Lea H.

Neseira - Prolog

Neseira
Das Erbe der Endenari

Prolog
Alle starrten wie gebannt auf die beiden kämpfenden. Sagon war geschwächt aber Asual zeigte keine anzeichnen von Müdigkeit. Wenn Sagon heute sterben würde, dann würde sich die Prophezeiung erfüllen. Seit Anbeginn der Magie ist Vanalinna ein mächtiges Land gewesen, doch unter den sieben Söhnen des König Tremura teilte sich das Land. Als der König starb wollte er, das seine Söhne gemeinsam Vanalinna regieren, doch es herrschte Zwietracht zwischen den jungen Prinzen also nahm der älteste eine Karte von Vanalinna und zerriss sie in sieben Teile und gab jedem einen. Das Land wurde geteilt und zwischen den Clans entbrannte ein furchtbarer Krieg. Seit jeher gibt es immer sieben Nesiere die die Clans anführen und beherrschen, doch eine Prophezeiung besagte das einst die Neseira kommen würde um die Nesiere zu töten und die Clans wieder zu vereinen. Die Neseira wird von den Menschen kommen und von den drei besten Kriegern der Ederri ausgebildet werden. Es heißt das Sagon der letzte Nesier der Ederri sein wird und ihm die Neseira folgt doch das es auf einmal so schnell gehen würde, damit hatte keiner gerechnet. Die Neseira sollte mit ihrem 18. Lebensjahr die Ausbildung beginnen doch sie war erst heute 16 geworden und keiner wusste ob sie so früh schon ihrer Aufgabe stellen konnte. Die Endenarischen Krieger begannen ihre Ausbildung zwar schon mit 8 aber sie mussten nicht direkt in einen solch erbarmungslosen Krieg einsteigen, außerdem hatte man noch nie einen Menschen ausgebildet und keiner wusste ob sie all dem überhaupt gewachsen waren. Auch Natanael richtete seinen Blick wieder auf Sagon und Asual. Asual war ein guter Kämpfer und viel ausdauernder als Sagon, Elodie neben ihm schluchzte auf. Auch ihr war klar geworden das Sagon diesen Kampf nicht überleben konnte. Seth legte ihr tröstend den Arm um die Schulter. Mit ihrer freien Hand nahm sie die von Nathanael in ihre und drückte sie so stark das man meinen konnte die Finger müssten gleich brechen. Die drei hatten eine so starke Verbindung zueinander, sodass jeder alles mitbekam. Das konnte sehr lästig sein aber meistens war es sehr praktisch, da man nie sagen musste was man fühlt. Sagon wurde immer schwächer und er litt unter einer Verletzung an der linken Hüfte, die immer noch stark blutete. Nathanael hoffte fast das er endlich starb, denn dieser Kampf war für ihn zur Qual geworden. Nach weiteren unendlich langen 3 Minuten lag Sagon am Boden und Asual stand über ihm, bereit dem ganzen ein Ende zu setzten. Sagon hätte vielleicht noch die Kraft gehabt um sich zu wehren doch auch er wusste, das er heute sterben sollte also tat er nichts. „Willst du noch was sagen bevor ich dir dein Herz durchbohre?“ Er nickte und drehte seinen Kopf um uns anzusehen, „Es war mir eine Ehre an eurer Seite gekämpft zu haben. Bildet die Neseira gut aus.“ Nach diesen Worten stieß ihm Asual das Schwert ins Herz. Als er starb, brachen überall auf dem Feld weinende Ederri zusammen. Der Himmel verdunkelte sich und es braute sich ein Sturm zusammen. Das passiert immer, wenn ein mächtiger Endenari stirbt. Das bringt den Machtausgleich durcheinander und die Menschen denken bei diesen heftigen, unvorhergesehenen Stürmen immer direkt an Armageddon oder das jüngste Gericht. So was dauert etwa 48 Stunden und dann ist es wieder vorbei doch die Menschen kommen damit einfach nicht klar. Es erhob sich ein lautes wehklagen und nach altem brauch der Endenari sangen sie ihm zu abschied ein Lied, dass er gern gehabt hatte. Die Heiler kamen und nahmen Sagons Leichnam mit. Das weinen und wehklagen wurde immer lauter auch Nathanael liefen die tränen über die Wangen und Elodie war bitterlich schluchzend an Seths Schulter zusammen gebrochen. Auch die Egiten waren aufgebracht wegen Sagons tot. Ihnen war erst zu spät klar geworden das sich hiermit die Prophezeiung erfüllen würde. Asuals stählerne Muskeln spannten sich noch mehr an und er fuhr sich seufzend mit der linken hand durch sein zurück gegelltes schwarzes Haar. Dann funkelte er die Ederri böse und seine Augen begannen rot zu glühen und die Iris war wie flüssig und waberte um die Pupille wie flüssige Lava, als wäre die Iris aus flüssigem Blut. Die Augen nennt man in diesem Zustand Desehns Tulb (sehendes Blut) oder einfach Blutauge. Wenn man zu lange in ein Blutauge sieht wird man davon erst wie Hypnotisiert und wenn es der Endenari darauf anlegt sogar willenlos, daher sollte man es vermeiden einem Endenari in diesem Zustand in die Augen zu schauen. Denesehs Tulb tritt meistens auf wenn man ziemlich sauer ist und bereit zum Kampf oder total übermüdet und überfordert. Wobei man bei Asual davon ausgehen konnte das er sauer war. Er verabschiedete sich mit den Worten „ Ihr habt keinen Nesier mehr, geht und sucht eure Neseira wir werden uns schon bald wieder sehen.“ Man durfte keine großen Kämpfe führen ohne das ein Nesier oder bald die Neseira dem Kampf zugestimmt hatte. Das heißt wenn Asual angriff bevor die Neseira bereit war ihren Platz einzunehmen dürften die Ederri nicht Kämpfen was den Untergang für sie doch die Rettung für die anderen 6 Clans bedeuten würde, da es keine Neseira geben würde die alle vereinen sollte. Die Clans wollten partout nicht miteinander leben und deshalb wollten alle Nesiere die Neseira töten. „Wir müssen sie finden, und zwar sofort“, sagte Seth. Elodie hatte sich halbwegs wieder eingekriegt und war jetzt wie die beiden anderen bereit sich der Aufgabe zu stellen. Aber das vorerst größte Problem waren die Alterwürdigen. Die Alterwürdigen waren dank grausamsten Zaubern und Ritualen die letzten 4 der 7 ursprünglichen Nesiere. Aron, der älteste hatte damals die Karte in 7 Teile geteilt. Sie durften nicht mitbekommen das sie die Neseira suchten, denn in der Prophezeiung hieß es auch das die Neseira wenn die erst einmal die Vollmacht hat, die Alterwürdigen töten wird womit diese überhaupt nicht einverstanden waren. „Ich weiß wo wir sie finden. Wir werden noch heute Abend mit ihr reden.“ Elodie hatte automatisch das Kommando übernommen und keiner der Jungs sagte etwas dagegen. Sie wussten beide dass sie es ohne Elodie nicht mal in die Nähe der Neseira schaffen würden. Die 3 waren die besten freunde und gleichzeitig ein perfekt aufeinander abgestimmtes Team wenn es sein musste konnten sie sich ohne Worte verständigen und im Kampf musste man nicht nachdenken da die drei einfach so perfekt miteinander Kämpfen konnten und bald würde die Neseira auch dazugehören.











