Manfred Bieschke-Behm

Ein Märchen von einer Tochter namens Zwerg und einem Prinzen



Es gab einmal vor viele, vielen Jahren, lange bevor es Telefon, Computer und Handy gab einen Vater, dessen Behausung nur aus einer Küche und einer kleinen Kammer bestand. Seit er seine geliebte Frau verloren hatte, lebte  er  allein  mit  seiner Tochter Die Tochter trug den Namen Zwerg. Eigentlich hieß seine Tochter Regine. Der Name Zwerg passte aber besser zu ihr. Regine beschloss als Kind nicht mehr zu wachsen. Der Grund hierfür war der Tod ihrer geliebten Mutter. Zunächst war der Vater irritiert darüber dass seine Tochter nicht größer wurde, doch irgendwann machte sich der Vater keine Gedanken mehr darüber, sondern lebte mit seinem „Zwerg“ in völliger Eintracht. Der Vater liebte seine Tochter, so klein wie sie war, über alle Maßen. Mehr als alles andere auf der Welt. Gemeinsam bestritten sie ihren Alltag so gut es ging. Und es ging gut. Vater und Tochter freuten sie sich  über jeden Sonnenstrahl. Und wenn dieser nicht bis hinunter zum „Zwerg“ reichte nahm der Vater seine Tochter auf den Arm. Nun konnten sie gemeinsam ihre Gesichter in die Sonne halten und sich über die wärmenden Strahlen freuen. Wenn die Tochter einen Käfer auf dem Boden krabbelt entdeckte, erzählte sie ihrem Vater haargenau wie dieser aussah und was er gerade tat. Es war nie langweilig in dem bescheidenen Zuhause.
Ungern erinnerte sich der Vater an jenen schrecklichen Abend, als er gedankenverloren auf seinem Schemel saß als plötzlich ein starken Luftzug durch die Stube fegte. Gleichzeitig wurde es taghell in der Behausung. Dann sah der Vater eine hässlich aussehende Hexe auf ihren Besen durch den Raum schweben. Sie kreiste ein paar Mal zunächst um ihn herum, um anschließend genau vor dem Bett der Tochter inne zu halten. Die Tochter, die sich gerade im Tal der Träume befand wachte auf und erstarrte augenblicklich. So sehr hatte sie der Anblick erschrocken. Der Vater war nicht weniger erschrocken. Dennoch versuchte er das was die Hexe seiner Tochter erzählte zu verstehen. Aber die Hexe sprach zu leise, so dass der Vater nicht mitbekam was sie seinem „Zwerg“ zu erzählen hatte.
So schnell die Hexe gekommen war, verschwand sie auch wieder. Die von ihr zurückgelassene Staubwolke war schnell verfolgen und alles schien so wie vorher. Irritiert und innerlich aufgewühlt eilte der Vater zum Bett seiner Tochter. Er wollte unbedingt wissen, ob sich irgendetwas verändert hätte. Erleichtert stellte er, dass es seiner Tochter gut ging und sie den ganzen Vorfall schadlos überstanden hatte. Er konnte sehen, dass sein „Zwerg“ ganz friedlich in seinem Bett lag und schlief.  Zufrieden legte der Vater sich in sein Bett und fiel, genau wie seine Tochter, in einen tiefen, elf Jahre anhaltenden Schlaf.
 
Das Klopfen an der Eingangstür drang nur schwer bis Ohr des Vaters vor. Erst nachdem das Pochen immer lauter und stärker wurde, schreckte der Vater hoch. Er saß aufrecht in seinem Bett und wusste nicht so recht was geschah und was zu tun sein würde. Schwerfällig, weil schlaftrunken, begab er sich zur Tür und öffnete diese. Vor ihm stand ein über alle Maße großzügig ausstaffierter Prinz. Der Vater bat den freundlich dreinblickenden Prinz verlegen und mit Ehrfurcht in seine karge Behausung. Der Prinz blickte sich in der Kate kurz um und entdeckte das Bett in dem die Tochter lag. Der Prinz ging zielgerichtet zum Bett. Der Vater, der noch immer nicht verstand, was hier gerade passierte, blickte den Prinzen erschrocken hinterher.
Der Prinz neigte sich hinunter zum schlafenden „Zwerg“ und küsste ihn sanft auf die Stirn. Gleich darauf schlug die Tochter die Augen auf und entstieg ihrem Bett nicht mehr als „Zwerg“ sondern als eine wunderschöne schlanke, hochgewachsene, strahlend aussehende Prinzessin. Sie trug ein silberglänzendes Gewand und ihr lang gewelltes Haar war geschmückt mit einer diamantenbestückten Silberkrone.
Die Tochter umarmte zunächst den Prinzen und eilte dann zu ihrem Vater, um diesen ebenfalls in ihre Arme zu schließen. Die Umarmung nutze Regine aus, um dem Vater Erklärendes in sein Ohr zu flüstern. Sie sagte: Gut das ich so schlau war dir nicht zu erzählen, was mir die Hexe bei ihrem Besuch gesagt hatte. Heute kann ich es dir verraten. Sie hatte mir gesagt das, wenn ich mich klug verhalten und elf Jahre schweigsam leben würde, wir eine glückliche Zukunft vor uns hätte. Ich versprach der Hexe über die ganzen Jahre nicht zu sprechen und bat für uns beide um einen langjährigen Tiefschlaf.
Der Vater konnte nicht begreifen, was er soeben hörte und erlebte. Ihm war überhaupt nicht bewusst, dass er und seine Tochter so viele Jahre, ohne zwischendurch einmal auf zu wachen, geschlafen hatten. Aber es sah, dass seine Tochter wunderschön aussah und glücklich schien. Und somit war auch der Vater zufrieden und merkte bei aller Freude nicht, dass ihm über die Jahre ein langer weißer Bart gewachsen war.
Der Prinz versprach, bevor er mit Regine die karge Behausung verließ, das er bald wieder käme um auch ihn zu sich und seine Tochter auf das Schloss holen wird.
Als der Vater völlig orientierungslos auf den Boden sah, lag dort ein Zettel. Darauf stand: Zeit ist nicht alles. Warten wird belohnt.
 
 

Märchen
werden wahr
und bestimmt Wirklichkeit
wenn du es willst!
Märchenhaft.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.12.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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