Birgit Kleinfeld

Die Sterne deines Daseins

(diese Geschichte ist inspiriert von dem Son "Unstillbare Gier" aus dem Musical "Tanz der Vampire". Ich fand sie in einem längst in Vergessenheit geratenen Manuskript, aber da ja bals Halloween ist)

Dunkel lag der kleine Friedhof da, nur  beschienen vom  Licht des Mondes, den nur wenige Augenblicke zuvor sein eigener Schatten verdunkelt hatte.  Irgendwo  rief ein Waldkauz nach seiner Käuzin: sehnsuchtsvoll klagend. Rosenduft erfüllte die Luft, nur für seine außerordentlich empfindlich n Sinne wahrnehmbar: Duft sehr später Rosen, der den Geruch nach frühem Schnee seinen Hauch von Unschuld ,auf zärtliche Weise stahl. Leander wischte sich die letzten Tropfen seiner Mahlzeit von den Lippen, während  er, wie jede Nacht, die Blätter einer dunkelroten Rose auf Lucindas Grab rieseln lies: blutleere Tränen für  eine Liebe, die den Tod bis in alle Ewigkeit überleben würde.
 „Ich wünschte, einzige Liebe meines Lebens, ich hätte mich nie der Versuchung der Ewigkeit ergeben, der Gier widerstanden unsterblich zu sein.“ Er schloss die Augen, ließ jene Nacht in sich auf erstehen, in der endete was gerade begann, damit beginnen konnte was nie enden würde. Bebend hatte Lucinda in seinen Armen gelegen in jener vom Flüstern des Grases erfüllten Sommernacht hatte sie sich ihm hingegeben – mit all ihrer Liebe, all ihrem Vertrauen, Es war ihm, als fühle er ihren zärtlichen Blick auch jetzt auf sich ruhen, als streichele ihn  auch jetzt die Wärme ihrer  strahlend blauen Augen aus der Tiefe ihres Grabes, aus dem sie nicht, wie er, jede Nacht aufsteigen musste.
 „Reichst du nicht an die Sterne im Himmel heran, Liebster“, hatte sie zur Milchstraße emporblickend geflüstert, „so fische, wie ich es für dich tat, einfach nach denen im Meer! Auch sie, gefangen in diesem Beutel,  und all die Steine, die dir deinen Weg zu erschweren scheinen, sind nur dazu da, dir meinen Schutz an gedeihen zu lassen, mein Leander“
 „Leander?“ Eine  Stimme holte ihn zurück in die Wirklichkeit, zurück aus der Zeit, von vor einigen hundert Jahren. „Xenia“, flüsterte Leander  zu  der schmächtigen Gestalt, die ihm nun eine Hand auf die Schulter legte aufblickend  „Allein- bitte lass mich allein. Nur noch einen Moment – ich…“ – „Du  willst ihr  wie jeden Abend sagen, wie  sehr du sie liebtest. Ein Mal mehr soll sie wissen, wie sehr du sie vermisst, sie, die  die erste war und die einzige, die du verschontest vor dem, was du mir schon so lange zumutest“, erwiderte die Angesprochene, die schmalen Schultern zuckend und zog sich  mit blitzenden Augen ein Gedicht zitierend, zurück:


„Ruh in der Ruhelosigkeit der Ewigkeit,
wir werden sie teilen stets nun  nur  zu zweit!
Anderen das Herz erst stehlen – dann das Blut.
Leidenschaft ersetzen durch eiskalte Wut.
Licht soll spenden uns allein der Mond
vergessen Gott,  der im Himmel dort thront.
Ewigkeit kann nur ein anderer uns geben,
für ihn lassen gerne wir unser Leben!“
 