Leyla

„Guten morgen Süße ich wünsch dir alles gute zum Geburtstag. Ich wünschte ich könnte dich persönlich sehen. Ich vermisse dich. In liebe Judith.“ Natürlich ist Judith die erste die an mich denkt und mir eine SMS schickt. Genüsslich rekelte ich mich ein letztes Mal in meinem Bett bevor ich mir einen Stapel Klamotten schnappte und mich auf den Weg ins Bad machte. Ich dachte über den heutigen tag nach. Sechzehn werden ist was Besonderes aber dieser ganze stress, immer lächeln, alte Verwandte drücken deren Name ich nicht mal kenne und so weiter. Da wäre z.B. Tante Claire. Sie ist sehr klein und hat eigentlich ein niedliches Gesicht aber ihre stimme klingt wie eine Fahrradklingel. Außerdem riecht sie nach einer Mischung aus Mottenkugeln, Sportsocken und Schweizer Käse oder so was in der Art. Außerdem liebt sie es, das Geburtstagskind nach strich und faden abzuknutschen. Wenn ich es mal nicht war hatte sie innerhalb weniger Sekunden eine andere bedauernswerte Kreatur zum quälen gefunden.
Nachdem ich ausgiebig geduscht hatte, stellte ich mich vor den Spiegel (wobei ich ihn erst einmal mit meinem Handtuch von dem Wasserdunst befreien musste) und versuchte meine lockigen, braunen Haare zu bändigen. Sie reichten mir etwa bis zur Mitte der Oberarme und es war nahezu unmöglich sie zu bändigen. Ich kniff bei dem Versuch, mit meiner Bürste einen besondern hartnäckigen Knoten zu entfernen, meine Augen zusammen. Irgendwie wirkten sie dadurch noch viel grüner, als sie ohnehin schon waren. Als ich mir ungefähr die Hälfte meiner Haare herausgerissen hatte, gab ich schließlich mit einem gereizten Knurren auf. Ich betrachtete mich im Spiegel, was meine Laune nicht unbedingt besserte. Ich hatte Übergewicht, woran aber ausschließlich meine Eltern Schuld waren. Seit meine Eltern uns verlassen hatten aß ich viel mehr als gut für mich war. Viele Menschen werden nur dick weil sie sich ungeliebt und vernachlässigt fühlen und die Mitmenschen merken es noch nicht mal. Bei mir hat das alles angefangen als meine Eltern angefangen haben zu verreisen. Ständig waren sie woanders, bereisten ferne Länder und besuchten einige der schönsten Orte dieser Erde. Meine Eltern lebten das Leben, dass ich mir immer gewünscht hatte. Meine Figurprobleme sorgte dafür das ich von Freunden verstoßen wurde, das frustrierte mich noch mehr, ich nahm noch mehr zu und so weiter. Die anderen Mädchen auf meiner Schule gaben mit ihren Handball- oder Tanzvereinen an. Einige spielten sogar Fußball, ich hielt Sport für total unnötig. Ich war der Meinung Skifahren und das Planschen im Freibad in den warmen Monaten reichte vollkommen. Ich ging runter in die Küche um mir einen Tee zu kochen, bevor ich wieder die Verwandtschaft über mich ergehen lassen musste. Unten wartete mein großer Bruder Jason schon auf mich. „Happy Birthday kleine.“ Er nahm mich liebevoll in den Arm und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Ich liebte meinen Bruder sehr. Ich war mir trotzdem sicher, dass auch auf ihn in einer ernsten Situation kein Verlass war, genauso wie auf all die anderen die ich meine Freunde nannte. Mir waren nur noch diese wenigen geblieben und die konnte man nicht als Freunde bezeichnen. Aber wenn man nur wenige Freunde hat, lernt man nicht wählerisch zu sein. Ich unternahm zwar recht viel mit ihnen aber ich fühlte mich geduldet, nicht akzeptiert oder willkommen. „Alles Gute“, brummelte ein verschlafenes etwas hinter mir. Das war meine Schwester Marine. Wir zofften uns oft aber es war meistens nichts ernstes, mal en kleiner Streit, eine weile nicht miteinander geredet und das war’s dann…in der Regel. Einmal haben wir uns wegen einem Schal über eine Woche nur vernichtende Blicke zugeworfen und das können wir beide verdammt gut. Das ging so lange bis uns Jason vollkommen entnervt im Bad eingeschlossen hat bis wir das geklärt hatten. Ich hängte mir einen Beutel mit Ananas-Papaya Tee in meine Lieblingstasse und setzte mich damit an die große Fensterfront und starrte ins leere. Es dauerte einige Minuten bis mir das Schneegestöber auffiel. „Also, was steht heute an“? Ich hoffte, dass ich wenigstens Zeit hatte ein paar Hausaufgaben zu erledigen. Es war zwar Freitag und ich hatte ein ganzes Wochenende Zeit, aber es fiel Schnee was bedeutete das ich wahrscheinlich die ganze zeit auf einem Schlitten verbringen würde. Schlittenfahren- könnte man auch als Sport ansehen. „Das wird noch nicht verraten“, antwortete Jason mir und grinste schelmisch. Das gefiel mir nicht.
