Klaus Albers

Straßenkatze

Nofretete war eine Straßenkatze. Nicht in irgendeinem fernen Land sondern hier bei uns, mitten in Deutschland. Sie irrte Wochenlang mit einer verletzen Pfote durch meine Heimatstadt und "quatschte" jeden Fußgänger und sogar Radfahrer an. Die humpelnde Katze war wohl auf der Suche nach ihrem Zuhause .... oder einfach nur sehr hungrig.

Eine Bekannte und deren Freundin wollten ihr helfen und setzten sich mit verschiedenen Tierschutzvereinen und Privatleuten die sich um Katzen kümmern in Verbindung. Leider erfolglos, keiner konnte oder wollte der zutraulichen Katzendame helfen. Das hat mich nicht verwundert. Die Tierheime hatten schon in Erwartung der alljährlichen Katzenschwemme und mit Blick auf die vollen Heime einen Aufnahmestop verhängt.

Einige der privaten Tierschützer nutzten ihre Kapazitäten mittlerweile zu meiner großen Verwunderung darauf Rassekatzen aus dem Ausland zu importieren. Es ist mir absolut schleierhaft wie man dabei das Elend der Straßenkatzen hier in Deutschland so vollständig ausblenden kann. In Deutschland leben etwas 2 Millionen Katzen auf der Straße, sie verhungern, erfrieren, sterben an unbehandelten Krankheiten und Verletzungen oder fallen dem Straßenverkehr zum Opfer.

Was diese "Tierschützer" mit ihren Importen machen ist ein Schlag in das Gesicht aller anderen Tierschützer die sich um eine flächendeckende Kastrations- und Registrierungspflicht bemühen. Nicht das ich falsch verstanden werde - auch Auslandstierschutz ist wichtig, aber er sollte nachhaltig sein und langfristig auf eine dauerhafte Verbesserung der Bedingungen in den entsprechenden Ländern abzielen. Es gibt Organisationen die das ganz vorbildlich machen, indem sie auf Kastrationsaktionen und auf Schulungen der dortigen Tierärzte setzen. Nur so und mit Einwirken auf Entscheidungsträger im Ausland kann man die Situation der Tiere dort verbessern ......... aber müssen wir nicht in erster Linie auch das Elend vor unserer eigenen Tür sehen ?

Auch ich habe meiner Bekannten zuerst die Hilfe versagt. Ich kümmere mich mit meinem Verein um Tiere die eine noch kleinere Lobby als Hunde und Katzen haben: um Meerschweinchen. Allerdings liebe ich auch Stubentiger. Meine Katzen Thutmosis und Cleopatra sind beides Straßenkatzen denen ich bereits ein Zuhause gegeben habe. Deswegen ließ mir auch das Schicksal der verletzen Katze keine Ruhe und ich beschloß sie aufzunehmen, tierärztlich versorgen zu lassen und zu versuchen ihren Besitzer zu finden.

Das einfangen machte den beiden tierlieben Damen keine allzu großen Schwierigkeiten. Die etwa vierjährige Nofretete hat sicher irgendwann einmal ein Zuhause gehabt. Zutraulich wie sie war humpelte sie auch sofort schnurrend auf mich zu. Mit meinen Katzen und mit meinem Hund verstand sich der Neuzugang aber im Anfang überhaupt nicht. Deswegen mußte ich sie in den ersten Wochen in meinem Quarantänezimmer unterbringen. Ich wollte weder Verletzungen bei meinen drei Tieren riskieren, noch den Heilungsprozeß der verletzten Vorderpfote gefährden. Die Behandlung war ein weiteres Problem. So lieb wie sie auch war, die verletzte Pfote - sie war wohl in eine Glasscherbe getreten - wollte die eigensinnige Katzendame auf gar keinen Fall von meiner Tierärztin versorgen lassen. Jetzt stand zur Versorgung also eine Vollnarkose an. Ich entschied deshalb das neben der Impfung und Wundversorgung auch sofort eine Kastration sowie das chipen vorgenommen werden sollte. Es ist eine Grundregel von mir. Entweder mache ich etwas richtig oder gar nicht. Von halben Sachen halte ich nichts, auch wenn ich damit rechnen mußte auf den Kosten sitzen zu bleiben. Es war auch ganz gut so. Sie stand kurz vor der Rolligkeit .....hätte ich Nofretete nicht zu mir genommen wäre sie sicherlich bald auch noch tragend gewesen.

Um den Halter zu ermitteln habe ich das zuständige Tierheim und Tasso informiert, damit diese meine Kontaktdaten weiter geben konnten falls der Besitzer sich dort meldet. Die erste Vorsitzende unseres Vereines hat mich unterstützt indem sie in der ganzen Stadt Flyer mit der Fundanzeige angebracht hat. Leider war das alles vergeblich. Der Besitzer hat sich nicht gemeldet.

Ihren Namen hatte Nofretete zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ich wollte verhindern das ich eine zu große Bindung zu ihr aufbaue. Sie sollte eigentlich nicht bei mir bleiben. Ich hatte geplant sie alternativ in ein liebevolles Zuhause zu vermitteln. Das Risiko die Harmonie zwischen meinen vorhandenen Tieren zerstören war mir einfach zu groß. Meine Hündin Tashira liebt ihre beiden Miezekatzen - und umgekehrt ist es genau so. Häufig konnte ich ein Hunde-Katzen-Knäuel bewundern. Es war nicht zu erkennen wo der Hund aufhört und die Katzen anfangen wenn die drei es sich gemeinsam auf einer Decke oder dem Sofa bequem gemacht haben.

Leider habe ich diese Rechnung ohne Nofretete und auch ohne die Katzenschwemme gemacht. Als nach einigen Wochen die Pfote verheilt war und es auch immer unwahrscheinlicher wurde das sich ein Besitzer meldet, standen die Zeitungen voll mit Anzeigen wie:
"Niedliche kleine, stubenreine Katzenbabys zu verschenken".
Die Vermittlung war damit aussichtslos. Wer will denn eine vier Jahre alte eigensinnige Katze zu sich nehmen, wenn es ohne großen Aufwand auch ein Katzenwelpe sein kann ?

Außerdem hatte Nofretete sich mittlerweile in mein Herz geschmust. Auch das Verhältnis zu meinen anderen Tieren egal ob Hund, Katze oder Meerschweinchen hatte sich mittlerweile deutlich verbessert. Jeder Katzenhalter weiß das man es nicht immer verhindern kann das eine Katze durch eine sich öffnende Tür schlüpft. So kam es immer wieder zu Kontakten und ich merkte recht bald das die Konfrontationen eigentlich gar keine waren. Es war schlicht und einfach ganz normales Sozialverhalten zwischen den Katzen.

Irgendwann beschloß ich schließlich Nofretete ihren Namen zu geben und sie in unser kleines Rudel aufzunehmen. Die Tür zum Quarantäneraum blieb offen. Es klappte besser als ich erwartet hatte. Die Katzen gewöhnten sich sehr schnell aneinander. Nofretete merkte auch bald das der Hund nicht gefährlich ist und die Meerschweinchen prima Studienobjekte und kein Futter abgeben. Es besteht zwar bis heute nicht die Vertrautheit zwischen ihnen wie bei meinem "Stammrudel". Aber sie aktzeptieren sich und es gibt keine größeren oder ernsthafte Konflikte. Meine Bedenken waren unbegründet.

Für die nächsten 10 bis 20 Jahre werde ich nun keine weitere Straßenkatze aufnehmen können. Ich möchte nicht den Fehler wie andere Tierschützer machen und zu viele Tiere bei mir aufnehmen. Die Gefahr das einem die Haltung über den Kopf wächst - man seine Pleglinge nicht mehr ordentlich versorgen kann - und damit aus etwas gutem etwas schlechtes wird ist einfach zu groß.

Nofretete hat Glück im Unglück gehabt. Auch wenn sie aus welchen Gründen auch immer ihr Zuhause verloren hat, so hat sie doch ein neues gefunden.

Ein Glück das leider vielen Straßenkatzen hier in Deutschland verwehrt bleibt.



 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.03.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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