Sophie Vogel

Wie ich zum Sonderfall wurde

Als das Sondereinsatzkommando nachts um 2 vor der Tür stand war ich 12.Die schwarzen Männer machten mir nicht mal Angst ,die Situation brachte gar keine Gefühle in mir hoch .Nur eine Leere .Eine tiefe schwarze Leere, genau so schwarz wie die Männer die gerade mein Haus stürmen .Der schlimmste Anblick war eigentlich meine Mutter .Ich hatte meine Mutter noch nie zuvor so gesehen ,so unendlich traurig ,der Schmerz stand ihr ins Gesicht geschrieben. Damals wusste ich noch nicht dass diese Traurigkeit anhalten würde. Wir durften uns nicht mehr frei bewegen, sollten in die Küche. Ich ging zu meinem Bruder ins Zimmer, er lag da und schaute mich an, genau so traurig wie meine Mutter. Ich weiß nicht ob ich auch so traurig ausgesehen habe, ich hab nicht Ein mal in den Spiegel geguckt. Ich hatte fast nichts an, aber das war mir egal, mir war nicht kalt. In diesem Moment gab es keine Gefühle mehr außer Trauer, Leere und Einsamkeit. Man wurde wirklich einsam. Alleine in der großen weiten Welt, alleine unter Menschen. Meine Mutter hat einfach nichts mehr gegessen, eine Woche lang, es hat mich fertig gemacht. Ich wollte für sie da sein, versuchen das Leben so gut es geht weiter zu führen, aber es ging nicht, es war unmöglich. Ich wusste ich musste kämpfen, ich hab es auch versucht. Mit jedem Tag wurde es schwerer, mit jedem Tag wurde mir bewusster was geschehen ist. Die meist gestellte Frage war natürlich Warum. Aber auf diese Frage bekommt man ja meistens keine Antwort. Ich fing an mich besonders in der Schule anzustrengen, weniger um gute Leistungen zu erbringen, viel mehr um den Schein einer guten Familie aufrecht zu erhalten, nur leider wurde in der Zeitung breit über den Fall berichtet. Ich wechselte die Schule, auch nicht das erste mal. Da war noch alles gut, keiner wusste irgendwas oder brachte die Sache mit mir in Verbindung, das war ein gutes Gefühl. Aber natürlich zogen wir um. Ich hasste diese Gegend vom ersten Tag an. Ich hasste alles an ihr und am meisten hasste ich die Schule. Ich ging hin, aber das wa! r auch s chon alles. ich hörte die meiste Zeit im Unterricht Musik oder verbrachte die Stunden vor der Tür. Ich konnte einfach nicht, ich war zu sehr mit mir beschäftigt. Wie sollte ich in die Schule gehen und lernen, wenn ich zuhause sitze und mit dem Gedanken spiele mich umzubringen? Mein Kopf war so voller Probleme, es war kein Platz mehr für was anderes. Es gab nichts mehr außer diese schwarze leere, die mich innerlich auffrisst. Ich fing an abzunehmen, immer mehr, ich wollte nichts mehr essen und wenn ich gegessen hab, habe ich es kurz danach wieder erbrochen. Ich hab mir die Schuld dafür gegeben das es meiner Mutter schlecht geht, dafür dass ich so viele Fehler mache, dafür dass ich überhaupt geboren bin. Alles war falsch, ich war falsch. Ich hatte nichts anderes mehr verdient außer Schmerzen. Wobei die Schmerzen auch andere Gefühle zurück gebracht haben, aber nur für einen kurzen Moment. irgendwann bin ich gar nicht mehr in die Schule gegangen, ich habe generell aufgehört irgendwas zu machen, ich wollte sterben. Ich wollte nie wieder wach werden, wollte allem ein Ende setzen. Ich fing an Tabletten zu nehmen und mich zu betrinken, immer heftiger. Jedesmal wenn ich wieder aufgewacht bin, hab ich mich gefragt warum. Jetzt bin ich froh dass ich wieder aufgewacht bin. Das Jugendamt kam zu uns nachhause, natürlich konnte man von Hilfe nur träumen, das waren Pflichtbesuche, im endeffekt war es denen egal was aus uns wird, die hat es nur interessiert das ich keine Probleme mehr mache, aber ich hab weiter Problem gemacht und promt wurde mir eine Therapie empfohlen. Natürlich ist es verständlich das man einem Mädchen das sich selbst verletzt, sich bis zur Besinnungslosigkeit zudröhnt und nicht mehr zur Schule geht eine Therapie empfiehlt, aber ich hielt nichts davon und wollte die Probleme mit mir selber lösen, ich brauchte nur Zeit, die sollten mich einfach in Ruhe lassen. Ich wurde aber nicht in Ruhe gelassen und wurde zum ersten mal zu einem Psychologen geschickt.Ich fühlte mich unwohl dabei,aber stimmte zu mit z! u gehen. Der Termin war morgens und schon beim aufwachen hätte ich weinen können.Ich fühlte mich nicht wie jemand der einen Psychologen braucht.Ich fühlte mich eher wie jemand der sein ganzes Leben belogen worden ist und jetzt den Mist von anderen ausbaden muss.Nicht nur von irgendjemand anderen,sondern von meiner Familie.Als wir da waren kam ich mir komisch vor,nicht dumm,einfach komisch.Diese Station hatte Krankenhausfeeling,was wir ja auch alle da waren:Krank. Das hat mich schon immer gestört,als krank bezeichnet zu werden.Aber damit musste man eben leben wenn man ein Sonderfall war.Ja,wir waren alle Sonderfälle.Aber ist es denn so falsch anders zu sein?Wir sollten im Wartezimmer warten und kurz danach kam ein seltsamer,kleiner Mann hinein der sich als mein Psychologe entpuppte.Der erste Gedanke war, dass dieser Mann aussieht wie ein Charakter aus einem Buch.So hatte ich ihn mir immer vorgestellt.Trotzdem war er komplett unsympathisch.Wir gingen in einen Raum zum „reden“.Toll,dachte ich,hier soll ich jetzt also jemanden mein Herz ausschütten der mir zum ersten komplett unsympathisch ist und zum zweiten sitze ich in einem halbdunklen Raum der mich eher an eine Folterkammer erinnert anstatt an Gemütlichkeit.Ich brachte das Gespräche so gut es ging hinter mich und ging mit einem lächeln wieder.Nicht weil mir dieses Gespräch so viel gebracht hat,nein,weil ich diesen Mann gut getäuttscht und beruhigt hatte.Diesen Typen ging es doch garnichts an was mit mir ist und freiwillig wäre ich sowieso nie dahin gegangen.Ich hatte Hunger und wir gingen was essen und ich dachte über diesen Besuch nach.Eigentlich musste ich mir die ganze Zeit nur sagen lassen wie falsch ich denn bin, dass ich krank bin und dringend Hilfe brauche.Was meint der überhaupt mit Hilfe?Glauben die wirklich sie wären die Ärzte für die Seele?Man kann in niemanden rein schauen und der Spruch „Man muss das hier selber wollen,ansonsten bringt das nichts.“ Ist mehr als bescheuert.Zumindest für mich.Wenn ich selber will,mach ich auch selber,nur ich wollte da! eben ei nfach nicht.ich konnte auch nicht,ich brauchte einfach Zeit.Aber Zeit in der heutigen Gellschaft zu verlangen ist wie ein sechser im Lotto.Wer bekommt heute schon noch Zeit?wer nimmt sich heut zu Tage überhaupt noch Zeit?Ich habe mir meine Zeit einfach genommen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.02.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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