Ich dachte an die letzten misslungenen Überraschungen wie z. B. meinen Schwarm zu meinem 13. Geburtstag einzuladen. Ich hatte vor Nervosität kein Wort heraus bekommen und als wir dann später am Abend zusammen tanzen wollten, trat ich ihm immer wieder auf die Füße. Seit dem redet er nicht mehr mit mir. Seufzend nippte ich an meinem Tee und verbrannte mir prompt die Zunge. Scheiße, wieso ist Tee nur so heiß? „Willst du dich nicht langsam mal für die Schule fertig machen? Nicht das du an deinem Geburtstag noch zu spät kommst.“ „Was willst du dich denn noch groß fertig machen? Du siehst nie gut aus, “ brummte Marine in vorbeigehen. Ist sie nicht nett? Und so gut gelaunt! Nach einem solchen Kommentar von ihr würde ich sie am liebsten auf der Autobahn aussetzten mit einer Schale Wasser und einem Kauknochen, doch ich denke mir in solchen Situationen immer:„Leyla du bist ein freundlicher, liebenswerter und friedfertiger Mensch und egal was sie sagt du wirst ihr nicht wehtun.“ Bis jetzt hatte es immer funktioniert. „Hey Marine sei doch mal ein bisschen netter sie hat heute Geburtstag. “ Er drehte sich zu mir um und sagte:„Das ist nicht wahr, du kennst sie doch, lass sie reden.“ Ich erhob mich lustlos von der Fensterbank. Der Himmel war beunruhigend grau-schwarz geworden und der Schnee fiel in dichten, schweren Flocken. Auch Jason war das merkwürdige Wetter aufgefallen. Ein Schneesturm war das nicht. Schneestürme sind bei uns keine Seltenheit, aber das hier war keiner. „Was zum Henker ist das? Die Farbe ist echt gruselig. Bilde ich mir das ein oder ist das da hinten fast grün?“ Er hatte Recht. An manchen stellen sah der Himmel fast grünlich aus. Und er wurde immer dunkler. „Der Himmel gefällt mir nicht aber das heißt nicht dass wir nicht in die Schule gehen können. Also los Kinder macht euch fertig in einer halben Stunde ist abfahrt. Wer dann nicht da ist kann laufen.“ Seine gute Laune war wirklich furchtbar nervig. Schleppend erklomm ich die Treppe während Jason und Marine beunruhig in den Himmel starrten. Ich schnappte mir meine Schultasche und stopfte missmutig ein paar Bücher und Hefte hinein und gähnte noch mal herzhaft. Obwohl ich gestern Nacht eigentlich früh ins Bett gegangen war, fühlte ich mich als hätte ich die Nacht durchgemacht. Ich erinnerte mich sogar noch an verschleierte Teile meines Traumes. Es waren viele Menschen auf einer Lichtung gewesen und eine hälfte davon war traurig die andere eher aufgebracht, irgendwer schrie, jemand begann zu singen andere stimmten ein – ein wunderschönes Lied, ich spürte Angst und Verzweiflung und dann schwärze. An mehr konnte ich mich nicht mehr erinnern. Ich lümmelte mich noch eine weile auf meinen Sessel und blätterte in meine Lieblingsbuch. Es dauerte wie immer nicht lange bis ich mit der weiblichen Hauptrolle verschmolz und ich den starken, durchtrainierten armen des Buchhelden versank. Ich seufzte laut auf als die beiden sich küssten und verkroch mich tiefer in meinen Sessel und wickelte mich in eine Decke um noch ein wenig des herrlich süßen Herzschmerz der beiden Hauptrollen einzusaugen. Die Autorin beschrieb alles so real, dass man automatisch mitfühlte. „An deinem Geburtstag machen wir auch keine ausnahmen, also komm runter sonst läufst du zur Schule,“ rief Jason von unten. Lustlos schnappte ich mir meine Tasche und schleppte mich die Treppe runter. Marine hatte es wieder einmal geschafft sich in einer halben Stunde von einem verschlafenen Wischmopp in ein perfekt gestyltes Topmodel zu verwandeln. Wenn sie es darauf angelegt hätte, wäre sie bestimmt auch ein Topmodel geworden. Sie hatte eine Perfekte Figur inklusive Modelmaße 90-60-90. Gekonnt stiefelte sie auf ihren Halsbrecherischen High Heels durch die Wohnung und füllte sich brütend heißen Kaffee in den Thermobecher. „Marine dir ist doch sicher bewusst das draußen so ca. 20cm Schnee liegen oder?“ Marine funkelte Jason böse an. „Ja das weiß ich.“ Wütend stapfte sie in den Flur und schnappte sich ein paar Stiefel mit mindestens genauso viel Absatz. Leise vor sich hin knurrend zwängte sie sich in die Haut engen Lederstiefel. Sie bekam immer schlechte Laune wenn sie nicht in ihren geliebten High Heels herumstolzieren konnte. „Können wir los oder was?“ Wie ein Wirbelwind rauschte sie an uns vorbei und riss die Tür auf und wurde prompt von einer gigantischen Windböe direkt wieder zurück geweht. „Was in 3 Teufels Namen war das den?“ Sie warf sich gegen die Tür um sie zu zu bekommen. „Ok also das nen ich mal en Lüftchen. Naja wie auch immer, wir müssen in die Schule, “ sagte Jason. Vorsichtig öffnete er erneut die Tür, während sich Marine verzweifelt der Aufgabe widmete ihre Haare wieder unter Kontrolle zu bekommen. Der Wind war Gott sei dank etwas abgeklungen und unter großem Protest schafften wir es Marine vom Spiegel weg zu zerren. Ihre Blonden strähnigen Harre waren nicht einfach zu bändigen, genauso wie meine. Dieses Problem hatte Jason nicht. Seine kurzen braun-schwarzen Haare sitzen nach einmal Kopfschütteln sofort wieder perfekt. Wir waren fast aus der Tür als das Telefon klingelte. Froh, dem Wind noch kurz zu entkommen rannte Marine zum Telefon. Sie meldete sich und nach kurzer Zeit hellte sich ihr Gesicht auf. Sie verabschiedete sich überschwänglich und knallte das Telefon auf den Tisch. „Das war Cassie, ihr wisst schon die aus meinem Chemiekurs. Durch den Sturm sind in der Schule viele Fenster zerbrochen. Die Schule fällt heute aus.