Ernst Dr. Woll

Ein eindrucksvoller Rekord im Biertrinken

Die Tschechoslowakei  bestand von 1918 bis 1939 (CSR) und 1945 bis 1992 (CSSR) und danach entstanden die Tschechische und Slowakische Republik. Diese Staaten standen schon immer in Europa an der Spitze des Pro–Kopfverbrauches beim  Bier, der dort z. Zt. weit mehr als 150 l pro Jahr beträgt. Deutschland nimmt hier in Europa den 2. Platz mit allerdings nur reichlich 100 l ein; hat aber die meisten Brauereien. Vielleicht wollte man nach der Wende Tschechien einholen und gründete vor der Volkskammerwahl 1990 in Rostock eine politische Partei, die „Deutsche Biertrinker Union“, die 900 Mitglieder hatte, sich aber besonders wegen schlechter Wahlergebnisse wieder auflöste.
Welche Bedeutung in unserem Nachbarland das „Biertrinken“ hat und warum die dortigen Rekorde bei uns wahrscheinlich nicht erreicht werden können, erlebte ich beispielhaft schon Mitte der 1960er Jahre. Damals wurden von der CSSR Läuferschweine in die DDR importiert, weil die Maul- und Klauenseuche den Schweinebestand in unserem Lande stark dezimiert hatte. Ich war am Grenzbahnhof Decin bei der Verladung der Läufer auf Fahrzeuge der DDR für die veterinär- und seuchenhygienische Kontrolle eingesetzt. Mit anwesend waren außerdem ein Vertreter des Landwirtschafts- und des Außenministeriums der DDR. Am Rande sei hierzu ein Schildbürgerstreich erwähnt. Wir sollten Devisen sparen und mussten deshalb zum Übernachten täglich zurück nach  Bad Schandau in die DDR fahren. Die Grenzgebühren in CSSR – Kronen für uns und das Fahrzeug betrugen aber ebenso viel, wie die Übernachtungen in Decin gekostet hätten. Unsere Eingabe war erfolglos, das Finanzministerium der DDR blieb bei der gegebenen Anweisung.
Die Verladevorgänge am Bahnhof Decin wurden von Arbeitern aus der CSSR ausgeführt. Wir lernten dort Josef (etwa 50 Jahre alt) kennen, der als „Schweinetreiber“ tätig war – er trieb und leitete die Tiere von den Fahrzeugen über die Waage zu den Warteboxen. Er erschien am Morgen gegen 8,00 Uhr immer pünktlich und hatte eine Einkaufstasche mit zwei 5 l Behältern, die  mit Bier gefüllt waren, bei sich. Bis zum Frühstück gegen 10,00 Uhr hatte er diese Menge Bier verkonsumiert. Er legt sich dann ins Stroh, das für die Boxeneinstreu reichlich vorhanden war, zum Schlafen. Seine Arbeit mussten dann die anderen Angestellten übernehmen. Nach 2 – 3 Stunden wachte er wieder auf und setzte seine Arbeit fort. Er erzählte uns: „Am Abend zu Hause trinke ich noch einmal 10 l Bier. Ich war ehemals Geiger im Prager Sinfonieorchester, aber meine Trinkerei führte zu meiner Entlassung. Man hat mich auch aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen und auch die Frau ist mir weggelaufen. Nun muss ich hier arbeiten, um vor allem Geld für das Bier zu haben. Ich bin deshalb nicht traurig, ich werde euch einmal mit in eine tschechische Gaststätte nehmen und euch dort 5 „Rekordbiertrinker“ vorstellen, die innerhalb von 2 Stunden noch mehr schaffen als ich.“
Wir Drei stimmten zu und erlebten für uns Beispielloses. Am Kneipeneingang begrüßte uns Josef mit einer Geige und spielt nach unserem Empfinden für einen Alkoholiker sehr gut. Nach dieser musikalischen Begrüßung stellte er uns 5 stark beleibte Männer im mittleren Alter mit den Zahlen: 24, 26, 28, 30 und 32 vor. Sie erläuterten, das seien die Anzahl der Gläser Bier (je ½  Liter), die sie in 2 Stunden trinken könnten. Wir setzten uns in die Runde, hatten nicht den Ehrgeiz mitzuhalten, tranken aber auch einige Gläser, weil das tschechische Bier tatsächlich sehr gut schmeckte. Nach der abgelaufenen Zeit stellten wir fest, die 5 Biertrinker hatten die jeweils angegebene Menge geschafft. Wir hatten uns trotz einiger Sprachschwierigkeiten angeregt unterhalten und merkten, dass die Fünf, einer nach dem anderen, zur Toilette ging und nicht wiederkamen. Plötzlich saßen nur noch wir 3 DDR- Bürger am Tisch und der Wirt präsentierte uns die Rechnung. Das Bier war damals in der CSSR nicht teuer, aber es war für uns doch eine kostspielige Vorführung. Josef, der auch mit verschwunden war und den wir am nächsten Tag zur Rede stellten, sagte: „Ihr habt doch der Darbietung und dem Spiel zugestimmt und wer die Musik bestellt,  der muss bezahlen.“
Im Grunde ärgerten wir uns nicht, wir waren um eine Erfahrung reicher.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.12.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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