Daniel Siegele

„Schiffe versenken“ hinter dem Buswartehäuschen

Hinter einem jahrzehntealten, backsteingemauerten Buswartehäuschen, das mit der Rückseite zum Feldrand in Sichtweite eines Gehöfts an einer mäßig breiten, asphaltierten Landstraße steht, verbringen regelmäßig und immer wieder gerne einige Hasen, Igel und Mäuse, die in den umgebenden Wiesen und Waldstücken zu Hause sind, ihre Zeit.

Hinter „ihrem“ Buswartehäuschen – dessen Wände innen und außen mit ausgeblichenen und wettergegerbten, Jahre alten Werbe- und Veranstaltungsplakaten beklebt sind – verbringen unsere vierpfotigen und haarigen oder stacheligen Provinzbewohner die langen, unaufgeregten Herbsttage am liebsten, indem sie angesichts der regendunstigen Wiesen und des nahen, dunstverhangenen Waldes „Schiffe versenken“ oder „Karten“ spielen.

Die rotbraunen Ziegelsteine der Rückwand des Buswartehäuschens sind etwas oberhalb des Ackerbodens – also in der Pfotenhöhe unserer hasenmausigen Freunde – an der Außenseite mit kleinen Kreidezeichnungen und anderen Kritzeleien versehen, mit denen sich unsere vierpfotigen Provinzbewohner gerne ihre Zeit vertreiben: Spielfelder vom „Schiffe versenken“, Ergebnisse vom Kartenspielen, Provinzwitze nach dem Motto „Sagt der Hahn zum Pferd: Warum machst du so ein langes Gesicht?“ und altbekannte Buswartehäuschen-Kritzeleien, wie: „Franz Hase ist doof!“.

Unsere hasenmausigen Freunde verbringen ihre Zeit hinter dem Buswartehäuschen gerne auch, indem sie während halber oder ganzer Stunden einfach nur durch den Herbstdunst über den Acker hinweg zum Waldrand hinüber schauen und ihren Gedanken nachhängen, wobei sie ab und zu ihre kleinen Taschenflaschen aus den Taschen in ihrem Fell hervorholen, die Mutter Natur unseren kleinen Freunden so fürsorglich mitgegeben hat, damit der Kirschschnaps und der Türschlüssel zum heimatlichen Höhleneingang bequem untergebracht werden kann.

Zu unserem kleinen „Buswartehäuschen-Club“ gehört außer den Hasen, Igeln und Mäusen seit einiger Zeit auch der einfältig-harmlose Fuchs „Fritz Doofmann“; Nachdem Fritz Doofmann bei seinem ersten Auftauchen hinter dem Buswartehäuschen bei unseren hasenmausigen Freunden verständlicherweise noch für eine gewisse Panik gesorgt hatte, stellte sich recht bald heraus, daß unserem Fritz als Folge seiner (besonders für einen Fuchs) geradezu erstaunlichen Tranigkeit überhaupt nicht der Sinn danach steht, jemand anderen mit viel Kraftaufwand zu jagen oder gar aufzufressen.

Schon der erste Besuch unseres Fritz Doofmann bei seinen Freunden hinter dem Buswartehäuschen begann so, wie seine Besuche hier auch später noch oft beginnen: Fritz Doofmann kommt gähnend und mit einem Ausdruck äußersten gelangweilt seins um eine der hinteren Ecken des Buswartehäuschens herum und fragt die Anwesenden, ob nicht irgend jemand eine Idee hat, weil ihm selber (also Fritz Doofmann) so fürchterlich öde und langweilig zumute ist.

Unsere hasenmausigen Freunde reagieren inzwischen gewohnheitsmäßig auf die Frage ihres gelangweilt um die Ecke kommenden Fritz Doofmann, indem sie ihre Taschenflaschen hervorholen und ihrem Fritz einen Schluck von ihrem Lieblingsschnaps „Doofer Jäger“ anbieten, der in diesem Provinzwinkel mit viel Liebe zur Sache aus den Früchten des Waldes gebrannt wird.

Wenn unsere Freunde einige Zeit in der Stille eines ländlichen Herbstnachmittages an der Rückseite ihres Buswartehäuschens mit Kartenspielen, „Schiffe versenken“, durch den Spätherbstdunst zum Waldrand schauen, „Doofer Jäger“ trinken und „alte Witze erzählen“ verbracht haben, kommen sie oft nach einer guten halben Stunde auf die Idee, doch einmal nachzuschauen, ob sie es in einem anderen, nahe gelegenen Winkel ihrer heimatlichen Provinzgegend „vielleicht in noch etwas gemütlicherer Weise »öde« haben könnten“.

Unsere hasenmausigen Freunde – die, nach einigen Schlucken vom Kirschschnaps oder „Doofen Jäger“, schon „freundlich Einen sitzen haben“ – helfen sich also gegenseitig (und auch „ihrem“ Fritz Doofmann) vorsichtig auf die Pfoten, um sich im langsamen Zockeltempo auf den Weg zum nahen Waldrand zu machen. Der weitere Nachmittag vergeht dann, indem sich unserer vierpfotigen Freunde versuchsweise gemeinsam in verschiedenen nahgelegenen, stillen Wald- und Wiesenwinkeln einrichten: Sie verbringen ihre Zeit in sehr gemütlicher Weise dann wieder etwa so, wie sie es hinter ihrem Buswartehäuschen auch schon immer tun, um sich meistens nach einer ungefähren halben Stunde wieder auf den Weg zum nächsten ruhigen Pausenwinkel zu machen.

Wenn unsere hasenmausigen Freunde an einem ihrer „Rundwandernachmittage“ zum nächsten ruhigen Wald- oder Wiesenwinkel aufbrechen wollen, muß vorher oft noch Fritz Doofmann durch vorsichtiges Anstupsen aufgeweckt werden, weil Fritz die beständige Eigenschaft hat, nach einigen Minuten des ruhigen Beisammenseins allmählich einzuschlafen, wonach er dann – ein wenig vornüber gebeugt und leise pustend ein- und ausatmend – im Kreise seiner hasenmausigen Freunde meistens von einer ganz und gar „Fritz-Doofmann-gemäßen“ Welt träumt.

Nach einiger Zeit der Freundschaft mit Fritz Doofmann haben seine hasenmausigen Freunde zu ihrem nicht gerade geringen Erstaunen auch noch entdeckt, daß ihr fuchsiger Kamerad während seiner Schlafphasen regelmäßig sozusagen ganz privat ins Kino geht, weil aus seinem Kopf dann –leise aber ganz unzweifelhaft – die Musik aus dem Beatles-Film „A hard days night“ zu hören ist (eine Entdeckung, die Fritz Doofmanns Freunde zunächst zu der Bemerkung „Oh Gott – ein lebender Plattenspieler!“ veranlaßt hatte); Fritz vermag sich dabei auch selber nicht im geringsten vorzustellen, wieso und auf welche Art ein alter Beatles-Film ausgerechnet in seinen Kopf hinein gekommen ist…

Am Ende ihrer Rundwandernachmittage finden sich unsere vierpfotigen Freunde grundsätzlich immer wieder hinter ihrem altvertrauten Buswartehäuschen ein, um ihre weitere Zeit bis zum abendlichen Abschiednehmen mit „Schiffe versenken“, Kartenspielen, Witzeerzählen und „Doofer-Jäger-trinken“ dann wieder genauso zu verbringen, wie sie es vor ihrem kleinen Ausflug auch schon getan haben und wie sie es mit Freude und Überzeugung eigentlich an jedem Tag tun!

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.07.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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