Christa Astl

Kinder entdecken ihre Welt


 
 

Viel zu viel wird heute in die Kinder investiert. Nicht nur, dass sie materiell, vor allem mit Spielzeug überhäuft sind, ebenso übertrieben ist der Aufwand an Erziehung. Mütter und Väter versuchen den gerade aktuellen Methoden Genüge zu tun, Großeltern sind nach wie vor zum Verwöhnen da.
Bald werden die Kinder an diplomierte pädagogische Fachkräfte weiter gegeben. Kinder sollen dies können und das können. Für das Alter ist dieses Spielzeug geeignet, für jenes Alter jenes. Und ständig ist jemand herum, der dem Kind was zeigt und beibringt, vor allem mit diesen sogenannten Lernspielzeugen.
Doch Kinder wollen allein, ihrem Entwicklungsstand entsprechend, die Welt entdecken.
Mit etwa sieben Monaten, sobald sie sich irgendwie fortbewegen können, erobern sie ihre nächste Umgebung. Nichts, was am Boden liegt, entgeht ihrem Entdeckerdrang. Das kleinste Papierschnitzel, alle erreichbaren Schubladen, Geschirr, vor allem Plastikflaschen, alles erweckt Interesse, ist dem Kind viel wichtiger als spezielles Babyspielzeug. Es fördert viel mehr ihre eigene Fantasie und Kreativität.
Stehen sie dann fest auf ihren Beinchen, erhöhte sich der Radius auch nach oben. Alles was erreichbar ist, wird abgeräumt und genauestens untersucht. Schachteln, Papier in allen Größen und Stärken, Flaschen, wo man was hineinstecken und die man auf- und zuschrauben kann, all das ist begehrt. Und alles, wo man eine Möglichkeit findet, irgendwie hinauf- und hinein zu steigen, muss ausprobiert werden. Angst kennt man in dem Alter nicht. Das Vertrauen, dass immer wer aufpasst, ist bereits geschult.

Im Sommer ist für noch nicht Zweijährige natürlich das Wasser interessant, von einem Becher in den anderen gegossen, Gießkannen, die man ausleeren kann und sich dabei selbst von oben bis unten nassmachen kann, und das Regenfass, das noch zu hoch ist, um eine Gefahr darzustellen. Aber man kann vieles darin versenken…
Im Herbst hat nun das Sandspielen besondere Wichtigkeit. Zwei Schaufeln, abwechselnd bedient, mit denen man Sand auf die nächste Stufe hinauf schaufeln und wieder hinunter schieben kann, und dieses Spiel kann zwanzig Mal wiederholt werden. Wenn sogar noch ein Becher gefunden wird, ergeben sich nochmals viele weitere Spielmöglichkeiten. Wenn die Schaufel breiter ist als der Becher, ist es eine Herausforderung, diesen zu füllen. Wehe, der kluge Erwachsene leert den „Kuchen“ aus! Das ist für diese Entwicklung noch zu früh. Natürlich ist der Sand um den Becher dann fast genau so hoch wie dieser. Vorsichtig hebt das Kind den Becher heraus, bewundert die leere Vertiefung, stellt ihn vorsichtig wieder hinein, auch dies muss immer wieder durchgeführt werden. Und trotzdem hat es alles im Blick, ob jemand kommt, weggeht, ob auf der Straße der Bagger und der Traktor vorbei fahren, auf alles muss der Zeigefinger hinweisen.
 
Heute durfte ich diesen kleinen Mann auf den Spielplatz mitnehmen. Er kennt mich zwar nicht so gut, da er mich selten sieht, trotzdem ließ er sich ohne Widerstand anziehen und quietschte vor Freude, als ich ihm die Schuhe and die Füße klopfte. Mama gab ihm zwei Sandschaufeln zur Auswahl, er nahm beide mit. An der Tür blickte er zurück, ob Mama folgte, doch sie schloss die Wohnungstüre. „Tuu“ (Zu) war sein Kommentar, dann gab er mir die Hand und wir marschierten los. Ein langer Weg von etwa 300 Metern lag vor uns. In jedes Loch musste er den Finger hineinstecken, auf jeden Stein steigen, Blüten und Blätter einer genauen Beobachtung unterziehen. Da durfte dann ich die Schaufeln halten.
Der Spielplatz ist recht natürlich kindgerecht gestaltet. In seinem Alter waren die Kinderschaukel und der Sand interessant. Und etwa ein Viertel des Platzes bestand nur aus Sand. In einer Ecke holte er eine Schaufel voll, um sie fünf Meter weiter entfernt in einer anderen Ecke abzuladen, immer wieder, Sand von hier nach dort. Was er damit bezwecken wollte, verstand ich nicht, aber ich ließ mich darauf ein.
Eine andere Attraktion war ein etwa zwei Meter hoher Grashügel, den er an meiner Hand hinaufstieg. Allein bewältigte er ihn noch kriechend.
Nach einer guten halben Stunde kam Mama, um zu schauen, wie es uns ging. Sie hatte sich Sorgen gemacht, da er noch nie länger mit jemand „Fremden“ fort war. Er zeigte keine besondere Wiedersehensfreude, im Gegenteil, er war beleidigt, als sie ihn in die Schaukel setzen wollte und legte sich auf den Boden. Als ich ihn fragte, kam er sofort und ließ sich von mir hinauf heben.
Nach mehr als einer Stunde des Herumlaufens ließ er sich endlich zur Heimkehr motivieren. Großteils „im Flug“, da wir beide je eine Hand hielten, kamen wir rasch nach Hause.
 Für uns beide war es, auf unterschiedliche Art gesehen, ein lehrreicher, abwechslungsreicher und vor allem schöner Vormittag.
 
 
ChA 26.10.13

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