Peter Somma

Das Kirchtagswunder

 

 

       Als die junge Frau, heute vor einem Jahr, wie andere fröhlich gestimmte Menschen, mit ihrer Clique fröhlich durch die Straßen gebummelt war, durch die, nicht wie an anderen Tagen ganze Kolonnen von Fahrzeugen rasten, sondern das an diesem Abend für den Verkehr gesperrt worden, und als Festgelände traditionellerweise festlich geschmückt und bunt beleuchtet worden war, hätte sie sich nicht träumen lassen, dass sie ein Jahr später der Geburt ihres ersten Kindes entgegen fiebern würde.

 

         Es war ein heiterer Abend gewesen und während des Festes waren sie, auf eine andere Gruppe junger Männer und Mädchen gestoßen, hatten da und dort etwas konsumiert und waren ausgelassen von einer Attraktion zur nächsten geschlendert. Da hatte sie einen jungen Burschen kennen gelernt, hatte ihn besonders sympathisch gefunden, hatte mit ihm ein weiteres Rendezvous ausgemacht und sie waren eine Zeit lang ein unzertrennliches Paar gewesen. Natürlich war es dann so gekommen, dass er ihr ewige Liebe geschworen, sie bedrängt, sie seinen Versprechungen Glauben geschenkt, seinem Verlangen nachgegeben hatte und sie schwanger geworden war.         

 

             Als sie ihm, von dem sie geglaubt hatte, dass er sie wirklich geliebt hätte, freudig von ihrem Zustand berichtet hatte, war er sichtlich nicht sehr erfreut gewesen, hatte sich danach nicht mehr blicken lassen, sie stehen gelassen, sich aus der Verantwortung gestohlen und die Belastung, die ein Kind in so jungen Jahren bedeutete nicht übernehmen wollen und sie war mit dem Kind unter ihrem Herzen allein gelassen worden.

Sie, die ja noch viel zu jung gewesen war für eine Schwangerschaft, hatte viele Nächte schlaflos verbracht, war wach gelegen, hatte immer wieder überlegt, ob sie es überhaupt bekommen, wie sie es ihren Eltern beibringen sollte und wie und ob sie im Stande sein würde, ihr Kind allein aufzuziehen. Es war ihr nicht leicht gefallen, sich der neuen Situation zu stellen, doch als die Eltern ihr, ihre Unterstützung zugesagt hatten, hatte sie sich mit ihrem Umstand abfinden, und sich  doch für das Kind entscheiden können.

 

Heute, ein Jahr nachdem sie den jungen Mann kennen gelernt hatte, brannte schon seit Tagen die Sonne von einem azurblauen Himmel. und die Menschen freuten sich über das nun schon lange andauernde Schönwetter und die Wettervorhersage ließ erwarten, dass sich das prächtige Wetter, in absehbarer Zeit nicht ändern würde und deshalb verbrachte jeder, der konnte die Tage an irgendeinem der nahe gelegenen Seen von denen es in dieser Gegend genug gab,  an den Stränden.

 

Aber wenn der Tag sich dem Ende zuneigte, die hohen Temperaturen lauen Abendstunden wichen, ließ dieser Umstand für das, an diesem Abend stattfindende Fest, dem größten Ereignis des Jahres, das die ganze Stadt freudig erwartete, die besten Voraussetzungen erwarten. Die Menschen erhofften sich einen linden Abend, an dem sie von den vielen Abwechslungen, die ihnen geboten wurden, reichlich Gebrauch machen konnten und die Brauereien freuten sich über den Sommerabend, der einen reichlichen Konsum ihrer Produkte erwarten ließ.

 

Bei der jungen Frau hatten ausgerechnet an diesem heißen Sommertag schon am Vormittag die ersten schwachen Wehen eingesetzt, denen sie noch wenig Beachtung geschenkt hatte, aber am Nachmittag hatten sich die Abstände verringert und die Schmerzen waren heftiger geworden. Langsam wurde ihr und den Menschen, die sich um sie kümmerten klar, dass die Geburt ausgerechnet heute, während der Zeit des größten Rummels stattfinden würde.

 

            In einer der Straßen, in denen es am Abend heiß her gehen würde, eine dicht gedrängte Menschenmasse durch die viel zu enge Gasse bummeln, und dabei von den Nachfolgenden heftig angeschoben werden würden, lag die junge Frau schwitzend auf einem Bett und erwartete ihr erstes Kind. Wenn auch der vorhergesagte Geburtstermin ihr noch einige Tage Zeit gelassen hätte, so deutete einiges darauf hin, dass das freudige Ereignis doch jeden Moment eintreten könnte.

 

         Schon die letzten Tage hatte sie, betreut von ihrer Mutter und anderen Verwandten, die ihr in diesen Stunden beistehen wollten, zu Hause in ihrer Wohnung zugebracht, der die herabgelassenen Jalousien ein wenig Schutz gegen die brütende Hitze boten. 

