Manfred Bieschke-Behm

Alle Jahre wieder



 „Wenn ich nur das Wort Lametta höre, kräuseln sich bei mir die Nackenhaare“, tönt Michael  seiner Frau Renate entgegen.
                               
„Wie bist du denn drauf?“ – fragt Renate ihren Mann Michael irritiert.
 
„Früher“, antwortet Michael, „früher wurden bei uns zu Hause die bleischweren Lametta Fäden einzeln auf den Baum gehängt. Und am 6. Januar wieder abgenommen. Anschließend wurde das Lametta von meiner Schwester und von mir glatt gestreift und in Zeitungspapier gewickelt. Vorher warf der Vater einen Blick auf das Lametta und achtete darauf das keines, der Lametta Fäden einen Knick oder gar eine Bruchstelle hatten. Ich fand die ganze Prozedur furchtbar. Ich sage dir, einfach fuuuuuuuuuuuuurchtbar! Schreckliche Erinnerungen werden in mir wach. – Nee, brauche ich nicht - will ich nicht – wirklich nicht! Ich möchte kein Lametta am Baum – nicht einen einzelnen Faden möchte ich am Baum hängen sehen.“
 
„Ist ja gut! – Ich habe es verstanden – kein Lametta“ entgegnet ihm seine Frau. „Eigentlich war es meinerseits nur eine Frage, auf die ich ein klares eindeutiges „Ja“ oder „nein“ erwartet hatte. – Ich konnte ja nicht ahnen, dass sich über das Lametta ein so großes Drama entwickelt. – Darf es anstelle von Lametta denn vielleicht Engelshaar sein?“
 
Keine Reaktion.
 
„Hallo – ich habe dich etwas gefragt: Darf es anstelle von Lametta vielleicht Engelshaar sein?“
 
„Gegen Engelshaar habe ich nichts einzuwenden, wenngleich ich das „Zeugs“ nicht gerne anfasse“, war die Antwort von Michael.
 
Renate reagiert sauer: „Du brauchst das „Zeugs“, wie du Engelshaar nennst, ja nicht anfassen – ich kann das Engelshaar auch allein auflegen.“
 
STILLE!
 
„Also auch kein Engelhaar!?“, will Renate wissen.
 
„Wieso auch kein Engelshaar?, antwortet Michael und fährt fort: „Ich habe doch gar nicht gesagt, dass es kein Engelshaar sein darf.“
 
„Na, dann habe ich deine Aussage wohl falsch interpretiert – sorry.“ reagiert Renate schnippisch und wechselt zum nächsten Thema: „Nun zu den Weihnachtskugeln….“.
 
„Wie zu den Weihnachtsbaumkugeln?“, fällt Michael seiner Frau ins Wort.
 
„Na ja“, versucht es Renate vorsichtig, „na ja – wir sollten uns darüber einigen, mit welcher Kugelfarbe wir in diesem Jahr den Baum schmücken wollen.“
 
Michale reagiert etwas aggressiv in dem er sagt: „Die Kugelfarbe mir egal! – Kugeln ja, aber auf keinen Fall Strohsterne.“
 
„Keine Strohsterne?“, fragt Renate nach.
 
„Nee – keine Strohsterne“, beteuert Michael und fügt hinzu: „Strohsterne finde ich albern.“
 
„Wie können Strohsterne denn albern sein?“, fragt Renate und schaut dabei ihren Mann ungläubig an.
 
„Strohsterne sind kitschig und deshalb für mich albern“, erklärt Michaele seiner Frau.
 
„Ach? – und Engelshaar ist nicht kitschig?“, möchte Renate wissen.
 
„Engelshaar ist auf alle Fälle die bessere Variante zum Lametta“, erklärt sich Michael, lässt es sich aber nicht nehmen noch hinzuzufügen: „Im Prinzip aber auch Kitsch“
 
WIEDER STILLE!
 
Jetzt will Renate von Michael wissen, mit welcher Kugelfarbe der Weihnachtsbaum behangen werden soll. Sie fragt: „Wollen wir die goldenen, die silbernen oder die roten Kugeln nehmen?“
 
Michael, inzwischen gereizt, antwortet: „Mir ist die Farbe egal. – Meinetwegen nimm von allen ein paar und dann hat die liebe Seele ruh.“
 
Damit ist Renate nicht einverstanden und teil ihren Unmut mit, in dem sie sagt: .„Einen Weihnachtsbaum, geschmückt mit bunten Kugeln, finde ich doof.“
 
Michael ist kurz vor dem Ausrasten und meint: „Na dann nimmt doch die Farbe, die dir gefällt und dann ist es gut so.“
 
Renate will nicht allein über die Farbe der Kugeln entscheiden und sagt deshalb zu ihrem Mann: „Ich möchte, dass wir uns über die Kugelfarbe einig sind.“
 
„Wenn Du mich fragst, sage ich Dir, dass ich es schön fände, wenn die roten Kugeln am Weihnachtsbaum hängen würden“, war die kompliziert formulierte Antwort von Michael.
 
„Ich hätte aber lieber die goldenen Kugeln“, reagiert Renate kindlich patzig.
 
Jetzt glaubt Michael an seine belastbare Grenze gestoßen zu sein und reagiert entsprechend: „Was fragst du mich, wenn du dich bereits dafür entschieden hast, die goldenen Kugeln zu nehmen?
 
Renate reagiert beleidigt: „Ich habe mich doch gar nicht entschieden. – Ich habe lediglich gesagt, dass ich am liebsten goldene Kugeln an den Baum hängen würde.“
 
Michael ist im Begriff aufzugeben: „Weiß du was? – ich äußere mich jetzt überhaupt nicht mehr. Weder zum Thema Kugeln noch zu den Themen Weihnachtssterne, Lametta und Engelhaar. Am Schluss machst du sowieso das, was du willst. ----- so wie immer.“
 
Jetzt reicht es auch Renate: „Was heißt „so wie immer?“
 
„Wie immer heißt, wie immer“, entgegnet ihr Michael.
 
