Marietta Bachmann

Männer sind (doch) Schweine

oder

A fiktive Journey

Noch 60 Minuten. Magret schlief. Endlich. Gott sei Dank. Sie waren 9 1/2 Stunden im Flieger unterwegs gewesen. Dazu die übliche Verspätung in Seattle. Sie sah fürchterlich aus. Nein, es war nicht ihre Schuld, daß sie nicht schlafen konnte. Magret schlief nie im Flieger. sie nörgelte, sie nörgelte einfach an allem, aber sie schlief niemals. Sie trank auch nichts. Sie wollte es nicht. Manchmal wünschte er, sie würde etwas trinken, sich betrinken. Vielleicht würde es ihr helfen, wenn sie schlafen könnte. Sie hatte nicht wirklich schlechte Laune, und auch er hatte nicht wirklich schlechte Laune. Dennoch, sie ging ihm auf die Nerven, einfach so, fürchterlich.

Und dann diese Frau: stürmt ins Abteil, wirft ihren Koffer in die Gepäckablage, als würde sie 24/7 Kisten schleppen, raucht, trinkt Kaffee, lächelt abwesend, zieht permanent irgendwelche Lebensmittel aus ihrer riesigen Tasche und telefoniert ständig verzweifelt mit dem Handy. Mädchen, das geht doch nicht bei diesen tausend Tunneln hier. Sie sah ihn nicht an, genaugenommen nahm sie ihn nicht einmal zur Kenntnis. Magret war so furchtbar müde. Sie legte den Kopf auf die Seite. Liebevoll legte er die Jacke über ihre Beine. Wer müde ist, friert schließlich doppelt so schnell. Eigentlich war es ein heißer Tag. Dennoch. Ob sie wohl sah, daß sie beide verheiratet waren? Er betrachtete die Frau. Er fand sie hübsch, sehr hübsch, erregend hübsch. Er wartete. Magret warf ihm unruhige Wortfetzen zu, wollte wissen, wie lange die Fahrt noch dauern würde, er beruhigte sie. Schlaf. Bitte schlafe doch endlich.

Sie hatte die Augen geschlossen. Schöne Augen, er berührte sie am Oberschenkel, bot ihr eine Zigarette an. Sie lachte verschlafen, nahm dankend an. Er fragte nach ihrem Namen, stellte sich vor. Leise, sehr leise. Sie lachte, wirkte naiv, schien nicht zu bemerken, ja, bemerkte wohl wirklich nicht, wie sie ihn erregte. Er küßte sie auf die Wange, sie lachte. Nein, sie war nicht verheiratet, aber ihr ironischer Seitenblick und ihr arrogantes Lächeln verrieten, sie wußte: Magret war seine Frau. Sie saß ihm schräg gegenüber, hatte ihre Beine auf den gegenüberlegenden Sitz ausgestreckt. Testend, tastend legte er die Hand um ihre Fußgelenke. Massierte sie. Sie ließ es geschehen, sichtlich amüsiert und kein bißchen irritiert. Mit nicht zu unterschätzender Seelenruhe schloß sie die Augen und schien ihn nicht eigentlich zur Kenntnis zu nehmen. Magret wurde unruhig. Nicht jetzt bitte. Schlaf doch. Schlafe weiter.

Noch 45 Minuten. Er beugte sich zu ihr hinüber, berührte ihre Lippen mit den Fingerspitzen. You´re very pretty. Sie entzog sie, lehnte sich zurück. Deutete auf Magret, schüttelte den Kopf. Es war ihm egal, bittend zog er sie wieder an sich, legte den Arm um sie, küsste sie, sanft biß er auf ihre Lippen, konnte sich kaum noch beherrschen. Diese Frau erregte ihn, ein Geruch von grünem Tee umspielte sie. Sie verwehrte es nicht, aber sie schien ihn auch nicht wirklich ernst zu nehmen.

Zurückgelehnt sog sie gedankenverloren an ihrer Zigarette. Wann die beiden wohl aussteigen würden. Schließlich, daß ging doch nicht. Auf dem Gang gingen ständig Leute auf und ab, diese Frau schlief und er schien sich nicht das geringste daraus zu machen.

Noch 30 Minuten. Sie schüttelte den Kopf, deutete mit dem Finger auf Magret. Es war ihm egal, verdammt nochmal. Ihre leise Geste deutete ein späteres Telefonat. Sie zog eine Karte aus der Tasche, reicht sie ihm, mit verstohlenem Blick steckte er sie ein. Er zog ihren linken Fuß auf seinen Schoß, sie umspielte ihn mit den Zehen, lachte leise. Verdammt, sie schien sich zu amüsieren, während er langsam die Beherrschung verlor. Seine Hand wanderte ihre Beine aufwärts, fordern schob er seine Finger zwischen ihre Schenkel und verfluchte die Tatsache, daß Frauen heute ständig in Jeans umherliefen. Sie beugte sich vor, zog ihn am T-Shirt zu sich herüber und küßte ihn. Er legte die Hand in ihren Ausschnitt, seine Finger umspielten ihre Brustwarzen. Sein Kopf war gerade leer, völlig leer. Er hatte nur einen Gedanken... Der Typ da draußen, lief nun auch schon zum dritten mal vorbei. Magret begann unruhig zu atmen. Schlaf doch. Schlafe doch weiter.

Noch 15 Minuten. Magret erwachte. Mit einer schnellen Handbewegung schob er ihren Fuß auf seinen Platz zurück. Das Mädchen streckte sich, nahm die Zigaretten aus der Tasche und Magret und ihm eine an. She don´t smokes. Dieses Biest, sie brachte es wirklich fertig, Magret eine Zigarette anzubieten. Er nahm sie, ein starke Marke, stärker als seine eigenen. Für einen Moment beschlichen ihn Zweifel.

Magret stand schon auf dem Gang, eingeklemmt zwischen Mitreisenden und Koffern. Im Abteil zog er sie an sie, küßte sie. Aussteigen, jetzt? Er dachte an alles andere, nur nicht daran. Verdammt, wie kriege ich sie?

Der Zug rollte aus dem Bahnhof. Der Signalton der Kurzmitteilung riß sie aus ihren Träumen. Amüsiert betrachtete sie ihr Handy. Nahm den Lippenstift aus der Tasche und zog die Lippen nach. Männer sind doch Schweine. Oder?

mb2003.04

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.04.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Wörterworte von Iris Bittner



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