Christa Astl

In der Winterklause


(4. – 8. Feber 2012)
 

 
Das Thermometer zeigt minus siebzehn Grad. Soll ich da wirklich hinaus? Aus dem warmen Haus, die lange Straße lang, über die Brücke, wo der eisige Wind mich direkt erfasst? Die Sehnsucht nach meiner Klause überwiegt. Gegen die Kälte kann man sich anziehen. Die warme Angoraskiwäsche besitze ich doch noch! Und der dicke Wollpullover, den ich mir vor Jahren auf den Aran-Inseln gekauft habe, ist jetzt gerade richtig.

Den großen Rucksack habe ich gleich gepackt, das Wichtigste ist ja schon immer drinnen. Nur der Laptop muss ich einpacken und das dazugehörige Ladekabel darf ich nicht wieder vergessen. Schließlich ist mir das Schreiben dort das Wichtigste. – Nun aber los. Vor der Haustür habe ich noch eine Packung Gulasch deponiert, am Vortag gekauft und im Freien tief gefrieren lassen. Am Weg zum Bahnhof gehe ich noch kurz ins Lebensmittelgeschäft um Brot und Milch zu kaufen.

Eisiger Wind beißt an den Ohren und an den Wangen. Nun bin ich froh um meinen Schal und die Kapuze mit ihrem Klettverschluss vorm Kinn. Die grellroten, noch fast nie verwendeten Schihandschuhe halten meine empfindlichen Finger sehr warm. Minus siebzehn Grad haben ihren Schrecken verloren, solange ich in Bewegung bin. Fahrkarte kaufen, zehn Minuten auf den Zug warten, und das Abenteuer in die Kälte beginnt, - vorerst noch im geheizten Waggon.

Eine halbe Stunde Fahrzeit, verbracht mit Lesen, vergeht im Flug, dann erwartet mich mein Fünfzigminuten- Weg über die Felder. Die Sonne macht sich rar am lichtgrauen Himmel, der Weg ist teils verweht, teils glänzt er mit blankem Eis. Aber heute ist es windstill, angenehm, wenn man sich Zeit lassen kann, und das muss ich, sonst käme ich sogar ins Schwitzen. Das etwas steilere Stück auf dem schmalen Fußsteig durch den Wald genieße ich besonders. Fast berührbare Stille lässt meine eigene Kleinheit in der Vollkommenheit von Himmel, Wald und Schnee besonders deutlich spürbar werden.

Dann bin ich auch schon bei den ersten Häusern. Meterhohe Schneewände säumen die Straße, unterbrochen von sauber geräumten Einfahrten und Eingängen zu den Wohnungen. Kein Mensch ist zu sehen. Nun biege ich in meine Straße ein und bin nur noch wenige Meter vom Haus entfernt. Soll ich die Abkürzung nehmen, würde der Schnee tragen? Ich bleibe doch auf der Straße. Ein Hund begrüßt mich, gleich darauf sein Herr. Er wünscht mir viel Spaß „in meiner kalten Bude“, wie er sagt. - Danke. - Er schaut noch zu, wie ich das erste Hindernis, einen hohen, vom Schneepflug fest gepressten Schneewall nehme, dann stehe ich vor der Tür.

Immer ist das Aufsperren ein besonderes Erleben, wartet doch dahinter meine Welt, mein Leben. Eine Welt der Geborgenheit, der Freiheit, des intensiven Erlebens, ich nehme sie auf mit allen Sinnen.
Das zweite Empfinden ist heute natürlich das der Kälte, plus nullkommafünf Grad zeigt das Zimmerthermometer. Schnell auf die Terrasse und die Kiste Holz hereingeholt! Bald brennt ein lustiges Feuer, nach kurzer Zeit ist auch der Ofen schon heiß. Doch bis er seine Wärme in einen hundertzwanzig Kubikmeter Raum verteilen kann, dauert es seine Zeit. Also sitze ich in seiner Nähe, den Anorak behalte ich an, und heize und heize nach. Nach zwei Stunden zeigt der Thermometer bereits plus acht Grad Celsius…. Zum Aufwärmen gehe ich zwischendurch hinaus zum Schneeräumen.
Erst ab dem dritten Tag ist es wieder schön warm und so richtig heimelig und gemütlich... ...
 
 
ChA 04.02.12

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