Birgit Kleinfeld

Aziz' Weihnachten



Es war ein guter Tag gewesen. Er hatte viel verkauft von dem Schmuck aus Muscheln und Seesternen, die seine Schwester und seine Mutter gebastelt hatte. Dem kleinen blonden Mädchen, mit den Augen, die wie das Meer schimmerten, in dem sich die Sterne des Himmels spiegelten, hatte er seine schönste Kette geschenkt. „Frohe Weihnachten“ hatte er dazu gesagt.  Oh, wie schwer waren ihm diese fremden Worte gefallen und wie leicht.
Drei Seesterne waren an der Kette und Muscheln, so weiß und schön, wie das, was man da wo das kleine Mädchen herkam, „Schnee“ nannte“. Sein Bruder, der in der Bar vom „Hilton Ressort“ arbeitete, hatte ihm von den fernen kalten Ländern erzählt, aus denen die vielen Touristen immer kamen. Neulich,  Aron hatte Nachtdienst gehabt, hatte er ihn besucht und sie hatten im Internet gesurft. Was für ein dummes Wort - „surfen“- ! Es gab da doch gar keinen Wind, kein Meer, von dem man sich tragen lassen konnte. Nur komische Buchstaben, die so anders waren, als die, die er in der Schule lernte, und Bilder … Bilder von Städten mit großen Häusern, und vielen Menschen in dicken Kleidern, und eben von „Schnee“. Er lachte vor sich hin, während er vorsichtig seinen selbst gefangenen Fisch über das offene Feuer hielt. Ahmed hatte ihn mitgenommen in die Bar des Hotels und sie hatten das Eis in der Eismaschine ganz klein werden lassen. „Das, Aziz, ist Schnee!“ Er hatte einen kleinen Ball daraus geformt und Aziz damit beworfen. Er hatte ihm dann vom Winter erzählt, von Eislaufen, das so ähnlich. Wie surfen auf gefrorenem Meer, nur dass man es mit Schuhen, die kleine Eisenschienen hatte, tat und vom Schlittenfahren. Aziz hatte das alles ganz gut gefallen, aber er musste immer daran denken, wie sehr das kleine Mädchen frieren musste, dort in dem Schnee, denn er Aziz, hatte schon an den Stellen gefroren, wo Arons Schnee ihn getroffen hatte.
Sein Fisch war gar und er biss vorsichtig hinein. Unten am Strand waren viele Leute. Er hörte sie in fremden Sprachen singen: Einige Worte verstand er: „Weihnachten“, „Christkind“, „Tannenbaum“, „Tannenbäume“ waren diese riesigen Bäume, der Blätter ganz dünn und spitz waren und die, fremd rochen und pieksten. sie waren geschmückt mit bunten Kugeln und vielen, vielen bunten Lichtern. Entschloss sich hinunterzugehen und sich auf den Privatstrand des „Hiltons“ zu schleichen. Er wusste genau, wie das ging, vielleicht konnte er ja helfen, den Müll wegzuräumen oder sich halt einfach irgendwo verstecken. Vielleicht würde das kleine Mädchen ja auch da sein. Und vielleicht würde sie ja seine Kette tragen!
Plötzlich konnte er es nicht mehr aushalten. Er rannte und rannte, den Hügeln hinunter über die Straße, bis er da war. Aron stand am Eingang und winkte ihn eilig herein. Er trug eine sehr elegante Uniform und begrüßte alle Gäste mit den Worten „Gesegnete Weihnachten“ Aziz erinnerte sich, ja auch von Weihnachten hatte sein Bruder ihm erzählt, ein wichtiges Fest in einem Glauben den Aziz nicht verstand er war so anders als der seine, als die Wahrheit.
Er war erschlagen von all den Menschen, die funkelnde Steine überall an sich trugen, sodass sie genau so strahlten und leuchteten wie die Tannenbäume mit all ihren Kugeln und Lichterketten. „Pass ja auf, dass du nicht über die Kabel stolperst“, hatte Aron ihn gewarnt. „Wenn du die Schnur aus der Leitung ziehst, ist es vorbei mit dem Glanz und dem Licht.