 

Das Fest war schon voll im Gange und vom nahen Vergnügungspark hörte man das Heulen und das infernalische Getöse der Geräte als es so weit war und die Eltern die Rettung bestellten. Die Straßen waren voll von Personen, die entschlossen waren, diesen Tag, und vor allem diese Nacht mit Frohsinn zu verbringen.

 

Kaum jemandem, von den Tausenden, die sich bei diesem Volksfest vergnügten und einen heiteren Abend verbringen wollten, war sich dessen bewusst, dass dieses Fest in einem Stadtviertel abgehalten wurde, in dem Menschen zur selben Zeit einen ganz gewöhnlichen Alltag lebten, am Tag Arbeiten dort verrichteten, die Einwohner die Nacht gerne ungestört durch Lärm zugebracht hätten, Menschen geboren wurden, und andere Bewohner sich ganz leise verabschiedeten von dieser Welt, während draußen auf den Straßen die Menschen feierten und der Trubel weiter ging. Denn einmal im Jahr wurde das Stadtviertel für eine Woche zu einem Vergnügungspark in dem sich die Gäste dieses Festes amüsieren wollten,  feiern wollten und sich durch nichts stören lassen wollten, das sie an den Alltag erinnerte und sie betrachteten jedes Eindringen eines Fahrzeuges in das abgesperrte Gelände als eine lästige Störung.

 

Deshalb waren die Eltern in großer Sorge, ob der Wagen der Rettung sich wohl noch rechtzeitig eine freie Durchfahrt würde bahnen können, denn selbst denen, die dem Auto gerne ausgewichen wären, war es schwer gefallen, irgendwo am Rande einen freien Platz zu finden, in den sie sich hineindrücken hätten können, um so dem Fahrzeug eine freie Fahrt zu ermöglichen. Schon hörten die Eltern die Sirenen des Fahrzeuges, denen es kaum gelang den allgemeinen Heidenlärm zu übertönen und dem Rettungswagen mühsam einen Weg durch die dicht gedrängte Besuchermasse zu bahnen, die die Gasse und das ganze Viertel in Besitz genommen hatte.

 

Nur mühsam kam das Gefährt in diesem Gedränge weiter und auch die Mannschaft fürchtete, nicht rechtzeitig ihr Ziel erreichen zu können. Aber endlich kam das weiße Fahrzeug an dem Hauseingang an, vor dem schon eine kleine Gruppe aufgeregter Menschen das Eintreffen des Rettungswagens voll Sehnsucht erwartet hatte. Zwei Männer mit den typischen roten, reflektierenden Warnwesten holten eine Bahre aus der Heckklappe des Wagens, eilten über eine enge Stiege in den ersten Stock des alten Hauses und kamen bald wieder zurück und die Gaffer, die dankbar für jede Abwechslung, das Ereignis beobachteten, sahen eine junge Frau, die sich auf der Bahre in ihren Geburtswehen wand und es war leicht zu erkennen, dass die Rettungsmänner keine Sekunde zu früh gekommen waren.

 

Noch war nur die erste Hälfte ihrer Aufgabe erledigt, denn jetzt mussten sie noch den Weg aus dem Gedränge herausfinden, auf die offene Straße und dort mit der größtmöglichen Geschwindigkeit das Krankenhaus ansteuern.

 

Im Spital, das durch die Mannschaft des Rettungswagens schon vorgewarnt  worden war, erwartete bereits ein Team von Ärzten, Schwestern und Hebammen das Eintreffen der Gebärenden.  

 

Während am Kirchtagsgelände das Fest seinen Lauf nahm, um Mitternacht die Raketen ihr vielfarbiges Wunder, unter einem ohrenbetäubenden Lärm auf den Himmel malten, vollzog sich im Kreissaal des nahen Krankenhauses das wahre Wunder, das sich tagtäglich immer wieder ereignet und das doch das wirkliche Wunder des Lebens ist: Ein Kind wurde geboren. So brillant auch die Girlanden, Feuerregen und glitzernden Blumen, die die Raketen auf den Nachthimmel gezeichnet hatten waren, für die junge Mutter war das kleine Bündel Leben, das ihr die Hebamme nach der Geburt auf den Bauch gelegt hatte, das Schönste aller Wunder. Es war so  klein, und doch schon ein vollständiger Mensch. Jetzt, da das Kind geboren worden war, waren alle ihre Ängste verflogen und sie konnte nicht anders, als sich über dieses Kirchtagswunder, das ihr beschert worden war und das sie jetzt in ihren Händen hielt zu freuen, denn für sie übertraf das kleine schreiende Bündel Mensch alle anderen Wunder der Welt bei weitem. Ihre Angst, dass sie nicht in der Lage sein könnte, sich um das kleine Wesen zu kümmern, war mit einem Schlag verschwunden, denn sie vertraute auf Gott und ihre Eltern, dass sie ihr beistehen werden, das Kind großzuziehen.

 

 

 

                                     

Diese Geschichte ist ein Gegenstück zu der Geschichte "Volksfest". Dort stirbt während des Trubels eines Festes eine alte Frau, hier wird, während das Feuerwerk seine Wunder auf den Himmel zaubert ein neues Leben geboren Peter Somma, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.06.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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