Die schöne, heimelige Messestadt Posen* kannte er durch manche Besuche bereits vor den Veränderungen der 90-er-Jahre des letzten Jahrhunderts. Auch ihm war klar, dass global denkende Firmen ein Bein in der polnischen Metropole an der Warthe haben sollten. Denn irgendwann würde sich die politische Situation ändern. Hier wäre dann ein großes Sprungbrett für die deutsche Wirtschaft in den Osten. So wie es heute ist.
Zwei polnische Neukunden baten ihn etwa 1995 um Beratung für ihre Aktivitäten in Westeuropa. Eigentlich ganz einfach. Nur - in Polen hatte es jahrzehntelang keine Marktwirtschaft gegeben. Polnische Produkte wurden seinerzeit hauptsächlich von der damaligen Sowjetunion abgenommen, weitere von den ehemaligen, sozialistischen Bruderländern. Zielgruppenrelevante Aktionen waren unbekannt. Innerhalb von zwei Tagen wurden die Businesspläne mit maßgeschneiderten Kampagnen, Werbung und PR gemeinsam erstellt. Die Kunden waren zufrieden. Eine spontane Einladung zum Abendessen mit polnischen Spezialitäten direkt am Alten Markt war eine dankbare Geste. Freundschaftlich und gut gelaunt trennte man sich gegen 23 Uhr mit dem guten Gefühl, etwas geschafft zu haben.
23.30 Uhr: Draußen war es noch einigermaßen warm. Viel zu früh jedenfalls, um schon zu Bett zu gehen. Zumal sein Flugzeug erst am nächsten Nachmittag ging. Ein kleiner Spaziergang rund um den herrlichen Alten Markt mit seinem wundervollen Renaissance-Rathaus und den schön restaurierten Bürgerhäusern würde gut tun. Gedacht - getan!
Ganz plötzlich jedoch öffneten sich ohne große Vorwarnung mit einem Blitzschlag die Schleusen des Himmels mit einer Wucht, die an die Regenzeit tropischer Regionen der Welt erinnerten. Keine Chance, eine trockene Stelle am Körper zu behalten! Innerhalb kürzester Zeit war er klatschnass bis auf die Haut. Doch was dann geschah, blieb unvergessen.
Eine junge Polin hatte den völlig Durchnässten beobachtet. Sie rief ihm auf Englisch aus ihrem Zimmerfenster zu, er solle in ihre Wohnung eilen, damit er sich keine Erkältung hole. Unter dem angegebenen Namen drückte er die Türklingel des Hauses und betrat nass vom Scheitel bis zur Sohle ihre schmucke Wohnung. Sogleich zeigte sie ihm ihr kleines Badezimmer. Dort sollte er sich seiner feuchten Kleider entledigen und ein heißes Bad nehmen. Badeschaum wäre ebenso dort wie ein passender Bademantel. Gern folgte er der liebenswert-spontanen Einladung und genoss sie.
Anschließend saßen beide gemütlich bei einer Flasche Rotwein bis zum frühen Morgen zusammen und erzählten aus ihren so unterschiedlichen Leben. Die klammen Kleidungsstücke trockneten derweil auf diversen voll aufgedrehten Heizkörpern. Nachdem die hübsche Polin, eine junge Witwe - wie sich herausstellte - einige seiner Kleider gebügelt hatte, entließ sie ihn mit dem Wunsch, er solle sie gemeinsam mit seiner Frau bei der nächsten Messe einmal besuchen, was später geschah.
Noch heute besteht diese deutsch-polnische Freundschaft, die im strömenden Regen von Posen begann.
RT 2013
*Posen, im Polnischen Poznan
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.04.2013.
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