“ Also war er vorsichtig und schenkte fast alle seine Aufmerksamkeit dem Fußboden um die Bäume herum und all den Menschen, es waren so viele, dass er fast - aber nur fast, denn er war beileibe kein Feigling – befürchtete, sie würden ihn erdrücken. Aber einen kleinen Teil brauchte er auch um das kleine Mädchen zu finden. „Hallo“ sagte eine leise Stimme plötzlich, ganz dicht neben ihm. Sie war wunderschön – und fremd. Ihre Haare, die immer so schön ausgesehen hatten, wenn sie nach einem Bad im Meer, trockneten, und sich wie kleine goldene Schlangen um ihren Kopf, und ihre Schulter gekringelt hatten, waren ganz glatt und glänzten noch goldener. Um ihren Hals trug sie Seesterne. Aber es waren nicht seine, nen es waren funkelnde aus Glas. „Hier für die Kette“ Sie gab ihn einpaar Scheine hielt ihm auch etwas hin, das blinkte. Blinkte wie das Licht an Arons altem Ford, wenn er um die Ecke fahren musste, nur, dass es bunt war. Er nahm es ohne  ihr ins Gesicht zu schauen und - er konnte nicht anders -lief weg. Was sie ihm hinterher rief, konnte er nicht verstehen, aber es klang nicht nett.
Heute Morgen noch hatte er von ihr geträumt, von ihrem Lachen. Sie hatte Fußball gespielt mit den anderen, hatte keine Scheu gehabt Krebse anzufassen und Quallen. Sie war so ganz anders gewesen als diese anderen Touristenmädchen, deren Eltern immer aufpassten, dass er ihnen nicht zu nahe kam. Und auch anders als seine Schwester und die Mädchen aus der Nachbarschaft.
Und nun? Wie eine Puppe, eine kostbare, hatte sie ausgesehen, und wie geziert sie gelacht hatte und – ja, er hatte es gemerkt, als sie ihm dieses Ding gegeben hatte, hatte sie sehr wohl aufgepasst ihn nicht zu berühren.  Er schaute an sich herab. Ja, vielleicht roch er noch nach dem gebratenen Fisch, und da er ein ganz kleinwenig Benzin für das Feuer benutzt hatte, vielleicht auch danach. Aber, er war heute Morgen doch genau so gewesen, vielleicht sogar einwenig dreckiger, denn er hatte sich erst nach dem ende seines Arbeitstages gewaschen. Und da … Da hatte sie seine Kette ohne zu zögern angenommen. Und nun hatte sie ihn doch bezahlt. Oh, er kannte das Sprichwort, das Aron immer sagte: Nehme nie ein Geschenk an von jemanden, den du verachtest.“
Sie verachtete ihn also. Andererseits hatte sie ihm aber auch dieses Ding, - er blickte es an und erkannte, dass es ein Weihnachtsbaum aus Plastik war, an dem Sterne und Lichterketten, alles winzig klein funkelten. Er untersuchte den Baum. Genau und entdeckte das Fach für die Batterie.  Für die Batterie, die ähnlich wie die Schnüre an den großen Bäumen erst möglich machte, dass alles blinkte. Das wusste er. Achtlos steckte er das Ding in die Tasche. Nein, er würde nicht wie sie sein, er wusste ein Geschenk zu achten. Es war egal, ob sie ihn verachtete ER hatte Würde. Die Würde eines Mannes und wenn sie …
Inzwischen war er am Meer angelangt, an seinem Meer, an seinem Strand, an seinem Versteck. Irgendwo belle ein Hund und da hinten sangen sie immer noch von Christ und all dem anderen heidnischen Kram … Plötzlich packte ihn Mitleid. Mitleid für das kleine Mädchen und all die anderen Touristen.  Er saß hier an seinem Strand, hatte keine Schuhe, keinen Glasschmuck und auch keine glänzenden Kleider. Aber er hatte das unendliche Meer vor sich, das voller Seesterne war. Seesterne, die der Himmel hinuntergeworfen hatte, damit Leute wie er sie finden und verkaufen konnten. Es würde sie immer geben, denn  da oben, er schaute in die Nacht hinauf – gab es viele Sterne,  unendlich viele.  Die würden immer da sein, egal wer wo welche Elektroschnur zog oder Batterie entfernte!
 
Er lachte.  Lachte und tanzte, ganz für sich allein – und für den neuen Stern den er grade am Himmel entdeckt hatte, der heller war als alle anderen und der zu ihm hinunter zu lachen schien. Ganz leise klirrend.
„Gesegnete Weihnachten, Stern“ rief Aziz fröhlich und fügte hinzu: “Ich weiß, nicht was das ist, aber viele Leute halten es für gut … Dann ist es das vielleicht ja auch! Darum: gesegnete Weihnachten!“
BirgitK0305/2009

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.11.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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