“ Laut Jubelnd warfen wir unsere Schultaschen in eine Ecke und ich stürmte zurück in mein Zimmer. Oben angekommen schubste ich die Tür mit einem vernehmlichen Knallen zu und kuschelte mich wieder in meinen Sessel. Ich wurde wieder eins mit der Hauptrolle aus einem meiner Lieblingsromane und schlug mich nicht mehr mit Problemen wie Speckröllchen und nervigen großen Schwestern rum sondern mit gut aussehenden, mysteriösen Fremden, fehlenden Heiratskandidaten und schrillen Tanten (naja so eine hatte ich ja eigentlich auch). Aber ich kannte das Buch schon auswendig doch das mich nicht davon abhielt es immer und immer wieder zu lesen und deshalb wusste ich auch schon das en ein Happy End geben würde. Sie würde stolz sein Kind tragen und er würde stolz auf sie sein. Friede, Freude, Eierkuchen. Das war das einzige was mir an Büchern nicht gefiel. Ich versank in ihnen, bekam eine neue Identität, neue Freunde, neue Feinde und erlebte die tollsten Abenteuer aber sobald ich das Buch zuklappte war ich wieder in einer kalten, rauen Welt. Eine Welt die alle Träume, Wünsche und Ängste zusammenwarf und daraus den erdrückenden grauen Alltag machte der Menschen, vor allem Erwachsene in emotionslose Roboter verwandelte. Ohne Träume oder Ängste waren wir doch alle nur leere Hüllen. Nur Schatten derer die wir einmal war oder die wir hätten sein können. Wie Marionetten durch die Gegend wandelnd unfähig zu fühlen, zu lieben oder zu verzeihen – wie Schatten unserer selbst. Ich beschloss mir noch einen Tee zu machen und als ich auf dem Boden nach dem Lesezeichen angelte rutschte der Ärmel meines Pullovers zurück und offenbarte die fast verheilten Narben. Ich hatte aufgehört mich selbst zu verletzen aber die blas roten Striemen erinnerten mich immer an die Zeit in der ich dringend jemanden gebraucht hatte der mich versteht und mir beisteht.
Seufzend steckte ich den Schlüssel zurück in meine Tasche. Dieser verfluchte Spind geht schon wieder nicht auf. Nachdem ich ein paar Mal heftig gerüttelt und gezogen hatte sprang die Spindtür mit einem vernehmlichen klacken auf. Entnervt stopfte ich meine Mathesachen in das kleine Fach und sah auf meinen Stundenplan. Chemie und Geschichte na großartig. Ich angelte in meiner Schultasche nach weiteren Büchern die ich erst mal nicht brauchen würde und fand dabei noch eine Banane die schon ziemlich zerdrückt aussah. Kein wunder nach etwa 1 Stunde unter einem schweren Biologiebuch. Angewidert ließ ich sieh im nächst gelegenen Mülleimer fallen und ging zurück zu meinem Spind. Schließlich fand ich das Englischbuch und quetschet es in meine Spind. „Hey Leyla, “ „Oh, hey Tess,“ ich winkte Tess durch den Korridor zu. Lässig kam sie auf mich zu geschlendert. „Na hast du den ersten Akt schon durchgelesen?“ Fragte Tess während sie sich in dem kleinen Spiegel betrachtete der an die Innenseite meiner Schranktür geklebt hatte. Sie sprach von „Romeo und Julia“. Mr Barkley unser Englischlehrer hatte uns aufgegeben eine Interpretation zum ersten Akt zu schreiben „Nein, ehrlich gesagt habe ich mir bis jetzt nur den Einband angeschaut. Ich steh mehr auf Fantasy. “ Eigentlich liebte ich die Geschichte von Romeo und Julia abgöttisch aber das Buch galt als uncool deshalb erzählte ich keinem das ich die Interpretation schon fast fertig hatte. „ Ja und auf Giacomo. Unseren sexy Italienischen Loverboy.“ Verschmitzt grinste sie mich an und ich wurde rot. Mir war nicht bewusste gewesen das es so offensichtlich ist. Um von mir anzulenken fischte ich mein Chemiebuch aus dem Spind, ließ es in meiner Tasche verschwinden und fragte „Hast du schon gesehen wie Sydney heute wieder rum läuft. Wenn die noch mehr Kajal benutzt kann man sie bald zu den Gruftis stellen meinst du nicht auch?“ Tess hatte offensichtlich kein Interesse daran das Thema zu wechseln. Sie redete ununterbrochen darüber wie gut wir eigentlich zusammenpassen würden und das sie uns schon zusammen bringen würde. Da stieß sie plötzlich einen spitzen Schrei aus. „Er kommt auf dich zu, er kommt auf dich zu. Ich verschwinde. Viel Glück, “ wie ein Flummi hatte sie sich in sekundenschnelle zurück in die Menge katapultiert und war nicht mehr zu sehen. „Tess, was ? Komm sofort zurück, “ zischte ich in die Richtung in die sie verschwunden war doch ich bekam keine Antwort. Wütend knallte ich meinen Spind zu, da baute sich plötzlich ein großer Schatten vor mir auf. Ich sah verwundert auf und schaute in die Wunderschönen, Schokobraunen Augen von Giacomo. Dümmlich grinste ich ihn an und hätte am liebsten meinen kopf gegen den nächst besten Spind geknallt. Liebe macht doof. „Hey“, hauchte Giacomo verführerisch. Meine Knie drohten unter mir nach zu geben und ich ließ mich gegen meinen Schrank sinken. Giacomo stemmte seine Arme links und rechts neben mir gegen den Spind, sodass ich nicht mehr weg konnte. Mir fiel deutlich auf wie muskulös seine Arme waren. Ich musste aufpassen, dass ich nicht anfing zu sabbern. Nervös spielte ich an dem Träger meiner Tasche herum und vermied es ihm in die Augen zu sehen. Sein Gesicht kam noch näher an meins. Mein Herz pochte so laut, ich hoffte er würde es nicht hören. Er setzte sein berühmtes grinsen auf, das seine schneeweißen Zähne richtig zum Funkeln brachte. „Darf ich mal was ausprobieren?