Karmen Buletinac

Glück fühlt sich anders an

Zusammengerollt liegt sie auf der Couch, draußen regnet es in Strömen. Der Fernseher läuft im Hintergrund, sie sammelt ihre Gedanken, knipst den Fernseher aus und richtet ihren Blick nach draußen. Beobachtet die Regentropfen, die vom Himmel fallen als gäbe es kein morgen mehr. Krampfhaft versucht sie ihre Gedanken zu sortieren. Immer wieder ruft sie sich seine Worte ins Gedächtnis. Süße Worte. Um den Finger wickeln konnte er sie immer gut. Er wusste wann er was zu sagen hatte und wann sie schwach werden würde. So einen Moment hat er wieder einmal erwischt. Sie ärgert sich über sich selbst, ärgert sich darüber seinen Worten wieder einmal so viel Bedeutung geschenkt zu haben. Ihm wieder einmal Glauben geschenkt zu haben. Lernt man denn niemals aus seinen Fehlern?
Einst waren sie ein Traumpaar, von jedem umschwärmt und beneidet für ihre große Liebe und optisch passten sie wie die Faust aufs Auge zusammen. Doch nach und nach bröckelte die Fassade. Immer mehr Streit, immer mehr Auseinandersetzungen, immer mehr Meinungsverschiedenheiten. Er kam immer später von der Arbeit nach Hause, sein Handy klingelte zu den unmöglichsten Zeiten, mitten in der Nacht.. Anrufe, SMS! Meistens ertrug sie es im Stillen, doch wenn sie einmal genug Mut hatte um nachzufragen, wer es denn sei, bekam sie forsche Antworten, oder er strafte sie einfach mit Ignoranz und blieb ihr die Antwort einfach schuldig. Gemeinsame Abende wurden immer seltener, stattdessen standen Lügen und Ausreden an der Tagesordnung. Die wenige gemeinsame Zeit, die ihnen aufgrund ihrer Berufe zur Verfügung stand, verplante er mit seinen Kumpels ohne es mit ihr abzusprechen. Sie kam sich verloren vor. Auf der Strecke geblieben. Kümmerte es ihn denn gar nicht wie es in ihr drinnen aussah? Wusste er, dass etwas in ihr zerbrach? Sie fühlte sich immer kleiner neben ihm, immer einsamer. Jedes Mal wenn sie mit ihm darüber sprechen wollte, wimmelte er sie ab – es sei gerade ein schlechter Zeitpunkt – oh ja, das war er immer! Und je mehr er in seiner Rolle aufging, ging sie neben ihm völlig unter. Ihre Familie und Freunde machten sich immer mehr Sorgen und rieten ihr zur Trennung. Doch daran wollte und konnte sie nicht denken. Sie liebte ihn doch. Sie hoffte dass es einfach nur eine Phase sei, die bestimmt bald überstanden wäre. Und dann wäre alles wieder wie vorher – sie würden zum Alltag zurückkehren – zurück zu ihrer einst so großen Liebe – und alles würde gut werden. Doch stattdessen kam es viel schlimmer. Eines Tages wartete Sie nach der Arbeit auf ihn, freute sich weil sie für ihn gekocht hatte und sehnte sich nach einem harmonischen Abend. Sie wollte ihn überraschen- doch mit einem Schlag wurde sie diejenige die überrascht wurde. Aus dem Vorraum nahm sie  Lärm war und fragte sich was er denn wohl trieb. Für gewöhnlich warf er nur den Mantel ab und zog sich seine Schuhe aus. Was war das für ein  Lärm? Mit Funkeln in den Augen schreitet sie zum Flur und bleibt mit klopfendem Herzen vor ihm stehen als sie ihn sieht. Zwei Koffer! Ohne sie auch nur einmal anzusehen, geht er ins Schlafzimmer und packt seine Sachen. Seine ganzen Sachen! Er zieht aus. Er möchte noch einiges erleben, möchte sich noch nicht fest binden, fühlt sich noch nicht bereit … Sie steht nur wie angewurzelt da und hat das Gefühl im falschen Film zu sein. Was läuft hier ab? Er war derjenige der sie monatelang gedemütigt hat, der sie monatelang belogen und hintergangen hat und sie ist dennoch bei ihm geblieben. Hat ihm bei allen den Rücke gestärkt ohne zu wissen wie es weiter gehen würde und nun ist es ER der geht. Tränen schießen ihr in die Augen – sie kann es nicht fassen was hier gerade geschieht. Wer ist dieser Mensch? Sie erkennt ihn kaum wieder. Ihre Tränen und ihre Verzweiflung scheinen ihn völlig kalt zu lassen. Sie fleht ihn an, die Tränen werden immer mehr, sie zittert am ganzen Körper, ist nicht mehr Herr ihrer Lage. Er wirft ihr nur einen kurzen Blick zu und widmet sich dann wieder dem Packen. Wie eiskalt kann man sein? Sie erträgt den Anblick nicht, nimmt ihren Autoschlüssel und fährt. In der Hoffnung wenn sie später wieder kommt, dass er sich beruhigt und zur Vernunft gekommen ist. .. Nach einer stundenlangen Irrfahrt durch die Gegend kehrt sie in eine halb leergeräumte Wohnung. Alles weg, Schuhe, Kleidung, Kosmetiksachen, .. aber alle gemeinsamen Fotos, alle gemeinsamen Erinnerungen hat er da gelassen. Es macht den Anschein als hätte er längst mit ihr und der Beziehung abgeschlossen. Sie lässt sich zu Boden fallen und versteckt ihr Gesicht in ihren Händen. Sie weint wie ein kleines Kind. Bitterlich! Und genauso fühlt sie sich auch.
Die Zeit nach der Trennung war die furchtbarste in ihrem Leben. Sie ging nur kaum raus, vernachlässigte Arbeit, Familie und Freunde. Essen und Schlafen wurden zu einer Qual und sie wurde immer magerer. Reden konnte und wollte sie mit niemand weil sie sich einfach unverstanden fühlte – von jedem! Der einzige Mensch mit dem sie reden wollte war er, aber auf ihre zahlreichen Anrufe und SMS reagierte er nicht. Das Telefon blieb stumm. … so ging das über Monate. Langsam raffte sie sich auf, beschloss nach vorne zu sehen, tankte neue Kraft und Energie und beschloss ihr Leben in die Hand zu nehmen. Er war stets in ihren Gedanken, aber sie wusste, er hat ihr so viel Leid zugefügt – um das zu wieder zu flicken – dafür reicht ein Leben nicht mehr aus. Innerlich hatte sie sich längst von ihm und einer gemeinsamen Zukunft mit ihm verabschiedet. Bis zu diesem einen besagten Tag. Ihr Handy piepst während der Arbeit, sie schenkt ihm keine Beachtung weil sie alle Hände voll zu tun hat. Doch dann wird sie doch neugierig. Wer könnte ihr schreiben? Jetzt? .. eine SMS von ihm!!! Ihr Mund bleibt offen, ihre Hände zittern, sie  liest die Nachricht immer und immer wieder – kann es nicht fassen! Es ist ein neutrales SMS und dennoch reißt es ihr den Boden unter den Füßen weg: „Ich muss dich sehen, Do um 18 Uhr in unserem Café“. Sie kann ihre eigenen Gefühle nicht deuten. Sie würde am liebsten weinen und gleichzeitig lachen. Was möchte er? Vor allem – was will er JETZT? Nach all der Zeit? Sie hat gelitten wie ein Hund. Hat versucht sich mit ihm auszusprechen, hat versucht Kontakt zu ihm aufzunehmen – aber außer Ignoranz kam nichts. Rein gar nichts. Und nun das? Eine ganze Nacht denkt sie über seine Nachricht nach und sagt ihm dann zu. Sie ist gespannt was er will. Was gibt es nach der langen Zeit noch zu bereden?
