Christian Obermayer

Großvater

Was mußt du doch einmal für ein stolzer Mann gewesen sein, denk ich mir, während die Mondscheinsonate hinter mir klingt.
Ein Sohn aus allererstem Hause; ein Sohn, der Zahnarzt werden wollte und es auch wurde. Ich habe mir sagen lassen, dass du nach dem Studium zwei Jahre in einer Praxis nahe München gearbeitet hast. Hier lerntest du auch deine Ehefrau kennen und eröffnetest mit ihr deine eigene Praxis. Dann kam der Krieg. Du wurdest eingezogen. Ich habe deinen verstaubten Reichsausweis gesehen. Aus irgendeinem Grund, wollte man dich da aber nicht haben und du konntest dich weiterhin um die Zahnschmerzen deiner Patienten kümmern. Ich frage mich, ob du wohl einem Juden die Behandlung verwehrt hättest. Dann war der Krieg vorbei und deine Tochter, meine Mutter kam zur Welt; du hast in diesen Zeiten des Wiederaufbaus weiter behandelt. Um der eigenen Bequemlichkeit zu entsprechen, hast du die Erziehung deiner Tochter in die Hände von Ordensschwestern gelegt und sie ins Internat verbannt. Vor einigen Jahren dann starb deine Frau. Ich sehe dich an ihrem Grab stehen. Äußerlich keine Träne vergossen, hast du doch nach innen geweint und würdest es noch heute, in ihrem Andenken tun, könntest du dich an sie erinnern. Deine Krankheit aber, hat dies zu verhindern gewußt und dich zerstört. Du bist an einem Dienstag im Februar gestorben.
Hinter mir an deinem Grab, verklingt Beethovens op.27/2. Du warst ein wahrhaft stolzer Mann. Lebwohl!

Einiges an dieser Geschichte ist frei erfunden. Nicht aber die Gefühle für meinen Opa und das Verlangen, in vielen Dingen des Lebens, die mich bewegen, mir seinen Rat einzuholen. Er ist, wie jedem den man nahe steht viel zu früh gestorben.Christian Obermayer, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.04.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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