Renate zeigt sich beleidigt und sagt zu Michael: „Ich habe jetzt gar keine Lust mehr auf Weihnachten – Du hast es wieder einmal geschafft mir die ganze Freude am Weihnachtsbaumschmücken zu nehmen.“
 
Michael ist außer sich und tobt: „Jetzt fängt die Arie wieder an. – Nur weil wir uns in Sachen Weihnachtsbaumschmücken nicht einigen können, würdest du am liebsten Weihnachten abschaffen.“
 
Renate ist über diese Unterstellung empört und reagiert entsprechend: „Wer hat denn gesagt, dass ich Weihnachten abschaffen will? – So ein Blödsinn.“
 
Renate und Michael haben sich für den Moment nichts mehr zu sagen. Tiefes Schweigen beherrscht die Situation. Jeder für sich ist beleidigt und fühlt sich missverstanden.
 
Renate versucht sich abzulenken, indem sie zwei Weihnachtsbaumspitze in den Händen hält, und überlegt, welche Spitze sie dem Baum aufsetzt. Auf keinen Fall will sie Michael bezüglich der Weihnachtsbaumspitzenauswahl ansprechen. Sie vermutet erneut ein „Drama“ herauf zu beschwören. Sie bleibt stumm.
 
Michael indes versucht umständlich die Lichterkette zu entwirren und würde am liebsten sagen: „So ein Durcheinander müsste nicht sein, hättest du beim Baumabputzen im letzten Jahr mehr Sorgfalt walten lassen.“ – aber auch er schweigt. Er hat keine Lust auf eine erneute Diskussion.
 
Während beide so mit sich beschäftigt sind, geht die Stubentür auf und Sohn Mike betritt den „Tatort“. Sein erster Blick richtet sich auf den ungeschmückten Weihnachtsbaum. Gleich darauf sieht er seinen Vater mit der verhedderten Lichterkette hantieren und seine Mutter, wie sie zwei Weihnachtsbaumspitzen gefährlich in den Händen hin und her bewegt.
Irritiert fragt er: „Was ist denn hier los? – Ist was passiert? – Ihr seht nicht gerade aus, als würdet ihr Spaß am schmücken des Weihnachtsbaumes haben.“
 
Renate und Michael schauen sich an und antworten im Chor: Wir sind uns…………..…“.
 
Mike fällt seinen Eltern ins Wort und sagt: „Ihr seit euch – wie alle Jahre wieder - nicht einig, was an den Baum gehangen wird – stimmt´s?“
 
„Ja das stimmt.“ gibt Mutter Renate kleinlaut zu.
 
Vater Michael äußert sich nicht, er ist vergnatzt und würde al Liebsten das Feld räumen.
 
Mit „Ich mache euch einen Vorschlag“, versucht Mike die Situation zu retten und fährt fort: „Was haltet ihr davon, wenn wir in diesem Jahr den gesamten Baumschmuck weglassen und nur die Lichterkette über die Zweige hängen?“
 
Mikes Eltern schauen sich ungläubig an. Sie denken kurz über den Vorschlag nach und nehmen ihn kommentarlos an.
 
Schnell entzerren alle drei die Lichterkette und legen sie gemeinsam über die Zweige des Weihnachtsbaumes.
 
Alle drei stehen vor dem reduziert geschmückten Weihnachtsbaum. Gemeinsam freuen sie sich über die Strahlkraft der Lichter und über den in seiner ganzen Natürlichkeit glänzenden Weihnachtsbaum.
 
Aus dem Nebenzimmer ertönt aus dem Radio das Weihnachtslied „O Tannenbaum, oh Tannenbaum“ und gleich anschließend das Weihnachtslied „Alle Jahre wieder…“
 
Renate, Michael und Mike schauen sich, nachdem der letzte Ton von „Alle Jahre wieder“ verklungen ist, an und fangen an zu lachen.
 
Der Radiosprecher wünscht seinen Zuhörern ein frohes Weihnachtsfest. Vater, Mutter und Sohn halten sich bei den Händen und antworten, als würde es der Radiosprecher hören, mit „Fröhliche Weihnachten“.


******************************
  
O Tannenbaum, o Tannenbaum
 
O Tannenbaum, o Tannenbaum
wie treu sind deine Blätter.
Du grünst nicht nur zur Sommerzeit
nein auch im Winter wenn es schneit.
O Tannenbaum, o Tannenbaum
wie treu sind deine Blätter
 
O Tannenbaum, o Tannenbaum
du kannst mir sehr gefallen.
Wie oft hat mich zur Weihnachtszeit
ein Baum von dir mich hoch erfreut.
O Tannenbaum, o Tannenbaum
Du kannst mir sehr gefallen
 
O Tannenbaum, o Tannenbaum
dein Kleid will mich was lehren.
Die Hoffnung und Beständigkeit
gibt Mut und Kraft zu jeder Zeit.
O Tannenbaum, o Tannenbaum
dein Kleid will mich was lehren.

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 Alle Jahre wieder
 
Alle Jahre wieder
kommt das Christuskind
auf die Erde nieder,
wo wir Menschen sind.
 
Kehrt mit seinem Segen
ein in jedes Haus,
geht auf allen Wegen
mit uns ein und aus.
 
Steht auch mir zur Seite
still und unerkannt,
dass es treu mich leite
an der lieben Hand.
 
Sagt den Menschen allen,
dass ein Vater ist,
dem sie wohl gefallen,
der sie nicht vergisst.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.12.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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