Georges Ettlin

Mein Batterie-Radio


Das Digitale ist in meine Wohnung eingezogen und nennt sich Cablecom. Ich habe nichts gefragt,
um keinen Besuch gebeten, aber Cablecom ist immer da. Auch im Briefkasten in Form von automatisierten
Computerbriefen. Meistens ist ein Besuch von jungen Männern mit falschem, zufälligem
Besuchsdatum eigetragen, in einer Nebenbemerkung schein- autorisiert von einer
Behörde, die bezüglich Radio und TV in meiner Eigentumswohnung gar keine Autorität haben kann.
Möbel- weg- rücken wird den 80-jährigen Schwerkranken befohlen, da man immer Buchsen und Anschlüsse kontrollieren will.
In den Briefen bin ich " Bewohner von... " und habe somit keinen Namen mehr. Seit ich einen
TV-Apparat im Laden kaufte ist auch die Mannschaft des Ladens da und will mich oft besuchen
und einen nichtnotwendigen Service leisten und einen kaum kündbaren Reparaturvertrag,
ja, den wollen sie auch von mir unterschrieben haben. Sie wollen auch das "Möbelrücken" und
zupfen auch immer wieder an den neuen Kabeln nach dem Oeffnen der Anschlussabdeckungen an der Wand.
Verändert wird aber nichts und mein Empfang ist immer von bester Qualität.

Früher kaufte ich einen TV-Apparat, bezahlte bar und ich hatte für viele Jahre Ruhe. Ich musste keinen
Kaufvertrag unterschreiben mit Reiseversicherung und Servicekostenabdeckungsversicherung im
Kleingedruckten.

Der Empfang vom Digitalradio ist glasklar, auch aus Sendestationen von weiter Ferne. Ich habe dadurch das
Empfinden von unmitelbaren Nähe, als sässe der Moderator ferner Sender direkt in meinem Schlafzimmer.

Nun, ich habe zu meinem Trost noch einen Batterieradio und einen Dynamoradio mit Aufzugskurbel für
schwierige Fälle, wenn zum Beispiel eine grössere Sonnenaktivität oder eine einfache iranische
Atombome über Berlin das Digitale mir in der Zentralschweiz zum Erlöschen brächte.
Das Batterieradio wirkt auf mich
beruhigend, denn ich höre die Distanz zwischem mir und dem Sender heraus mit Rauschen und
Knacken bei Gewittern, sodass mein Unterbewusstsein sich gegenüber dem Sender fern und
damit... geschützt vorkommt. Die deutschen Sender scheinen zu wandern und ich muss den Tuner oft
nachstellen. Braut sich  ein Gewitter zwischen Hamburg und Belin an, dann höre ich
in der Schweiz das elektrische Krachen und Prasseln der Blitze im Radio.
Schaltet ein Nachbar einen Küchenapparat oder einen Föhn ein, dann höre ich das auch, sogar das Aufladegeräusch  des alten Modems beim Einschalten seines uralten Computers. Wie mit einem Bewegungsmelder
verändert sich die Tonqualität des Batterieradios, wenn meine Frau sich von einem Zimmer
zum andern bewegt, oder wenn eine Nachbarin vor meiner Türe steht. Ich habe das durch
mein Baterieradio seit vielen Jahren bemerkt, wusste aber nie, was sie will. Sie danach zu frage, wäre mir peinlich
gewesen.Schliesslich bin ich sehr alt und möchte einfach meine Ruhe haben.

***

c/G.E.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.07.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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