Inge Hoppe-Grabinger

Der geklaute Himmel



Nach der Wende haben wir auf dem Lande in einem Dorf in Brandenburg ein kleines Haus  mit winzigem Grundstück gekauft, von weitläufig
Verwandten.
Was uns entzückte: man konnte über den Zaun hinweg ganz weit in drei Himmelsrichtungen
schauen. Dass uns unsre Verwandten übers Ohr hauten, haben wir erst viel später erfahren, als wir
mitkriegten, dass vergleichbare Grundstücke in der Nachbarschaft an "Ossis" für die Hälfte weggingen.
Außerdem haben sie uns vorenthalten, dass auf der Einfahrt ein Gemeindeweg war, der von uns erst
wieder zurückgekauft werden musste.
Als wir das Grundstück erwarben, hatten wir unendlich viel Himmel und viel Sonne, aber Nachbarn von
drei Seiten.
Der Nachbar am Ostende krempelte die Ärmel hoch und fing an zu bauen:  ein Landgasthaus, eine Bar im
Freien, ein Häuschen für den Sohn und dann für ihn auch noch eine Garage. Man kann sich vorstellen,
dass diese vier Gebäude unseren Abendhimmel beträchtlich verringerten.  Alle Sterne am östlichen Horizont.
Meine Nachbarin zur Linken liebt Kitsch und technischen Schnickschnack. Eines Tages überraschte sie mich
damit, dass im Garten abends im steten Wechsel Solarleuchten an und aus  gingen,   an,  aus,  an, aus, an, aus,
angebracht an hohen Rosenbögen, die - im Prinzip schön - bei uns noch sichtbar sind. Dadurch gingen uns die 
Sterne im Nordosten verloren. Als ich ein Gespräch suchte, eröffnete sie mir, ich sei hoffnungslos altmodisch. Wir haben ein Jahr lang nicht miteinander geredet, bis ihr dem Alkohol verfallener Mann starb, einfach so. Dann bin ich über meinen Schatten gesprungen ... und habe miit ihr wieder geredet. ... an den kommenden Sommer, speziell in den Augustnächten, wage ich noch nicht zu denken. Vielleicht geschieht ja ein Wunder!
Wir haben so vieles verschmerzt:  gleich am Anfang am Zaun zur Linken die Errichtung eines riesigen Dunghaufens,
zugegebenermaßen von Hühnern geschmückt,  dann - nach einem Besitzerwechsel - die stinkenden Riesenwürste
eines uralten Schäferhundes,  einen Bretterzaun mit unterschiedlich hohen Pfählen, mit weißen Plastikbahnen
verhängt, wir haben es verschmerzt, daß grundsätzlich nicht angekündigt wird, was mit dem Nachbarn zu tun hätte,
so dass Fliederäste einfach abgesäbelt werden, dabei hätten wir das ja in Ordnung gefunden, schließlich  landen
die Fliederblätter in einem Teich mit Goldfischen, muss ja nicht sein, aber eine Anruf wäre doch möglich gewesen.

Aber da war noch ein kleiner Himmelsrest zur Rechten: drei Meter lang.  Plötzlich stand da ein Verschlag für Holz,
2,5o Meter hoch, bedeckt mit schwarzer DAchpappe, ohne Vorankündigung.  Es ist so  viel Holz darin, dass sich der Zaun
bedenklich zu unserer Seite neigt.  DAs wäre ja nicht so schlimm, auch wenn irgendwann vielleicht der ganze Holzhaufen
auf unsere Seite kippt ..... aber  der Himmelsverlust im Süden grämt uns sehr.Denn die Straßenseite mit den Straßenlaternen
ist natürlich zu hell! Jetzt können wir eigentlich nur noch nach oben schauen. Auch nicht schlecht. Das Sternbild des Schwans kann man über dem Kirschbaum gut erkennen!
Übrigens, wir haben niemals gewagt, darüber mit den Nachbarn zu reden, außer  - ein einziges Mal - mit viel Alkohol über das Sternbild des Schwans.     Wäre ja auch  irgendwie lächerlich. 




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