Siebzehnhundertdreißig, im Mai hatte er ihr diese Worte mit ihrem eigenen Blut auf den schönen Leib geschrieben. Gleichwohl hatte er schon damals, Jahrzehnte nach dem Tode seiner einzigen echten Liebe, längst als Fluch empfunden, was ihm doch einmal Erfüllung zu sein schien. Lucindas Liebe, ja, ihr Leben war Preis gewesen, den er hätte zahlen müssen für ewige Einsamkeit, geteilt nun mit ungeliebten Wesen. Übermäßig war Anfangs sein Wunsch gewesen Lucinda zu seiner Gefährtin zu machen um  bis in  alle  unendliche Ewigkeit  gemeinsam mit ihr…
  „Christus, möge dir vergeben, mein Liebster, so wie ich es tue mit diesem – diesem Kreuz“, waren ihre letzten Worte gewesen. Kaum hörbar hatte  sie diese Worte geflüstert und ihm mit ihren saphirblauen Augen  direkt in seine bereits verlorene Seele geschaut. Da hatte Leander erkannt, dass er sie  frei geben musste  in dem er sie ihm schenken musste, ihm  dem er auf immer entflohen war: dem Tod.
  „Es wird sich  niemals ändern nicht wahr?“, Rot tropfte  von ihrem linken Mundwinkel, was Xenia genüsslich mit ihrer blass rosa Zungenspitze aufleckte.
 „Wir,“ sie zeigte auf einen schmächtigen jungen Mann hinter ihr, , ein Kind fast noch, in einer Uniform, die ihn einwandfrei als einen Pagen Napoleons auswies, „sind gelangweilt von deiner...“
 „Es ist doch  so einfach allem ein Ende zu bereiten, in Staub und Asche zu zerfallen...“unterbrach Fabian,  der Jüngling seine Gefährtin mit einer Schärfe in der Stimme, die seine augenscheinliche Zartheit Lügen strafte.
„Leander, ich weiß, dass du fast jede Nacht mit dem Gedanken spielst, deine – sagen wir - Schlafenzeit zu verpassen. Tu doch endlich wo nach du so lange schon verlangst: Fahr zur Hölle!“
  Überrascht von all dem Hass der ihm aus diesen Worten entgegenschlug und Xenias hysterischem Lachen, erhob sich Leander, wobei seine rechte Hand, Lucindas kleinen Beutel ergriff, der ihm seit jener letzten Sommernacht um den Hals hing.
„Recht hat er“, fauchte Xenia und Leander  bemühte sich in diesem Wesen vor ihm, jene Pastoren Tochter zu erkennen, deren Herz er mit sanften Worten und Beharrlichkeit erobert hatte.
  „Aber was wird dann aus euch, die ihr ja meine Schöpfungen seid?“, hob er an, bemüht die Stimmen und Bilder in seinem Innern zum Schweigen und Verschwinden zu bringen.
  „Liebe, mein Herz, überwindet jeden Fluch, steht über jeder Schuld egal wie und was du bist.“ Lucinda hatte ihm das sterbend ins Ohr geflüstert, während er…
„Es ist wie es ist und soll auf ewig so bleiben?“ mit  spöttisch hochgezogenen Augenbrauen kam Fabian drohend auf Leander zu. „Schöpfungen nennt der große, Leander, selbst ernannter  Graf von Krolock, uns! Was bildest du dir ein, du immer sentimentaler Blutsauger, der von der Unseligkeit von Verlangen und Gier faselt, wann immer man ihn lässt!“ Abermals erschrak Leander über die Heftigkeit  und Wut in Fabians Stimme und Worten.
  „Siehst du, selbst ihm, der dich doch viel weniger Jahre ertragen musste als ich, ist deiner überdrüssig!“ während sie dem Älteren diese Worte entgegen spie,  schmiegte Xenia sich in  sehr  nun herausfordernder Pose an den Jungen. „Das hier - einfach nur Spaß haben und Leidenschaften ausleben, andere verderben, ist was unser Dasein ausmacht. Ich zumindest werde mir nun – ohne dich und deine ewige Melancholie nehmen, was mir gefällt!“
  „Ruhe sanft,“ höhnte Fabian nun, „Warte, - zu Staub verfallen, zu dem werden, was sie, an deren  nur von Ratten und Ungeziefer bewohnten Grabmal du Nacht für Nacht greinst, ist  ja das Einzige, was dir bleibt! Ich jedenfalls werde dich nicht vermissen! Chaos, werden wir verbreiten, sinnlich köstliches Chaos!“
 
