Engelbert Blabsreiter

Der Sorgenmond



Der Raum war fast dunkel und das gelblich schwache Licht der Mondsichel beleuchtete das schmale Gesicht des kleinen und zierlich gebauten Jungen der barfuß in einen Schlafanzug gekleidet vor dem geschlossenen Fenster stand.
Er hatte eine kleine Taschenlampe in der Hand und visierte zielgenau auf die schmale Sichel des Mondes, die sich in der Dunkelheit hervorhob.
Dann atmete der Junge tief ein, verharrte einen Moment bewegungslos bis plötzlich ein paar Sekunden lang ein Lichtstrahl aus der Taschenlampe durch die Fensterscheibe drang und im Nachthimmel verschwand. Gleichzeitig atmete er lang anhaltend in einem tiiiiiiiefen Seufzer aus.
Es war als wäre mit diesem Seufzer alle Last und Sorge von ihm abgefallen und so kuschelte er sich anschließend wieder glücklich und zufrieden in sein noch warmes Bett zurück, wo er wenige Minuten später einschlief.

Mehrere Monate vorher war der Junge in die erste Klasse einer Grundschule aufgenommen worden und die Umstellung von einer sicheren und behüteten Umgebung im Kreis seiner Familie in den schulischen Alltag viel ihm sichtbar schwer. Seine empfindsame Seele musste mit neuen Erfahrungen wie Neid, Missgunst, Tadel und Angst Bekanntschaft machen, was ihm manchmal schwer zu schaffen machte.
Oft plagten ihn Ängste und Sorgen bis in die Nacht hinein und hinderten ihn am einschlafen.
Als er eines nachts aufwachte hörte er eine leise Stimme seinen Namen rufen.
Seine Augen suchten in dem dunklen Raum sofort nach dem Ursprung der Stimme, aber er konnte niemanden sehen. Eigenartigerweise war ihm die Stimme irgendwie vertraut und er war ohne Sorge darüber.
Leise antwortete er deshalb mit... Ja wo bist du ?

Die Stimme antwortete... du kannst mich nicht sehen Felix aber ich bin seit Anbeginn deiner Zeit bei dir, beschütze und behüte dich so gut ich kann. Ich möchte auch, dass du deinem Namen entsprechend glücklich bist. Der Name Felix bedeutet nämlich "der Glückliche" und ich musste die letzten Monate sehen, dass du deinem Namen nicht mehr gerecht werden kannst. Ich möchte dir einen Rat geben, mit dem du die Sorgen und Ängste die dich quälen los wirst.

Der Junge setzte sich im Bett auf und runzelte die Stirn. Und wie geht das fragte er in den Raum hinein ohne erkannt zu haben wo der Ursprung der Stimme war.

Es ist eigentlich ganz einfach, hörte er die Stimme flüstern, aber du darfst es niemandem erzählen....
Versprichst du mir das Felix ?

Felix überlegte kurz riss die Augen auf und antwortete mit einem zaghaft neugierigen, melodischen und lang gezogenen Jaaaa.

Packe deine Sorgen und Ängste einfach in einen Lichtstrahl hinein und schicke sie mit diesem Lichtstrahl zum Mond riet ihm die Stimme. Der Mond wird dir die Sorgen und Ängste abnehmen und auflösen.
Aber bedenke immer, du hast nur zwei Wochen Zeit bis der Mond voll ist, dann musst du ihm wieder zwei Wochen Zeit geben deine und auch auch die Sorgen der anderen Kinder aufzulösen.
So lange der Mond wächst kannst du ihm deine Sorgen und Ängste ruhig schicken.
Mit jedem Lichtstrahl den er erhält leuchtet er heller, bis er schließlich nach zwei Wochen zu voller Leuchtkraft gelangt ist. Dann wird das Leuchten wieder schwächer bis er alle Sorgen und Ängste aufgelöst hat und für ein paar Tage ganz verschwindet.

Ja aber.... stammelte Felix... wie soll ich meine Sorgen und Ängste in einem Lichtstrahl verpacken und zum Mond schicken ???

Das geht ganz einfach Felix... antwortete die Stimme... Auf deinem Nachttisch liegt eine Taschenlampe. Wenn es Nacht ist und du den Mond sehen kannst, öffne sie und nimm kurz die Batterien heraus.
Überlege gut welche Sorgen und Ängste dir im Moment am meisten zusetzen. Verpacke sie dann einzeln in kleine Portionen die in deiner Taschenlampe Platz finden.
Schiebe sie vorsichtig und gewissenhaft in die leere Taschenlampe um dann ganz schnell die Batterien einzulegen und den Deckel zuzuschrauben.
Nimm die Taschenlampe in beide Hände, atme tief ein und ziele auf den Mond.
Atme dann die ganze Luft die du in deinen Lungen hast vollständig aus und schalte dabei die Taschenlampe ein, damit der Lichtstrahl deine Sorgen und Ängste zum Mond bringen kann.
Du musst die Taschenlampe aber immer mindestens 2 Sekunden lang eingeschaltet lassen, sonst funktioniert es nicht.
Du wirst sehen, dass es dir danach besser geht, deine Sorgen und Ängste viel kleiner werden und du wieder gut schlafen kannst....

Wieso mindestens zwei Sekunden fragte der neugierige Junge ?

Das ist so Felix... antwortete die Stimme. Das Licht bewältigt die etwa 380 000 km zum Mond in ungefähr 1,3 Sekunden. Wenn du sicher gehen willst dass die Sorgen und Ängste die du auf den Weg schickst auch wirklich dort ankommen können halte dich lieber an die 2 Sekunden. Zähle einfach 21....22...dann reicht es.
Wenn du deine Sorgen und Ängste mit einem Auto mit einer Geschwindigkeit von 100km pro Stunde hinfahren könntest würdest du mindestens 158 Tage lange fahren müssen, und wenn du jeden Tag gar 20km zu Fuß in Richtung Mond gehen könntest wärst du erst nach etwa 52 Jahren dort....
.Das ist doch heftig oder ? Du siehst... die Lösung mit dem Licht ist mit 300 000 km pro Sekunde die schnellste und so können auch ganz viele Sorgen und Ängste der Menschen in kurzer Zeit den Mond erreichen.

Und woher kann ich erkennen dass ich meine Sorgen und Ängste noch zum Mond schicken kann und der Mond nicht gerade dabei ist die Sorgen aufzulösen fragte der Junge?

Geduldig antwortete die Stimme...schau Felix... du hast ja gerade das Alphabet gelernt. Schau dir mal das kleine a an. Es hat den runden Bauch auf der linken Seite. Das kleine a steht beim Mond für abnehmen. D.h. wenn der Mond die Sorgen und Ängste auflöst wird er kleiner und nimmt sozusagen ab. Deshalb das a für abnehmend.
Also wenn der runde Bauch am Mond links ist kann er keine Sorgen und Ängste aufnehmen. Wenn der runde Bauch auf der rechten Seite ist wird er mit jedem Lichtstrahl größer und er kann auch deinen Lichtstrahl mit allem Inhalt aufnehmen.
Aber vergiss nicht Felix.... du darfst es niemanden erzählen....
Als die Stimme dann verstummte wusste der Junge, dass er keine Antworten auf weitere Fragen erwarten konnte. Aber.... wozu auch... er hatte eine Lösung für seine Sorgen und Ängste...
und ein Geheimnis das natürlich keines blieb  :-)

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.11.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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