Irene Beddies

Wendel, das Gespenst: Verstecken spielen



Die Tage wurden kürzer, aber davon merkte Wendel nichts, denn er schlief ja tief und fest in seinem Pappkarton auf dem Dachboden und wachte nur auf, wenn die Turmglocke zwölfmal „boingggg“ schlug.           
Als er um den Schornstein schwebte, kam die Eule. Mit ihren großen Augen schaute sie das Gespenst an und fragte: „Na, Kleiner Freund, was machen wir heute?“
„Ich weiß nicht.“
„Dann lass uns zum Waldrand fliegen“.
Die beiden vergnügten sich dort. Sie spielten Verstecken. Es war gar nicht so einfach, ein Versteck zu finden. Die Bäume hatten schon eine Menge Blätter verloren.
„Du musst zuerst bis zehn zählen“, verlangte das kleine Gespenst.
Es fand ein Versteck in einer Tanne. Die Eule flog umher und lugte hier und dort in Löcher in den Baumstämmen.
„Ich sehe dich!“, rief sie zuletzt, als sie an der Tanne vorbei flog. „Ich sehe etwas Weißes dicht am Stamm! Ich kann nicht näher kommen, die Nadeln pieken in meine Augen.“

Nun zählte Wendel bis zehn. Die Eule war verschwunden. Wo nur hatte sie sich versteckt?
Er umrundete die Bäume in der Nähe. Erst schwebte er unten um die mächtigen Baumstämme und suchte nach einer Höhle. Dann schaute er zwischen die Zweige. Außer ein paar Blättern gab es da aber nichts.
Was war das für ein seltsam dicker Ast? War er abgebrochen? Er ragte gerade in die Luft. Für einen Augenblick waren dort große Augen zu sehen.
„Du tust so, als wärest du ein Ast“, rief Wendel, „du bist entdeckt!“
Die Eule machte ihre Augen wieder auf und lachte: „Ich habe meine Augen absichtlich aufgemacht. Ich wollte hier nicht so lange regungslos sitzen. Ich habe Hunger.“
Und schon flog sie davon und erbeutete etwas zum Abendbrot.
Wendel entdeckte ein Wildschwein, das unter einem Busch wühlte. Das lief erschrocken weg, als so schauerlich „huiii, huiii“ ertönte.
„Du musst los, gleich schlägt es ein Uhr vom Turm!“, mahnte die Eule.
So sehr sich Wendel auch beeilte, zu seinem Dachboden in den Pappkarton war es nicht mehr zu schaffen. Auf dem Weg erkannte er in einem Haus ein Kellerfenster, das einen Spalt weit offen stand. Schnell schlüpfte es dort hinein.
„Gerade noch geschafft. Aber wo soll ich mich hinlegen?“
Im Keller standen Regale mit Gläsern und Flaschen dicht an dicht. Hinter einem Glas mit sauren Gurken fand er ein wenig Platz und schlief ein.

© I. Beddies



 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.08.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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