Manfred Bieschke-Behm

Der Wald und die Elfen (Vorlesegeschichte)



Es war der Oberförster, der Lena glaubhaft versuchte zu vermitteln, dass es im Wald Elfen gibt. "Elfen gibt es?", fragte Lena ungläubig den Oberförster. "Ja, Elfen gibt es", erzählte der Oberförster mit aller Ernsthaftigkeit. Während er mit Lena sprach, sah er sie freundlich spitzbübisch lächelnd an. Plötzlich legte er seinen Zeigefinger auf seinen Mund, was zu bedeuten hatte, das Schweigen angesagt war. Aber warum nicht sprechen dürfen, dachte Lena, wagte die Frage aber nicht auszusprechen. Vielmehr sah sie den Oberförster ungläubig an und wusste nicht so richtig, wie ich mit dieser Situation umgehen sollte.
Plötzlich hörte Lena den Ruf eines Kuckucks! Ganz nah. So nah, dass sie sich fast erschreckte. Ängstlich sah Lena sich um, konnte aber nicht festmachen, wo sich der Kuckuck aufhielt. Lena wollte unbedingt wissen, wo der Kuckuck sich niedergelassen hatte. Sie drehte sich langsam im Kreis und schaute von Baumkrone zu Baumkrone, von Holzstamm zu Holzstamm. Nirgendwo konnte sie den Vogel entdecken. Kein Kuckuck war zu sehen. Aber immer wieder war sein Ruf zu hören: kuck-kuck, kuck-kuck. Mal nahm Lena den Ruf des Kuckucks von rechts wahr, mal von der linken Seite. Waren es möglicherweise zwei Vögel? Zwei die sich gegenseitig zuriefen? Lena war hin und hergerissen. Lena wurde es ganz schwindelig vom vielen nach rechts und links schauen. Sie hatte Angst, dass ihr Schwindligsein dazu führen könnte umzufallen. Lena war froh, dass der Oberförster bei ihr war. Sie war davon überzeugt, das der Förster sie im Zweigfelsfall, aufgefangen hätte.
Noch immer hielt der Oberförster seinen Zeigefinger vor seinem Mund als Zeichen dafür, dass immer noch Schweigen angesagt war. Lena hätte gerne von ihm gewusst, ob das Redeverbot dem Kuckuck oder den Elfen galt. Natürlich traute sie sich nicht, ihn zu fragen und hatte deshalb keine andere Möglichkeit, als sich die Frage für später aufzuheben.
Plötzlich war kein Kuckucksruf mehr zu hören. Wäre da nicht das plötzlich aufkommende Rauschgeräusch der Baumgipfel zu hören, hätte von absoluter Stille gesprochen werden können. Nun schien die Zeit gekommen, die Frage zu stellen. Aber halt! Weiteres schweigen war  angegesagt. Der Grund hierfür war ein Hirsch, der aus dem Unterholz heraustrat. Mit großen Augen und Ohren, die sich in alle Himmelsrichtungen bewegten, stand es da und schaute genau in die Richtung, wo sich Lena und der Förster aufhielten. Lena kam es vor, als wollte der Hirsch sagen: "Hallo, ich bin es, ein Tier des Waldes, dass auf dir Suche nach etwas Essbarem ist.“
Fasziniert und gleichzeitig fast erstarrt vor Ehrfurcht stand Lena dem Tier ganz nah gegenüber. Noch nie hatte sie ein so schönes, großes Tier gegenübergestanden. Lena war dem Tier so nah, das sieh fast seinen Atem spüren konnte. Gerade als Lena ihre Hand nach dem Hirsch ausstreckte, um ihn berühren zu können, verschwand er im Dickicht des Unterholzes.
 Der Oberförster sah, dass Lena traurig war. Ein paar Tränen rannen ihr die Wangen herunter. Schluchzend teilte Lena dem Oberförster mit, dass sie den Hirsch gerne gefragt hätte, ob er Elfen gesehen hat, und ihr sagen könne, wo sie sich aufhalten. Der Oberförster nahm Lena in seinen Arm. Er tröstete sie und sagte zu ihr: "Liebe Lena, du musst wissen, dass, wenn der Tag erwacht, sich die Nacht verabschiedet hat. Genau dann ist der   Zeitpunkt gekommen, wo aus den ersten Sonnenstrahlen Tausende kleine Elfen auf den Waldboden fallen. All das Schöne, was du siehst, hörst und riechst ist das Ergebnis fleißiger Elfen. Ihnen haben wir es zu verdanken, dass der Wald dich, aber auch all die anderen Menschen über alle Zeit hinweg erfreut und verzaubert".
 
Alle Traurigkeit, die Lena bis noch eben verspürte, war vergessen. Sie wusste jetzt das Geheimnis vom Wald und den Elfen. Sie war voller Vorfreude ihr Geheimnis mit jemandem teilen zu wollen.
 
Vielleicht mit dir?
 

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