“ Er flüsterte es mir mit seiner verführerischen Stimme ins Ohr, sodass ich nur ein knappes Nicken zustande brachte. Er kam mir noch näher und ich musste erst einmal schlucken. Da Küsste er mich. Seine Lippen schmeckten nach Sonne und Sehnsucht. Ich drückte mich vom Spind ab uns wollte den Kuss vertiefen, wollte meine Hände in seinen kurzen Schwarzen Haaren vergraben und alles um mich herum vergessen, doch da stieß er sich von mir ab und sagte. „Danke kleine. Dank dir bin ich jetzt 50€ reicher.“ Lachend lief er zu seinen Kumpels zurück und schlug bei ihnen ein. Ich konnte es nicht glauben. Ich war eine Wette gewesen. Eine Mutprobe: Wer traut sich die dicke aus der 9. zu küssen? Sie standen nicht weit weg daher konnte ich ihr lachen deutlich hören. Um mich herum begann sich alles zu drehen. Ich blendete alles aus und hörte nur noch ihr lachen. „Leyla komm mit, na los komm schon. Lass uns gehen.“ Tess hatte alles gesehen und zog mich weg von den Jungs. Sie schleppte mich hinter sich her und zuerst merkte ich gar nicht wohin, bis sie eine Tür aufstieß und ich den strengen Geruch von Desinfektionsmittel wahrnahm. Außer uns waren nur 2 andere Mädchen in der Toilette die kichernd auf einem Handy rumspielten. „Los raus hier, sofort“, keifte Tess. Empört wollten die beiden protestieren doch als sie sahen das ich fast weinte murmelten sie eine leises „ ’tschuldigung“ und drückten sich an uns vorbei aus der Tür. Ich wollte mich Tess gerade in die Arme werfen da sagte sie todernst: „ Was glaubst du was du da machst? Giacomo hat dich total verarscht und anstatt das du ihm eine scheuerst oder sonst was, brichst du fast in Tränen aus. Ich meine hallo denkst du überhaupt mit? Wie stehst du denn jetzt da? Kleine Miss Verarsch mich ruhig? Was denkst du dir nur dabei? Ach nein warte, du denkst ja gar nicht.“ Ich konnte nicht glauben was ich da hörte.
„ Das war gerade der schlimmste Moment meines Lebens und du hältst mir eine Strafpredigt? Was bist du eigentlich für eine Freundin?“ „Ach komm schon, du hast keine Freunde außer mir und du kannst verdammt froh sein, dass ich überhaupt mit dir rede. Klar soweit?“ Ich konnte es einfach nicht glauben. Ich wusste selber das ich kaum Freunde hatte außer Judith aber die sah ich nicht oft, aber ich hatte Hoffnung gehabt das Tess und ich vielleicht Freunde werden könnten. Nachdem ich mir jedoch eine vollkommen ungerechtfertigte Strafpredigt anhören musste, zerplatzte dieser Traum schneller als eine Seifenblase im Wind. „ Wie bitte? Für wen hältst du dich? Glaubst du nur weil du mehr Freunde hast als ich darfst du mich behandeln wie ein Stück Dreck? Du kannst mich mal.“ Wütend stapfte ich aus dem Klo zurück zu meinem Spind. Ich konnte die Jungs immer noch lachen hören. Tapfer wischte ich mir eine träne aus den Augen und schnappte mir meine Schultasche. Ich hatte zwar Planmäßig noch 2 Stunden aber Mrs Hanson würde mich sicher entschuldigen. Mrs Hanson war unsere ältere, gutmütige Sekretärin. Wenn man sie mit großen Glubschaugen ansah entschuldigte sie einen immer. Ich hatte mir fest vorgenommen ihr zu sagen, dass mir schlecht sei und Jason mich mit nach Hause nehmen würde da dieser heute früher aus hatte. Als ich jedoch das Sekretariat betrat traten mir die Tränen in die Augen und ich wusste noch nicht einmal wieso. Mrs Hanson sah das sofort und versorgte die anderen so schnell wie möglich. „ So Kinder seht mal zu das ihr wieder in den Unterricht kommt. Leyla Schätzchen, komm doch mal her zu mir. Na los komm schon, erzähl mir doch was los ist hm?“ Verstohlen wischte ich mir eine Träne aus dem Auge und sagte „Ich…also ich…em…naja…“, sagte ich zögernd. „Probleme mit Jungs habe ich recht?“ fragte Mrs Hanson mich führsorglich. Ich nickte nur geknickt. „Mein armes Kind, soll ich die entschuldigen lassen? Ich denke es ist besser du gehst heim, ruhst dich aus. Morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.“ Wieder nickte ich. „Jason nimmt mich mit nach hause er hat doch heute schon früher aus.“ Mrs Hanson schenkte mir ein warmes lächeln und schob mich zu Tür heraus. „Na los geh schon. Ich sag den Lehrern einfach du bist zurzeit leicht indisponiert und jetzt geh.“ Ich schulterte meine Tasche und stürmte raus auf den Parkplatz. Ich winkte Jason schon von weitem damit er gar nicht erst auf die Idee kam ohne mich nach hause zu fahren. Ich wischte mir die letzten Tränen aus den Augen und setzte eine Gleichgültige Miene auf.
In den folgenden Woche ritzte ich mich oft und noch dazu bekam ich Depressionen. Da ich zu meinen Geschwistern kein gutes Verhältnis hatte und die, die ich zu meinen Freunden zählte sich einen feuchten Dreck um mich scherten dauerte es sehr lange bis jemandem auffiel das etwas nicht stimmte. Judith war zu besuch und sie brauchte keine fünf Minuten um zu bemerken das etwas nicht stimmte. Sie stürmte in die Küche und hielt Jason und Marine eine Strafpredigt in der es im Grunde darum ging wie verantwortungslos die beiden gewesen waren. Ich wurde in das Gespräch mit einbezogen und als ich nach meiner Teetasse griff die auf dem Tisch stand sahen alle die noch frischen Schnitte an meinen armen. Alle waren geschockt und ich wurde in eine Therapie für depressive Jugendliche gesteckt. Ich lernte mit meinem Schmerz anders umzugehen und durfte bald wieder nach hause.
Langsam richtete ich mich auf. Es dauerte einen Moment bis meine Gedanken wieder in der Gegenwart angekommen waren. Erst jetzt bemerkte ich, dass Jason in der Tür stand. „Du hast wieder daran gedacht, nicht war?“ Ich nickte nur stumm und antwortete nicht. Gerade jaulte der Wind wieder besonders laut ums Haus. „Marine und ich sitzen unten in der Küche, ich hab Tee gekocht. Kommst du mit runter? Wir haben eine kleine Überraschung für dich.“ Doch ich konnte die Überraschung schon hören und sogar riechen. Mums einzigartiges Parfüm und Dads grölendes Lachen verrieten sie sofort. Ich rannte die Treppe runter und stürzte mich in die Arme meines Vaters.
„ Ich hab euch ja so vermisst, toll das ihr extra zu meinem Geburtstag gekommen seid.“ Mein Vater schob mich ein Stück von sich weg und sah mir vollkommen verständnislos in die Augen. „Was…wovon redest du da? Du hast doch heute nicht…warte, DOCH“ Vollkommen überrumpelt schloss mein Vater mich wider in die Arme. „Natürlich natürlich, alles gute zum Geburtstag Spatz.“ Sie hatten Tatsächlich meinen Geburtstag vergessen. Niedergeschlagen ging ich auch zu meiner Mutter und ließ mich von ihr umarmen. „Ach du meine Güte bei dir hat man ja wirklich was zum urarmen. Du hast ganz schön zugelegt oder? Du solltest wirklich besser auf deine Figur achten meinst du nicht auch?“ Meine Mutter schob mich ein Stück auf abstand um mich besser betrachten zu können. „Ich meine sieh dich an! Deine Beine sind so rund wie Litfaßsäulen und Schätzchen die dir doch nur deinen Bauch an! Du hast ja 3 richtige Rettungsringe. Lass dir doch von Marine helfen, sie hat eine markellose Figur.“ Mir von meiner Schwester Ernährungstipps geben zu lassen war das letzte was ich tun würde. Ich hatte es ja wirklich versucht aber nach 5 Minuten hatte sie mich als hoffnungslosen Fall abgestempelt und verzog sich in ihr Zimmer, das wiederum frustrierte mich so, dass ich eine weitere Fressattacke bekam. Dass meine Mutter sich jetzt so über meine Figur ausließ schockierte mich dennoch ziemlich. Ich hatte schnell gemerkt, dass sie meine Geschwister lieber hatte als mich aber sie hatte mich noch nie so offen kritisiert. Und mein Vater war genauso. Aber es war nicht immer so, manchmal waren sie auch sehr liebevoll gewesen. Ich hatte eigentlich eine recht schöne Kindheit gehabt. Bis sie angefangen hatte zu reisen. Von da an hatte ich angefangen sie mehr und mehr zu hassen. Immerhin waren es meine Eltern und ich hätte sie oft gebraucht aber sie waren nicht für mich da gewesen. Auch jetzt pflichtete mein Vater meiner Mutter bei, wie sehr ich doch zugenommen habe. Geräuschvoll räusperte sich Jason hinter meinem Rücken woraufhin meine Eltern Gott sein dank aufhörten zu reden. Deprimiert ging ich in die Küche und goss mir einen Tee ein. Gedankenverloren nahm ich einen Schluck und verbrannte mir zum 2. Mal für heute die Zunge. Das war zu viel für mich – zu viel an einem Tag. Wütend knallte ich die Tasse auf den Tisch, stürmte an den anderen vorbei die Treppe hoch und rannte in mein Zimmer. Heiße Tränen rannen mir die Wangen runter. Ich schloss meine Tür ab, schmiss mich aufs Bett und weinte in mein Kissen. Bittere Tränen aus Wut und Verzweiflung rannen unerbittlich in den zarten Seidenstoff. Leise klopfte es an meiner Tür. „Hey Leyla, willst du reden?“ Ich versuchte meine stimme fest klingen zu lassen aber es gelang mir nicht. „Verzieh dich Jason, lass mich in Ruhe.“ Ich hörte seine Schritte die Treppe runter poltern. Unten hörte ich meinen Vater der sagte, dass ich wahrscheinlich gerade eine schwierige Pubertäre Phase durchmache. Dann hörte ich wie Jason ihnen von meinen Depressionen erzählte. Die Reaktion meiner Mutter war wie zu erwarten hart. Sie sagte ich wolle nur Aufmerksamkeit und Mitleid, das sei alles. Ich wäre ja schon immer das schwarze Schaf der Familie gewesen.
Gott sei dank blieben meine Eltern nur etwa eine Stunde. So war das immer: nachsehen ob das Haus noch steht, die Reisekoffer neu packen, die wichtigsten Briefe lesen und das war’s. Diesmal hatte ich es anscheinend noch nicht einmal verdient das man mir auf Wiedersehen sagte. Das war mir nur recht. Als ich mich von meinem Kissen erhob, sah ich die schwarzen und braunen Flecken die mein Make-up hinterlassen hatte. Als ich in den Spiegel über meiner Kommode sah, bemerkte ich, dass ich nicht weniger schlimm aussah. Ich schloss meine Tür auf und überprüfte, ob die Luft rein war und schlich zum Bad. Ich hörte Marine telefonieren und aus Jasons Zimmer drangen gedämpfte Technobässe an mein Ohr. Im Stillen nahm ich mir vor meine Eltern demnächst anzurufen und ihnen alles zu sagen was ich nicht heraus bekam wenn sie vor mir standen.
