Peter Vyskovsky

Wie ich Fußball-Fan wurde

 

 

 

Zum 120. Gründungsjahr des 1.Vienna FC in 2014

 
Ich war rund acht Jahre alt und interessierte mich für alles, was in der Welt geschah. Die tägliche Zeitung in unserer Familie war gewissermaßen mein Fenster zur Welt. Natürlich rannte ich mit einigen Freunden dem Fußball hinterher, aber wie ernst dieser Sport in der Welt genommen wurde, das eröffneten mir erst die Presseberichte.
 
Da las ich  Spielergebnisse und Tabellen, die zeigten, welche Klubs es gab und welche gegenwärtig besonders gut unterwegs waren. Zum Match auf den Fußballplatz zu gehen war undenkbar, das kostete Geld und die Eltern hatten auch gar keine Zeit für ein solches Hobby. Während sich die meisten meiner Freunde nur dem rollenden Ball widmeten, war ich doppelt im Einsatz. Als Verteidiger auf unserem asphaltierten kleinen „Fußballfeld“ in einer Sackgasse im 18.Bezirk Wiens, wo damals noch kaum Autos parkten. Und als eifriger Leser der wöchentlich Spielberichterstattung, die damals nur in der Zeitung und im Radio stattfand..

 

Vom Ursprung des Wiener Fußballs
 
Allmählich wurden mir die Klubs bekannter und einige davon sympathischer. Außerdem bemerkte ich, dass Wien in den 1950er Jahren relativ viele Vereine in der obersten Liga hatte, wie etwa Admira, Simmering, FAC, Wacker, Sportklub, Vienna und natürlich die heutigen Top-Klubs Rapid und Austria. Ich ließ mich aber weder von Fußball-Akteuren oder Freunden,, noch von Toren oder Punkten leiten, um meinen Lieblingsverein zu finden. Es sollte eben ein Klub mit starkem Wien-Bezug und einer eindrucksvollen Geschichte sein, dem ich die Daumen drücken wollte.
 
Aus Nebensätzen schnappte ich auf, dass Vienna nicht bloß durch den Namen den stärksten Wien-Bezug hatte, sondern eigentlich First Vienna Football Club hieß und u.a. von echten Engländern und Bankern um die Familie Rothschild gegründet worden war, sogar schon 1894. Auch die Klubfarben blau-gelb fand ich sympathisch – leuchtend aggressiv und cool zugleich. Eigentlich war es das Jockeydress des Rothschild-Reitstalls und angeblich trugen die Spieler anfangs noch Jockeymützen im Matchbetrieb.
 

Fußball, Cola, Tombola

 
Und dann bekam ich überraschend doch „meine“ Mannschaft zu sehen. Meine Eltern beschlossen zu einer großen Tombola zu gehen nach Döbling, in den 19.Bezirk, auf die Hohe Warte. Da klang schon einmal imposant – ein aufragender Grashügel mit vielen Bankreihen drinnen und  irgendwann vor meiner Zeit mit 85.000 Zuschauern Fassungsvermögen sogar  das größte Fußballstadion auf dem Kontinent. Und es war spannend, weil ich die Vienna-Elf erstmals auftreten sah, in ihrer heimatlichen Naturarena, wo schon das legendäre österr. „Wunderteam“ 1931- 33  tolle Erfolge gefeiert hatte.
 
Wir machten keinen großen Gewinn bei der Tombola, aber neben dem Vienna- Erlebnis  trug ich eine weitere Trophäe heim: mein erstes Coca Cola, das berühmte, damals in Wien noch seltene Amerikaner-Getränk, das man als Jugendlicher zumindest probiert haben sollte. So ganz war ich allerdings  noch nicht Teil der Kernzielgruppe, fühlte mich bei Libella, Sinalco, Frucade etc. bis auf weiteres noch besser aufgehoben.
 

Karl Koller als  Vienna- Kapitän und Internationaler

 
Von den Vienna Spielern fiel mir einer besonders auf. Karl Koller im Mittelfeld., der stets mit Ruhe und Umsicht die Bälle aufnahm und wirkungsvoll verteilte. Immerhin war er auch Kapitän, wie ich später entdeckte. Nun begannen mich plötzlich auch andere Spieler in anderen Vereinen zu interessieren bzw. Matches der Landesauswahl (so schoss Koller ein Freistoßtor in der Auswahl Wiens gegen die Steiermark) bzw. der Nationalelf. Und da schien wieder der Name Koller auf, Zwar nicht als Superstar wie Ocwirk, Hanappi oder Happel, aber als kampfstarker, verlässlicher Akteur im Mittelfeld.
 
Übrigens bereicherten auch Akademiker den Wiener Fußball und wurden anfangs in der Radio-Berichterstattung, wie in Österreich nicht unerwartet, mit ihrem Titel genannt. Einer der prominentesten war Austria’s „Dr. Schleger“, Tierarzt und später sogar Universitätsprofessor. Rapids „Ing. Hanappi“  durfte als Architekt nach Karriereende das Fußballstadion in Hütteldorf bauen, das heute seinen Namen trägt.
 

Von der Fußballtabelle zur Europakarte

 
Fußball und Geographie waren in meiner Lernwelt stark verknüpft. Die Bundesliga bestand um 1952 aus Hauptstadtklubs der Bundesländer und den genannten Wiener Vereinen. Burgenland und Kärnten waren fast nie in der obersten Liga vertreten. Aber darunter gab es Landesligen und regionale Spielklassen, deren Vereine oft schillernde Namen trugen und aus bemerkenswerten Städten und Dörfern stammten. Wann immer ein Klub etwas Interessantes umsetzte, nahm ich den Atlas zu Rat, um zu sehen, in welcher Gegend sich zugetragen hatte, was die Zeitung berichtete.
 
In der Schule war ich bald der Experte für internationale Städtenamen, zumindest wenn sie sich mit einem Fußballklub verknüpfen  ließen. Newcastle, Southampton, Liverpool kannte ich als Hafenstädte lange, bevor sie uns der Lehrer als solche vorstellte oder die Beatles für ihre Stadt warben.  Crystal Palace fand ich als Name elegant und entdeckte erst viel später die Story mit der Weltausstellung. Warum der Stahlstadt-Verein Sheffield Wednesday so heißt, weiß ich gesichert bis heute nicht. Bei meinem englischen Sprachaufenthalt vor dem Abitur war ich häufig Gast  auf den Londoner Fußballplätzen, mal in Chelsea-Blue, dann im roten Arsenal T-Shirt. In der Schweiz fand ich Grasshoppers amüsant, in Deutschland musste ich länger suchen, bis ich das Stadion  Auf Schalke im Ruhrgebiet fand. Die Ungarn benannten ihre Klubs gerne nach Budapester Bezirken, wie Ujpest oder Ferencvaros und waren damals  eine wahre Großmacht im Fußball.
 

WM-Medaille und Meistertitel

 
Natürlich war „mein“ Karl Koller mit dabei als Österreich 1954 zur WM in die Schweiz fuhr. Was später als „Wunder von Bern“ filmisch dokumentiert wurde, habe ich in unserem Garten in Niederösterreich als Zehnjähriger live im Radio erlebt, aus meiner österreichischen, weniger wundervollen Sicht. Immerhin warf unsere Mannschaft im Viertelfinale in Lausanne die Schweizer Gastgeber mit 7:5 aus dem Turnier. Aber dann kam unser „Drama von Basel“, wo wir 1:6 gegen Deutschland untergingen,  u.a. auch deshalb, weil ein Spielertausch damals nicht erlaubt war und Österreich eine Halbzeit lang mit einem geblendeten und durch einen Sonnenstich beeinträchtigen Tormann Kurt Schmied durchspielen musste. Immerhin langte es für uns  zum dritten Platz, während die Deutschen im „Berner Wunderspiel“ die hoch favorisierten Ungarn mit Puskas, Kocsis & Co. auf den zweiten Platz verwiesen.
 
Karl Koller war bei allen österreichischen WM-Spielen im Einsatz und seine Vienna erwies sich  im Jahr danach so motiviert, dass sie 1955 den  nationalen Meistertitel holte. Der Klub wurde 6 mal österr. Meister, holte den österreichischen, deutschen und österreich-ungarischen Pokal sowie den Mitropacup, einem Vorläufer der heutigen Europabewerbe.
 
Karl Koller hielt seinem Klub, so wie ich der Vienna, seine Treue und trat 1965 nach 836 Vienna-Spielen zurück, um nur noch Gastwirt südlich von Wien zu sein. . Ich bin Vienna Anhänger geblieben und schon wieder Koller-Fan, diesmal von Marcel Koller, dem ÖFB-Trainer aus der Schweiz.
 
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.11.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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