Georges Ettlin

Experimentelle Maientage in Säckingen


In Säckingen sagen alle Leute gerne guten Tag, es genügt ein kurzer Blickkontakt. Bei Sonnenschein
erscheinen plötzlich die schöneren Menschen... Männer, Frauen, die man bei
Regenweter kaum zu Gesicht bekommt. Die Einkaufstrasse ist voll Leute, die gutgelaunt
den Tag geniessen. Der glitzernde Rhein ist gut erreichbar, der Uferweg ist lang und Abwechslungsreich,
es gibt Parks und Museen. Setzt man sich auf eine Bank, setzt sich gleich ein lieber Mensch daneben.
Die Säckinger sind nicht scheu.
Meine zwischenmenschliche Experimentierfreude lässt mich skurrile Erfahrungen machen, ich wage viel,
man kennt mich ja dort nicht. Da gibt es Frauen, die ihre Schritte verlangsamen, man sieht, sie überlegen sich
das Hinsetzen, da ja die Bank von mir besetzt ist. Nachhilfe hilft, ein freundliche Blick, ein
Rutschen zur Seite. Eine Neunzigjährige erzählt mir ihre Krankheitsgeschichten und dass sie
ganz alleine sei. "Da könnten wir ja heiraten", so mein dämlicher Spruch, einfach um die Grenzen
des Zwischenmenschlich-Machbaren zu testen.Ich werde zu meinem Erstaunen ernst genommen.
Alleine auf einem Bänklein fühle ich mich wie ein Zuckerwürfel oder ein Blümchen, an denen die Schmetterlinge
naschen, ich denke aber, es ist reine Neugierde, die die Säckinger freundlich stimmt und zu mir treibt.
Es könnte sein, dass auf Grund einer mir unbekannten persönlichen Attraktivität die Menschen dort
gerne in meiner Nähe sind und Gespräche im Grenzbereich des Erlaubten und des zu Erwartenden
geduldig und ernsthaft auf dem Bänklein ertragen und keinenfalls die Flucht ergreifen.

Im grossen Achtpersonenlift vom Wahrenhaus gehen die Blicke zuerst scheu zum Boden, es entsteht
eine gewisse Spannung, die sich löst, wenn jemand was sagt. Meistens sagt niemand was. In meiner
Experimentierfreude sage ich dann aber zu Beispiel: "Ihr Dalmatinerhund ist aber nicht
rassenrein, ihm fehlen zwei Punkte"...oder, wenn eine ältere Dame mit mir alleine im grossen Lift
ist und auf den Boden starrt: "Geniessen wir unser Zusammensein !" ...Sie hat zwei Stockwerke Liftfahrt dann mit breitem Grinsen absolviert und sich nachher sogar noch bedankt. Kürzlich war ich im Lift mit einer
sehr alten, mürrischen, kleinwüchsigen Frau allein im Lift, wir wurden von drei jungen Mädchen angehalten,
sie wollten einsteigen. Als sie im Lift standen sage ich: "Eigentlich wollten wir (die mürrische alte Frau und ich)
ganz alleine sein." Die Mädchen entschuldigten sich, dass sie eine anbahnende Liebelei verdorben hätten
und gingen lachend und gut gelaunt aus dem Lift heraus.
Man wird ernst genommen in Säckingen und behauptet man dort witzig,
spasseshalber und gutgelaunt: " Ich liebe Dich!" ...muss man aufpassen, man geht
ernsthaft darauf ein. Nur das Säckinger Polizeiauto macht mich nervös: Es fährt recht oft
ganz langsam an mir und meinem Bänklein vorbei.

***

c/G.E.

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Georges Ettlin).
Der Beitrag wurde von Georges Ettlin auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.05.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

Bild von Georges Ettlin

  Georges Ettlin als Lieblingsautor markieren

Buch von Georges Ettlin:

cover

Alles - Nichts ist für immer von Georges Ettlin



Mein Buch beschäftigt sich mit Romantik, Erotik, gedanklichen und metrischen Experimenten, Lebenskunst, Vergänglichkeit und versteckter Satire .

Die Gedichte sind nicht autobiographisch, tragen aber Spuren von mir, wie ein herber Männerduft, der heimlich durch die Zeilen steigt.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Zwischenmenschliches" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Georges Ettlin

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Die Metapher vom Vater-Gott von Georges Ettlin (Einfach so zum Lesen und Nachdenken)
Es menschelt in Manhattan von Rainer Tiemann (Zwischenmenschliches)
Keine Antwort von Ariane Hofmann (Trauriges / Verzweiflung)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen