod, nach Massenmordtod.

Doch auch die Farbe der Weltrevolution ist dann rot, so viel roter noch als rot. Der Dichter des Kriegs ahnt mindestens dreißig lange Jahre von Massenmordblut. Denn nun will wieder einmal ein Irrer Alles, es scheint, das ist des Menschen natürlichste Natur. Und der Friedensmensch von Gestern, von vom Leben abgehobener Naivität verblendet, hat diesem Irren den Weg dorthin geebnet. Das Gleichgewicht der Kräfte nannte er, das Leben so sehr verkennend, verächtlich den Kalten Krieg. Dieser Kalte Krieg wird ihm bald wie das Paradies erscheinen.

Ich bin ein Dichter dieses Kriegs, weil ich Nichts, wirklich Nichts mehr hasse, als diesen Krieg. Ich habe daher schon immer die Worte zerschmettert und wieder zusammen gebaut. Ich habe schon vor fünfundzwanzig Jahren als junger und so dämlich dummer Spund versucht vor diesem Krieg zu warnen. Der krude Militarismus ist aller Kulturen Tod. Doch die Dichter des Friedens haben mich mitsamt ihren Friedensfreunden belacht. Darob wurde ich im Gesicht, mich in damals noch so ungewisse Unsicherheiten ganz verlierend, puterrot ... mir wurde ganz heiß im Gesicht, ... mir war schlecht, ... es war mir so peinlich, ... ich wusste ja nicht, ... ich hatte nur diese Ahnung, diese so irren Dichterträume, ... und dann habe ich mich ganz feige verkrochen.

Ich habe mich verkrochen im einfach nur Dahinleben. Das Leben genießen war angesagt. Ich habe auf Alle, aber nicht auf Jeden und schon gar nicht auf Jede geschissen. Ich degenerierte zu einem Nichts meiner Zeit. Ich verfiel ins absolute Schweigen. Ich habe mich solidarisch erklärt mit dem weltweiten Schweigen der Opfer. Aber ich habe voll Furcht auf diesen Tag gewartet, an dem der Prinz des Schweigens, dieser Prinz von Hass, das Schweigen der Opfer brechen und den Roten Hass entflammen würde. Damals habe ich geschrieben: “... und sie werden sich in unsere Flieger setzen und sie werden in unsere Türme fliegen, und sie werden uns mit unseren eigenen Waffen bekämpfen, weil sie keine eigenen haben. Sie werden mit unserer Technik unsere Technik besiegen und sie werden sich in unseren Netzen weltweit vernetzen, weil wir Alles an uns gerissen haben und sie Nichts, absolut Nichts mehr ihr Eigen nennen. Sie werden Nichts, gar Nichts zu verlieren haben, außer ihr Leben, und das zählt dann Nichts mehr. Dieses ihr bisschen Leben wird dann zerfetzen im Roten Tod.“

Und ich habe weiter geschrieben: “Wenn der Prinz des Schweigens das Schweigen der Opfer bricht, dann wird das Rote Blut wieder sichtbar für Alle werden, auch für die Gutesten Menschen im Westen. Dieses Rote Blut wird wieder sichtbar für Alle in Strömen fließen. Und alle Menschen werden dann endlich wissen.“ Und das Antlitz des Blauen Planeten wird dann, wie einst ich, so puterrot und in peinlichster Pein versinken.

Ich war nie ein kuscheliger Dichter des Friedens, Halbwahrheiten und Sachen schön schreiben waren meine Sachen nicht. Meine Wahrheiten waren immer den Realitäten angepasst. Ich verlor mich dann auf Alle und Jeden und Jede pfeifend in einem sogar für mich selbst viel zu brutalen und so überrealistischen Exzess, in einer pseudofiktiven, literaturhistorischen Dichtung über die kommende Ära der Gutmenschenkriege, eine Serie von Kriegen der selbst ernannten Guten gegen die so genannten Bösen, so und so, dann über den vierten Weltkrieg hinweg hinein ins Imperium Americanum des Hochadels der geheimen Nazibruderschaft der Bonesmen bis hin zur Weltrevolution.

Ich, ein Dichter des Kriegs, ich sehe rot, blutrot. Und dann, wenn sie endlich Alle begreifen und endlich Alle so stolze Dichter dieses Krieges sind, um Jahrzehnte zu spät, dann gehe ich in die nächste Dimension und werde ein Dichter der Weltrevolution. Ja, ich gestehe es heute endlich ein: Ich bin so wahnsinnig. Ich sehe nur noch die Farben Rot, diese glühendroten Farben der Weltrevolution. Die Welt wächst jetzt endlich zusammen und der Mensch wohl auch. Wir werden es schon schaffen. Sicher sogar.

© Copyright by Lothar Krist (27.3.2003)

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Lothar Krist).
Der Beitrag wurde von Lothar Krist auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.03.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Lothar Krist als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Vorwärts in die Vergangenheit - Korrigiere deine Fehler von Jürgen Berndt-Lüders



Ein alter, kranker Mann versucht, sich selbst in der Vergangenheit zu beeinflussen, gesünder zu leben.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Krieg & Frieden" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Lothar Krist

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Aromatix 14 - Die Oben-Ohne-Bar von Lothar Krist (Abenteuer)
Mit Feuer und Schwert von Paul Rudolf Uhl (Krieg & Frieden)
irgend etwas ist anders, als sonst ! von Egbert Schmitt (Gesellschaftskritisches)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen