Ernst Dr. Woll

Weihnachten in der Familie III

Wir sind nun über 80 Jahre alt und 60 Jahre verheiratet, fühlen uns derzeit noch in der Lage, selbständig unseren 2 - Personen - Haushalt zu bewältigen. Realistisch denken wir aber daran, dass unsere künftigen Lebensjahre begrenzt sind. Vor allen Festen und auch vor Weihnachten steht häufig großer Hausputz an; außerdem hielten und halten wir diese Zeit vor dem Fest für günstig, in Keller und Schränken aufzuräumen. Man sucht ja hin und wieder Sachen, die man nun endlich wegwerfen oder vielleicht Weihnachten noch verschenken könnte.

Das gegenwärtige Aufräumen geschieht jedoch nicht nur wegen der Festvorbereitung sondern vor allem auch deshalb, damit unsere Kinder später einmal beim Auflösen unserer Wohnung geringere Mühe haben. Wir gehören ja zu der Generation, der es schwer fällt, Überflüssiges wegzuwerfen. Eingedenk der durchstandenen Notzeiten bleiben die Gedanken: „Alles könnte vielleicht noch einmal gebraucht oder verwendet werden oder es ist nur schwer wieder zu beschaffen!“ Beim Ordnen schreibe ich an einige Behältnisse mit aussortiertem Schriftgut oder anderen Dingen z. B. auch Christbaumschmuck, Weihnachtspyramiden, Kinderspielzeug und ähnlichem von anno dazumal: „Kann nach unserem Tod ungesehen weggeworfen werden!“ Das führt vielleicht auch dazu, dass unsere 4 Kinder neugierig werden und nachschauen was ihre Eltern wohl bisher heimlich aufgehoben haben. Sie werden enttäuscht sein, denn in unserer Familie gab es kaum Geheimnisse, außer in der Zeit, als die Vier noch klein waren und in der Vorweihnachtszeit viel gerätselt wurde: „Was wird der Weihnachtsmann wohl an Geschenken und Überraschungen bringen?“ In diesem Zusammenhang kommen gerade in der Weihnachtszeit Erinnerungen an die eigene Kindheit und die Zeit als unsere beiden Jungen und Mädchen oder auch unsere 4 Enkel noch an den Weihnachtsmann glaubten auf. Wir fanden beim Kelleraufräumen noch Teile der Spielzeugeisenbahn aus meiner Kindheit und Möbel und Geschirr von Mutters Puppenstube aus der Zeit Ende der 1930er Jahre.
Retrospektiv dachten wir dabei an die Weihnachtsfeste während des Krieges und unterhielten uns auch darüber. Diese Gespräche führen wir in Zweisamkeit, denn unsere Kinder und Enkel hören nicht gern zu, wenn wir von dieser fernen oder selbst der Vergangenheit der 1950/60er Jahre erzählen. Sie meinen: „Belastet euch nicht mit diesen alten Geschichten, genießt jetzt euer schönes Leben im Frieden in Europa.“ Erst wenn sie selbst alt sind, werden sie uns verstehen. So finde ich vielleicht hier einen Leserkreis, den auch die „Storys“ aus der Historie interessieren. Uns kommen Gedanken an die Zeit im Nationalsozialismus, damals sollten besonders wir Kinder und Jugendliche überzeugt werden, dass die christlichen Wurzeln des Weihnachtsfestes auf falschen historischen Annahmen beruhen. Es wurde behauptet: Nur das Julfest zur Wintersonnenwende am 25. Dezember entspreche unserem germanischen Erbe und wäre der richtige Anlass zum Feiern. Damals war in Hitlerjugend, BDM (Bund deutscher Mädel) und in der Schule auch das Wort "Christbaum" verpönt. Er durfte nur "Tannen-" oder "Weihnachtsbaum" genannt werden. Übrigens bezeichnete man damals im Volksmund den “Christbaum“ als etwas ganz und gar „Unweihnachtliches“: Die Leuchtmarkierungen nämlich, die die Alliierten in den Himmel setzten, um für die Bomber das Abwurfsziel zu markieren. Weihnachten, das Fest des Lichtes, war für uns in jener Zeit ein Fest der Finsternis, denn durch die Verdunkelung – als Schutz vor Fliegerangriffen – waren Städte und Dörfer in eine fast absolute Dunkelheit getaucht. Selbst Autos, Motor- und Fahrräder hatten an ihren Scheinwerfern nur ganz schmale Schlitze für einen Lichtdurchlass, der gerade mal eine Orientierung ermöglichte, um nicht vom Weg abzukommen. Auch Tannenbäume mit Lichtern oder Lichterketten waren im Freien tabu. Lediglich bei Bombenangriffen war dann die ganze Umgebung wieder ein Flammenmeer mit einem makaberen „Lichterfest“.

Für Kinder waren Weihnachten schon immer Spielsachen die wichtigsten Geschenke. In unserem Alter ist es für uns heute unfassbar, was aus Kinderspielzeug in den vergangenen 8 Jahrzehnten geworden ist – technisch hochentwickelte, kompliziert zu bedienende Gegenstände, Geräte, Maschinen und Baukästen, der Wirklichkeit nachgebildete Puppenstuben und Supermärkte, sich bewegende, sprechende Figuren und so weiter und so fort. Es bedarf oft schwer zu verstehender „Beipackzettel“, damit die Kinder mit ihren Geschenken überhaupt spielen können. Muss das sein? Freilich, ich höre schon den Widerspruch: „Mit den früheren primitiven Spielsachen und ihrer Einfachheit kann die heutige Kindergeneration nicht auf die neuen Herausforderungen vorbereitet werden.“ Wir fügen uns unvoreingenommen, denken aber gern daran, wie wir unsere Kindern noch in den 1950/60er Jahren mit einfachen Spielsachen zu kreativen Beschäftigungen anregen konnten.

Dazu nur 2 Beispiele. Nachdem unsere älteste Tochter Sigrid zur Schule ging, begann sie mit ihrer 2 Jahre jüngeren Schwester zu Hause, das im Unterricht Erlebte und Gelernte intensiv zu wiederholen. Wir unterstützten das Ganze, indem wir ihnen Weihnachten eine kleine Schultafel, Kreide und allerlei Schuleinrichtungen in Miniausfertigung sowie ein Klassenzimmer für kleine Puppenstuben - Püppchen schenkten. Noch heute staunen wir, mit welcher Ausdauer die beiden Schule spielten und wie die Jüngere geduldig dabei lernte. Sigrid fertigte sogar kleine Hefte und Minibleistifte, die wir Erwachsenen gar nicht zwischen den Fingern halten konnten, für diese Puppen an. Unsere beiden Buben in den 1950er Jahren 6 und 4 Jahre alt erhielten Weihnachten die Spielzeugeisenbahn aus meiner Kinderzeit. Eine „Merklin“ mit großen Güterloren, in denen Bauklötze transportiert werden konnten, Weichen per Hand gestellt werden mussten u s w. Ihr intensives Spielen machte uns Spaß. Als ich später die Eisenbahnanlage auf moderne Kleinspurbahn umrüstete wurde ihre Spielen damit weniger. Das ganze wurde wegen komplizierter gewordener Schaltkreise mehr eine Beschäftigung für den Vater.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.11.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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