Endlich war ich im Bad angekommen- ohne entdeckt zu werden. Ich sah in den Spiegel und hätte fast gelacht wenn mir nicht so elend zu mute gewesen wäre. Unter meinen Augen hatte ich riesige schwarze Schlieren und Augenringe. Ich schnappte mir ein Wattestäbchen und versuchte die schwarzen Ränder wegzuwischen doch es klappte nicht. Entnervt nahm ich einen Waschlappen und wischte mir grobflächig übers Gesicht. Nach etwa 5 Minuten hatte ich die Spuren meiner Tränen beseitigt doch ich blieb noch eine weile vor dem Spiegel stehen. Frustriert kniff ich in meine Speckröllchen, knetete meine zu dicken Oberschenkel und piekste mir in meine zu kräftigen Waden. Ich hasste meinen Körper. Frustriert ging ich zurück in mein Zimmer und lümmelte mich in meinen Sessel. Meine Bücher waren ungeheuer wichtig für mich weil sie mir nie bissige antworten gaben, nie rummeckerten und sich nicht über mich lustig machten. Und sie ignorierten mich auch nicht. Wenn ich ein Buch in die Hand nahm hatte ich das Gefühl als würden die Narben auf meinen Armen verschwinden und meine kaputt Welt für einen kurzen, wunderschönen Moment zusammenpasst. Ich schlug mein Buch auf und schnell hatte ich mich fest gelesen. Etwa 2 stunden später hörte ich jemanden in der Küche rumoren, ein lautes scheppern von fallenden Töpfen und einen unterdrücken Fluch von Jason. Ich ging hinunter um nachzusehen was er da unten anstellte. Als ich meinen Bruder ansah traten mir vor Rührung die Tränen in die Augen. Mein backtechnisch vollkommen untalentierter Bruder versuchte einen Kuchen zu backen. Ich stieß meinem Bruder liebevoll in die Seite. „Hey weißt du überhaupt was du da machst? Wie hast du es geschafft die schöne Küche in so kurzer zeit in einen solchen Saustall zu verwandeln?“ Erleichtert lächelte er mich an. Seit ich damals Depressiv gewesen war hatte er immer Angst ich könnte rückfällig werden und offenbar hatte er gedacht das der Besuch unserer Eltern nicht gut für mich sein könnte. „Du kannst mir ja helfen wenn du meinst du kannst es besser.“ Ich machte mich gleich daran das zu retten was er einen Kuchenteig nannte, doch es war nichts mehr zu machen also kippte ich ihn weg und begann einen neuen anzurühren während Jason mich die ganze Zeit über nur entschuldigend angrinste. Ich lächelte zurück und stellte die Backform in den Ofen. „Ich stell die Eieruhr auf 30 min. Ruf mich bitte wenn sie abgelaufen ist ok?“ „Was ? Traust du mir jetzt nicht mehr zu den Kuchen aus dem Ofen zu nehmen?“ Lächelnd schüttelte ich den Kopf und verschwand in mein Zimmer. Mein Handy begann zu Vibrieren. Ich lief zu meinem Schreibtisch und las die SMS, meine Freunde gratulierten mir zum Geburtstag und verrieten mir endlich wo es heute Abend hin gehen sollte: in unsere Stammkneipe an der alten Grundschule. Ich freute mich darüber. Beim feiern fühlte ich mich genau wie alle anderen. Ich konnte trinken und lachen und fröhlich sein und wenn die anderen getrunken hatten fühlte ich mich in ihrer Gegenwart wohler weil sie viel freundlicher waren.

Ungeduldig saß ich in Jasons Auto und wartete darauf das wir endlich losfahren konnten doch wie es aussah konnte Jason seine Schlüssel nicht finden und Marine half ihm beim suchen. Seufzend lehnte ich meinen Kopf gegen die Scheibe. Der Schneefall hatte nicht nachgelassen und auch der Wind hatte nichts an Kraft eingebüßt. Selbst der grünliche Schimmer war noch am Himmel. Je länger ich diesen grünen Schimmer anstarrte, desto trauriger wurde ich, eine regelrechte Verzweiflung machte sich breit. Ich begann zu zittern und tränen liefen mir die Wangen runter. Gänsehaut breitete sich aus und nur mit Mühe konnte ich den Blick abwenden. Ein nervöses kichern entstieg meiner Kehle. Das ist doch albern das bilde ich mir doch nur ein dachte ich mir und wischte dir Tränen weg. Es war natürlich unmöglich das ich wegen einem grünen Himmel zu weinen angefangen hatte, trotzdem vermied ich tunlichst noch mal hin zu sehen. Nach einer gefühlten Ewigkeit stiegen Jason und Marine mit einem entnervten Seufzer ins Auto. „Was hat den so lange gedauert ? Mein Bruder murmelte etwas unverständliches und startete das Auto. Unterwegs begann ich über meine freunde nachzudenken. Zuerst waren da Valerie und Renée, diejenigen die allgemeine Betrachter wohl als meine besten Freundinnen bezeichnen würden, dem war jedoch nicht so. Sie hielten zwar für die Öffentlichkeit den Anschein aufrecht wir hätten uns so gerne, aber ich wusste was sie wirklich über mich dachten. Alle meine Freunde waren älter als ich, gerade diese beiden machten keinen hehl daraus das sie sich alleine deshalb für etwas besseres hielten. Früher hatten wir uns besser verstanden aber das hatte sich leider geändert. Ich hatte ihnen einmal alles erzählen können – und das hatte ich getan. Stundenlang hatten wir telefoniert, ich hatte ihnen mein Herz ausgeschüttet und sie hatten mich wieder aufgebaut. Bald jedoch merkte ich das sie mir nie erzählten und das meine Anrufe sie mehr und mehr nervten. Ich ließ es also bleiben und verschloss meinen Kummer tief in mir. Als nächstes hätten wir da Jeremy und Adrien. Adrien war der Freund meiner Schwester und ich verstand mich gut mit ihm. Mit Jeremy hatte ich mich auch mal sehr gut verstanden aber auch er hatte sich über die Jahre verändert. Außerdem war da noch Juliane. Ich kannte sie noch nicht allzu lange, aber sie war die einzige bei der ich mich wirklich wohl fühlte. Ich konnte sein wer ich bin, sagen was ich wollte und ich war mir sicher das sie mich niemals so von oben herab behandeln würde. Ich erzählte ihr alles nachdem ich auf Valerie und Renée nicht mehr vertrauen konnte. Sie hörte sich immer alles geduldig an und baute mich auf. Außerdem erzählte sie mir auch von ihren Problemen. Mir gefiel es gebraucht zu werden und ich fühlte mich wohl und