Marietta Bachmann

Die Elfe auf dem Sprungbrett

Es war einmal eine Elfe, die war schon ein wenig aus der Form geraten. Sie war nicht mehr so ganz jung und knackig, ihre Haare waren ständig verstrubbelt und seltsame Rauchwolken stiegen gelegentlich aus ihren Ohren. Trotzdem konnte sie recht gut singen & tanzen und schwebte, ihren Rücksack auf dem Rücken, leichtfüßig von Jahr zu Jahr. Zwar fehlte ihr ein Arm, den sie beim Kampfe mit einem Drachen verloren hatte, doch stets war sie guter Dinge. So gelangte sie aus dem Land der Sieben Berge in das Land der Zwotausend Seen. Sie hielt Rast am Ufer des Großen Flusses, als sie ein seltsames Wehklagen hörte. Ein Zwerg war in das kalte Wasser des Flusses gefallen und stand nun frierend am Ufer. Sie zog ihre Jacke aus, legte sie um seine Schultern, so das er ganz darin verschwand und lud ihn ein, sich an das wärmende Feuer zu setzen. So saßen sie eine Weile beieinander und schwiegen. Vorsichtig trockneten sie den Tabak aus den Taschen des Zwerges und drehten sich ein Rauchwerk. Die Feldflasche der Elfe war bald geleert und am kleiner werdenden Feuer schliefen sie friedlich ein. Am Morgen erwachte die Elfe von lautem Wortgewitter. Der Zwerg war verschwunden und ihre Jacke mit ihm. Die Sonne schien und sie vermisste sie auch nicht. Am erloschen Feuer lag ein Zettel, mit ungelenker Handschrift war darauf eine seltsam Weise notiert. Darunter stand: “Benutze dieses Lied sooft Du magst und vermagst, so werden sich Ritter und Prinzen in die Seen Deiner Augen stürzen. Bedenke jedoch das Echos jeden Gesanges auch einen Preis von Dir fordern wird. Wenn Du meiner bedarfst, so rufe nach mir. Meinen Namen wirst Du erkennen in diesem Moment.“

Sie legte ein wenig Rosentau auf ihre Arme und schnürte ihre Wanderschuhe. Frohen Mutes ging sie den Fluss entlang. Da sah sie einen verwegenen Burschen am Rande des Wegs sitzen. Er schien recht enttäuscht ob der Prinzessinnen in diesem Lande und zum Troste sang sie ihm einen Teil der Zwergen-Weise. Obgleich sie ihn warnte, dass Ihr Gesang nur der Freundlichkeit gelte, schien es ihr, als erwarte er nun, das sie gemeinsam mit ihm am Rande des Weges sitzen bliebe und dem Gesang der Zikaden mit ihm lausche. Ihr Wunsch, das Land besser kennen zu lernen war jedoch so groß, das sie weiterziehen musste und der Bursche blieb mit einem sehnsuchtsvollen Blick zurück. Zwar ereichte sie ab und an eine Brieftaube, in welcher er um ein Wiedersehen bat, die schneller werdenden Uhren führten sie jedoch nicht wieder auf diesen Pfad zurück.

Am Abend legte sie sich an den Rand einer Quelle, als sie einen einsamer Königssohn im Spiegel des Wassers erblickte. Er tränkte sein Pferd und da er unglücklich wirkte, begann sie die alte Weise zu singen. Sein spöttisches Grinsen erstarb ihm, als er den glücklichen Blick in ihren Augen las und sah, daß sie trotz ihres fehlenden Armes mit Worten recht gut umzugehen verstand. So sprachen sie lange über das Land der Zwotausend Seen und auch über das der Sieben Berge, was sie beide recht gut kannten, denn der einsame Königssohn war kein Kind des Landes der Zweitausend Seen und hier ebenso wie sie nur zu Gast. Seinen Wunsch, Ihr direkt gegenüberzustehen musste sie abschlagen, denn noch hatte sie das Echo des vergangenen Liedes im Ohr.

So zog sie weiter, als sie in der Ferne einen Ritter erblickte. Er wirkte ein wenig müde, so als sei er schon von Schloss zu Schloss gezogen und hätte nirgends ein Lager gefunden. Auf leisen Sohlen schlich sie ihm nach und lauschte seinen seltsamen Worten. Auch er erblickte die Elfe, aber der Rauch aus ihren Ohren erinnerte ihn doch mehr an eine Hexe denn an ein liebenswertes Wesen. Die Elfe aber lächelte verspielt und die Warnung des Zwerges erneut überhörend, lehnte sie sich an den Stamm einer alten Mangrove und sang. Die Schritte des Ritters wurden langsamer und zu seinem eigenen Erstaunen begann er, sich ihr zu nähern. Sie nahm seine Hand und stieg mit ihm in die Krone des Alten Baumes, um mit ihm das Land der Zwotausend Seen zu überblicken und hinüber in das Land der Sieben Berge zu schauen. Seltsam schön erschien dieses ferne Land von hier oben und eine tiefe Sehsucht nach den Abgründen des Lebens überkam den Rittersmann.

Hand in Hand gingen sie tiefer in den Wald hinein. Da geschah Seltsames mit ihr: Federn wuchsen auf Ihrem Rücken und von Stunde zu Stunde gelang es ihr besser, in die luftigen Höhen der Feuervögel aufzusteigen. Da hörte die Elfe eine Stimme, es war die Stimme ihres seltsamen Zwergenfreundes. “Deinen Namen nannte ich doch nicht“, erschrak sie selbst. “Deine innere Stimme rief mich“, antwortete er. “Das Echo des Gesangs drang tief in meine Höhlen, ich hörte wie es ängstlich wurde, was kann ich für Dich tun?“

“Die Feuervögel begrüßten mich, als wäre ich einer von Ihnen, ich muss noch andere Länder bereisen, bevor ich mich niederlasse. Übergebe doch einen Brief für mich, ich fürchte den Schmerz des Ritters so sehr.“ Der Zwerg hob warnend die Augenbrauen: “Aber Du wirst einsam des Weges ziehen.“ Sie lächelte traurig, dankte dem Zwergenkönig und flog davon....
Sie ward nie mehr gesehen bis ans Ende ihrer Elfentage. Nur hier und da hörte man die Weisen über das Land klingen und sah seltsamen Rauch aus mancher Küche aufsteigen.

Happy End.

mb2002


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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 31.03.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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