Nervös sitzt sie im Café und fährt sich mit den Händen durch die Haare. Gleich müsste er da sein. Vorfreude und Angstvermischen sich. Doch dann entdeckt sie ihn. Er kommt lächelnd auf sie zu, gibt ihr ein Begrüßungsküsschen auf die Wange und setzt sich ihr gegenüber. Ihre Hände sind feucht, sie zittert – versucht es aber zu überspielen. Sie will nach außen stark wirken. Möchte ihm nicht zeigen, wie sehr er sie aus der Fassung bringt. Möchte sich auch nicht anmerken lassen, wie schrecklich die letzten Monate für sie waren. Er sieht schrecklich aus. Hat auch abgenommen, er sieht mitgenommen aus.. in seinem Gesicht steht pure Traurigkeit. Sie fängt an zu reden, doch er unterbricht sie. Er kommt gleich zum Punkt. Er vermisst sie, jeden Tag. Er hat jetzt erst gemerkt, dass sie die Liebe seines Lebens war, er war ein Idiot, weiß auch nicht was er vom Leben wollte. Er bereut so vieles so sehr.. langsam nimmt er ihre Hand, und sieht ihr tief in die Augen… ein paar nette Worte hier, ein paar nette Worte da .. er weiß genau wie er was wann sagen muss. Plötzlich vergisst sie all den Kummer und all das Leid welches er ihr zugefügt hat. Sie hat sich mit ihrer Familie und ihren Freunden wegen ihm zerstritten, hat ihre Arbeit riskiert, hat ihre Gesundheit aufs Spiel gesetzt… sie hat gelitten wie ein Hund und doch ist das alles nun ganz ganz weit. Sie genießt einfach den Moment. Sie beschließt ihm eine weitere Chance zu geben, hat Angst sich das irgendwann einmal vorzuhalten wenn sie es nicht täte. Jeder verdient doch eine zweite Chance oder nicht? Sie einigen sich auf ein langsames Herantasten. Wieder neu kennen lernen, langsam angehen. Sie erzählen beide keinem etwas davon bis sie endgültig wissen, wie es nun mit ihnen weiter geht. Sie sehen sich regelmäßig. In ihrer alten gemeinsamen Wohnung geht er wieder wie selbstverständlich ein und aus. Sie verbringen glückliche Momente, schöne gemeinsame Stunden. Und sie ist froh, diesen Schritt gegangen zu sein – denkt sie. Doch nach nicht einmal einem Monat, merkt sie, dass dieser Mensch der sie damals verlassen hat – immer noch in ihm schlummert. Er ist ein Egoist geworden, der sich selbst mehr liebt als alles und jeden andere auf dieser Welt. Er ist selbstverliebt und stellt sich über alles und jeden. Er behandelt Menschen schlecht um sich selbst besser zu fühlen und er behandelt sie wie  Dreck – Gott weiß warum?! Schon nach kurzer Zeit sind sie wieder da die alltäglichen Reiberein. Er meldet sich immer seltener, sagt ihr nicht wo er seine Zeit verbringt und auch nicht mit wem. Hält Versprechen immer seltener ein – alte Muster kommen hoch! Und da ist es wieder – das Gefühl der Demütigung!
Sie fühlt sich wieder klein. Seit drei Tagen wartet sie nun schon wieder auf ein Lebenszeichen von ihm. Heute ist Montag. Das ganze Wochenende hat er sich nicht gemeldet. Auf ihre Anrufe und Nachrichten reagiert er wieder einmal nicht. Tausend Gedanken schießen ihr durch den Kopf. Und da – der erlösende Anruf. Mit zitternden Fingern drückt sie den grünen Knopf. Er klingt heiter und munter. Was sie so mache, wie das Wochenende war, er war im Stress, hätte keine Zeit gefunden sich zu melden, außerdem hat er nicht dran GEDACHT… diese Worte hallen so sehr in ihren Ohren – dass es weh tut. Und plötzlich legt sich ein Schalter um. Hat er tatsächlich gerade gesagt, er hat das ganze Wochenende nicht daran GEDACHT sich bei ihr zu melden? .. Sie muss laut lachen. Er fragt was los sei .. und plötzlich fasst sie einen Entschluss. AUS – es ist VORBEI. Und diesmal ist sie diejenige die die Zügel in der Hand hat. So möchte sie auf keinen Fall weiter machen und ihr wird bewusst, dass sich Menschen nun einmal nicht so schnell ändern. Er hat seine Muster, und diese werden immer wieder hoch kommen. Traurig stellt sie fest, dass er niemals der Mann sein wird, der sie glücklich machen wird – so sehr sie sich das auch wünscht. Es bleibt eine Wunschvorstellung. Noch immer hält sie das Handy in der Hand.. er wartet auf eine Antwort, während sie fest entschlossen ist, ihm diesmal die Stirn zu bieten. Er wird ihr nicht mehr weh tun. Sie hat es verdient geliebt zu werden. Ganz oder gar nicht. Und er ist einfach nicht in der Lage seine Chance zu nutzen. Mit einem weinenden und einem lächelnden Auge, teilt sie ihm ihren Entschluss mit. Das was sie einst wegen ihm durchgemacht hatte, das darf sich auf keinen Fall wiederholen. Er hat sie zerstört – zerbrochen!  Mit dem Satz „Du hattest deine Chance, aber du warst unfähig sie zu nutzen. Jetzt tut es MIR leid, aber GLÜCK FÜHLT SICH ANDERS AN“, beendet sie das Telefonat.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.12.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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