geborgen bei ihr. Wir waren auf einer Wellenlänge, mochten in etwa die gleiche Musik, die gleichen Bücher und waren generell in vielerlei Hinsicht einer Meinung. Juliane war mir ungeheuer wichtig. Wir kannten uns noch nicht so lange aber ich hatte das Gefühl das ich ihr viel wichtiger war als anderen, die ich vielleicht schon ewig kennen. Juliane war meine beste Freundin. Aber leider wohnte sie ebenso wie Judith zu weit weg, als das wir uns sehen konnten, deshalb schrieben wir uns E-Mails sooft wir konnten. Natürlich gehörten noch einige mehr zur Clique aber die waren mir eigentlich egal, sie gehörten nun mal dazu und ich konnte mit ihnen wirklich viel spaß haben aber auch bei ihnen merkte ich die überhebliche Abneigung mir gegenüber. Aber im Gegensatz zu Valerie und Renée machte ich mir bei ihnen nicht mehr die mühe, ihnen zu gefallen. Es ist schwer mit den 2 klar zu kommen, wenn ich ihnen etwas erzählen wollt, war es ihnen entweder zu langweilig oder es interessierte sie einfach nicht. Wenn ich nichts erzählte bekam ich zu hören ich sei langsam oder zu still oder zu depressiv. Ich versuchte das goldenen Mittelmaß zu finden aber es war nicht einfach und so vermied ich einfach generell ihre Anwesenheit. Der Arzt der mich damals wegen meiner Depressionen behandelt hatte, war der festen Überzeugung gewesen, das meine Freunde genau so sehr schuld an meiner Krankheit gewesen waren wie meine Eltern. Er hatte mir geraten mir neue Freunde zu suchen, aber was sollte ich machen ? Ich hatte keine Wahl, ich blieb also bei meinen Freunden und versuchte mich mit all dem Abzufinden, aber ich weiß nicht wie oft ich Abend im Bett liege und Weine. Nicht nur damals, sondern immer noch, ich weinte wegen meiner Freunde. Wie wussten alle gar nicht, was sie mir jeden Tag aufs neue antaten. Wenn sie mich mieden, ignorierten oder von oben herab behandelten. Immer wieder versuchte ich mir einzureden ich sei kein minderwertiger Mensch aber es brachte nichts – die Tränen kamen trotzdem. Es ist ja nicht so das ich immer unter meiner Clique litt, es gab Momente in denen ich mich wirklich wohl fühlte, in denen ich alles vergaß was war und einfach den Moment genoss. Gerne dachte ich an die Momente als noch alles gut gewesen war, wie wir zum Beispiel im Gras gelegen, Musik gehört und geredet hatten. Ich war glücklich gewesen doch leider lagen diese Zeiten schon weit zurück. Ich merkte das mir Tränen in die Augen gestiegen waren, schnell wichte ich sie weg und versuchte an etwas anderes zu denken.
Keine 5 Minuten später waren wir an der Kneipe an der alten Grundschule angekommen. Ungeduldig wartete die Clique schon vor dem Eingang auf uns. Sie hatten die Schultern hochgezogen, stapften von einem Bein aufs andere und schnieften gegen die kälte an, es war aber auch fürchterlich kalt. Begeistert stellte ich fest, das die anderen bereits vorgeglüht hatten und schon gut gelaunt waren. Ich konnte mir einen Seufzer der Erleichterung nicht verkneifen, angetrunken waren meine Freunde netter zu mir, sie waren umgänglicher und ich hatte eher das Gefühl dazu zu gehören. Renée und Valerie kamen leicht wankend vom Alkohol auf mich zugewankt und umarmten mich. Ich genoss die Umarmung sehr. Ich brauchte Zuneigung. Früher hatten wir uns viel öfter umarmt aber ich traute mich nicht mehr sie in den Arm zu nehmen, aus Angst vor Zurückweisung. Der Alkohol lockerte ihre Stimmung auf, fast schon herzlich waren die beiden. Wenn ich jedoch daran dachte, das sie mich nur leiden können wenn die betrunken sind, lindert das meine Freude jedoch ungemein. Auch dir anderen umarmten mich und gratulierten mir, froh endlich ins warme gelangen zu können. Je höher der Alkoholpegel stieg, desto lustiger wurden wir alle. Wir tanzten ausgelassen und grölte alle möglichen Lieder mit. Ich war so glücklich wie schon sehr lange nicht mehr. Alle waren heute Abend nett zu mir und niemand behandelte mich minderwertig.
Nach einem weiteren schnellen Lied war ich erschöpft und machte mich auf in Richtung Bar um mir einen Cocktail zu holen. Der Barkeeper – ein Freund von Jason – lächelte mir zu und wünschte mir alles Gute zum Geburtstag. Ich bedankte mich und wartete, während er die Leute bediente die vor mir an der Reihe waren. „Welchen Drink kannst du mir empfehlen ?“ Erschrocken zuckte ich zusammen und drehte mich nach rechts. Neben mir stand ein Mädchen und lächelte mich freundlich an, ich konnte nicht anders und lächelte zurück. „Ich mag den Red Kiss am liebsten,“ sagte ich und bestellte gleich 2 für uns beide. Lächelnd streckte sie mir ihre Hand entgegen. „Ich heiße Elodie,“ sagte sie. Ich nahm ihre Hand und zuckte kurz zusammen den sie war fürchterlich kalt, sie schenkte mir ein Entschuldigendes lächeln. „ Ich heiße Leyla“ antwortete ich und nahm immer noch lächelnd unsere Drinks entgegen. Wir prosteten uns zu und ich versuchte sie mir unauffällig genauer anzusehen. Sie war etwas größer als ich hatte aber sehr ähnliche Haare, welche in wilden Locken ihr wunderschönes Gesicht einrahmten. Ihre Haare waren jedoch viel dunkler. Ich setzte meinen Drink an um einen weiteren unbemerkten Blick auf sie zu erhaschen. In diesem Moment sah sie mir direkt in die Augen. Ich erstarrte für den Bruchteil einer Sekunde, sie hatte exakt die selben grünen Augen wir ich. Grüne Augen an sich waren schon selten und das helle grün, meiner Augen sah man noch seltener aber ihre hatten absolut die selbe Farbe. Aus einem mir unerfindlichen Grund freute mich das unheimlich. Ich warf einen Blick in die Menge um meine Freunde zu finden, aber als ich zwei gut aussehende Jungs auf und zukommen sah, hatte ich mein Vorhaben sofort vergessen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.07.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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