Hysterisch fast klang das Lachen, des Jünglings dessen Hilflosigkeit Leander damals, als er ihn auf dem Schlachtfeld gefunden hatte, so in seinen Bann gezogen hatte. Tote, deren Blut noch  warm und damit willkommene Nahrung für ihn gewesen waren, hatte er gesucht auf jenem Schlachtfeld. Ihn, einen weiteren Gefährten, ein hilfloses Wesen, das er erst mit sich  in die Verdammnis zog, um ihm dann ein Führer zu sein, hatte er dort gefunden.
  „Gier, immer diese Gier nach dem was man nicht hat, nicht bekommen kann…“aufblickend bemerkte er, dass die beiden verschwunden waren- verschwunden für immer.
„Ich, Liebster, mag  zwar wirklich nur noch Staub sein, meine Seele jedoch hält ihr Versprechen dich ewig zu begleiten von Ferne und zu schützen.“ Seine Sinne schienen ihm zu schwinden, die Stimme Lucindas direkt aus seinem tiefsten Innern zu kommen. Traurig kniete sich  Leander erneut vor dem Grab nieder, nahm die Rosen, die dort lagen und  lies die Blätter sanft auf den kalten Stein niederrieseln.
  „Bluttropfen, ja Bluttropfen ähneln diese Blütenblätter in ihrer sanften Weichheit, ihrer leuchtenden Farbe.“ er seufzte. „Ich habe nicht nur dir das Leben ausgesaugt, warst du auch die  Einzige, bei der ich Leid  und Bedauern empfand, bevor es nur noch Gier war die mich trieb.“
 „Und deine nie sterbende Liebe zu mir, die macht, dass du mich nicht vergisst, immer weißt“, wieder  schien die Stimme Lucindas aus ihm selbst zu kommen, „was du einmal warst und jetzt bist. Bitte. Liebster, sieh doch endlich was dich von all den andren unterscheidet. Ich sah es von Anfang an und auch noch am Ende!“
  Ruhe, tiefe innere Ruhe erfüllte ihn plötzlich und die Gewissheit, irgendwann wirklich, trotz allem Erlösung zu finden.
  „Gier, magst du es nennen was dich treibt, Liebster.“ Ihm war als ob die Bäume, die anderen Grabmäler, ja selbst die Sterne und der weite Himmel ein sanftes Licht zu ihm sanden und  die Stimme seiner Liebsten,  nun allgegenwärtig wäre. „Trauer und Sehnsucht ist  wie ich es nenne, drum  höre mir einfach zu, Leander, mein Herz:
 
Kein Mond soll je sich verstecken vor dir,
die Sterne dir  stets hell leuchten
 bis Gott dir Erlösung und Ruhe schenkt.
Magst du die Sterne am Himmel  nicht erreichen,
so greife nach denen im Meer deines Daseins.
Steine die sich dabei in deinen Weg legen,
schiebe sie nicht bloß bei Seite.
Nehme sie in deine Hand,
lass sie dir ihre Geschichte erzählen,
Glaube daran, dass jeder einen Wunsch
besonders und allein nur für dich in sich trägt-
Rote Rosenblätter sollen säumen deinen Weg:
Herzblut von dir gegeben, zu werden der du bist.
Herzblut dir gerne geschenkt, damit
Du bleibst, der du bist und wächst an dir!
 
Ja! Greife nach den Sternen deines Daseins!
Weil der Himmel dir dann  die seinen schenkt.
(c)BirgitK0305/2009

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Birgit Kleinfeld).
Der Beitrag wurde von Birgit Kleinfeld auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.10.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Birgit Kleinfeld als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Im Schatten des Olivenbaumes von Joana Angelides



Ein Olivenbaum zieht die Menschen in seinen Bann und bestimmt besonders das Leben einer leidenschaftlichen Frau.
Sie trifft eine überraschende Entscheidung.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Mystery" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Birgit Kleinfeld

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Liebste Mami von Birgit Kleinfeld (Sonstige)
Blutlust von Norman Buschmann (Horror)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen