Peter Biastoch

Flohmarkt zu DDR-Zeiten

 
   Nun aber erst einmal vielen herzlichen Dank für Deinen Brief! Ich habe ihn eben noch einmal gelesen und bin bei einem bestimmten Wort hängen geblieben: Flohmarkt! Sicherlich hattest Du, als Du dieses Wort schriebst, nicht die geringste Ahnung, was es bei mir für Erinnerungen auslöst!!! Ja, es war noch tiefste DDR-Zeit. Damals begann auch hier diese Mode Einzug zu halten. Erst hörte man nur von Bekannten davon, dass sie auf einem Trödelmarkt gewesen wären. Und wie sie schwärmten, von all dem seltsamen, schönen und alten Sachen, die da angeboten wurden… Doch, wo man da war? Das war doch so weit weg. Und auch diese Bekannten waren nur durch Zufall dahin geraten. Also wurde dieser Gedanke zwar registriert, aber auf das hinterste Abstellgleis der Erinnerungen geschoben.

   Allerdings gab es zu dieser Zeit noch eine weitere Entwicklung. Besonders hier in den kleineren Städten machten sich die Nebenwirkungen eines gewissen, gesteigerten Konsums und eines Generationswechsels bemerkbar. Es kam zu sogenannten Sperrmüllaktionen. Die städtischen Kommunen stellten Sperrmüllcontainer auf, in die jeder in der entsprechenden Wohngegend seinen Müll entsorgen konnte. Nun wurden diese Container allerdings nicht nur von Leuten aufgesucht, die etwas loswerden wollten, sondern auch von Menschen, mit einem Sinn für Abenteuer und Schatzsuche! Einer von denen war damals selbstverständlich auch ich.

   Und was da alles wieder hervorgezogen wurde. Mach einer spezialisierte sich regelrecht. Da gab es Leute, die sammelten Elektronikschrott – vorrangig alte Fernseher! Man sagte mir damals einmal: „In jedem alten Fernseher findet man für 6 Mark (DDR-Mark!) Silber. Der Rest fliegt wieder auf den Container.“ Auch Kupfer war natürlich ein Thema. Was wurde nicht alles aus den Kupferdrähten gebastelt! Unter anderem Halsketten und anderer Schmuck. Andere suchten speziell nach Edelmetallen in Form von Besteck und Schmuck. Du kannst Dir nicht vorstellen, was wegfliegt, wenn jemanden beim Dachboden aufräumen die „Wegwerfwut“ packt!

   Nun fragst Du Dich vielleicht, worauf ich mich spezialisier hatte? Ich hielt meine Augen ganz allgemein offen und irgendwann merkte ich, dass man da Unmengen von Lumpen mit entsorgte. Da ich ja vom Dorf komme, war mir noch bekannt, dass es bei uns eine Sammelstelle für Sekundärrohstoffe gab. Dort wurde für Gläser, Flaschen, Altmetall und eben auch für Lumpen, so mancher Groschen gezahlt. Also fragte ich sicherheitshalber nach und erhielt die Antwort: Ja, Lumpen nehmen wir. Da gibt es einen Fünfziger fürs Kilo.

   Nun ja, um diesen Teil meiner Erinnerungen kurz zu machen. Als Margitta und ich dieses Lumpensammeln konsequent betrieben, kamen wir einmal sogar auf eine komplette Tonne Lumpen – also 500 Mark! Und so ganz nebenbei fanden wir Kleidung für unsere gesamte Familie denn was da weggeworfen wurde, war nicht alles schlecht, oder unmodern. Es begann sich halt damals auch hier eine gewisse Sättigung einzustellen.

   So nebenbei, um wieder auf die Trödelmarktschiene zu kommen, sammelten sich bei uns in der Garage und im Schuppen diverse andere „Fundstücke“ an. Sachen, an denen ich einfach nicht vorbei kam. Alte Gemälde, alle Arten von Büchern, 1A Plüschtiere, diverses Kinderspielzeug, Kinderwagen und, und, und. Natürlich auch Kleidung in super Erhaltung, die uns leider nicht passte. Vieles war in einem besseren Zustand, als man es heutzutage in einem Secondhand-Shop findet! Und eines Tages kam die alles entscheidende Information: „In Burgstädt wollen sie wieder einen Trödelmarkt machen.“

    Burgstädt – das war mit Trabant und Anhänger erreichbar! Und so beluden wir eines schönen Freitag unseren Trabant samt Anhänger mit all diesen Fundstücken. Auch von unserem Dachboden gab es noch so manches, von dem wir uns trennen wollten – was uns halt immer nur noch zu schade zum einfach Wegwerfen war.

   Wenn Du mich jetzt noch fragst, ob sich das damals überhaupt gelohnt hat, kann ich Dir ganz konkret sagen, dass wir an einem solchen Wochenende – also, wenn wir Samstag und Sonntag unsere Waren angeboten – runde tausend Mark verdienten. Natürlich waren das ein, maximal zwei solche Termine pro Jahr, zu denen wir fuhren. Doch uns reichte das auch. Schließlich hatten wir damals auch noch unsere reguläre Arbeit und das Trödeln war nur Hobby.

   Es gab allerdings noch einen anderen Aspekt, bei dem ich sagen kann, dass es sich gelohnt hat. Und zwar dieses Gefühl, das man bekommt, wenn man so einen Flohmarkt besucht. Dabei ist es egal, ob man nur als Laufkundschaft, einmal schauen geht, oder ob man einen eigenen Stand hat. Es ist dieses unbeschreibliche Gefühl, das „Geschäft seines Lebens“ machen zu können. Oder zumindest etwas zu finden, was sonst niemand anderes hat, oder was man nirgends anders wieder zu sehen bekommen wird… Einfach diese Schatzsuchermentalität auszuleben!

   Schon aus diesem Grund waren wir bei unseren Ständen immer zu Zweit. Einer passte auf den Stand auf und der andere konnte bei den Kollegen spionieren gehen. Gerade bei den echten Sammelartikeln (wir hatten damals viele originale Hannes Hegen – Mosaik) war es wichtig, mit den anderen einen vergleichbaren Preis zu haben. Wer verkauft schon gern unter Wert? Andernfalls, wenn man zu viel verlangt, wird man nichts los. Das ist ja heute kein bisschen anders.

   Es kam bei diesen Trödelmärkten noch ein völlig anderer Gesichtspunkt hinzu. Als Händler etwas „Besonderes“ zu sein. Natürlich sagten viele: „Wenn ich meinen Dachboden ausmiste, kann ich mich auch hierher stellen.“ Aber nicht sie standen hier, sondern wir. Selbst, wenn wir an diesen Tagen nicht wirklich etwas verdient hätten, so wären wir dennoch immer wieder hingegangen – einfach nur, um diese Atmosphäre zu genießen! Ein Gefühl, das uns geblieben ist…
 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Peter Biastoch).
Der Beitrag wurde von Peter Biastoch auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.12.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

Bild von Peter Biastoch

  Peter Biastoch als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Die Hexe von Ameland von Mathias Meyer-Langenhoff



Eine spannende Abenteuergeschichte auf der niederländischen Insel Ameland, in der Kinder die Diebe einer wertvollen Galionsfigur eines alten Walfängerschiffes verfolgen. Für Kinder ab 8.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Erinnerungen" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Peter Biastoch

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

REHA 1 von Peter Biastoch (Erinnerungen)
Der Ort am Rand von Heinz Säring (Erinnerungen)
Vielleicht verlange ich zu viel... von Rüdiger Nazar (Leidenschaft)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen