Elke Müller

Geliebtes fernes Land AMERIKA

Der Sommer verflog und der Herbst brachte schreckliche Tage mit Schnee und Regen. Die Nächte sind blaugrau, ohne Mondschein, der nur als eine schmale Sichel am Himmel hängt, jedoch voller Sternengefunkel. Ein kalter eisiger Hauch des Windes liegt in der Luft. Eigentlich nichts besonderes in dieser rauen Gegend. Cowboys trieben jetzt das Vieh von den Bergweiden zusammen und kamen mit Jägern und Ansiedler herunter zur Handelsstadion, um die Zeit mit Tanzen, Scherzen, Handeln und Tratschen zu verbringen. Natürlich blieben Heiratsanträge an Ashley nicht aus. Doch sie lehnte jedes mal lachend ab. Hungrige Raubtiere trieben sich, fast täglich, nach einer Beute suchend, in der Nähe des Farmhauses herum. Großmutter war darum in großer Sorge. Man entwarf einen Plan, wie die anfallende Arbeit verrichtet werden sollte. Heika und Abigail blieben jetzt tagelang verschwunden. Nur an den Zuwachs von Fellen, wie Wolf und Vielfrass zeugten von ihren Jagdglück. Ebenfalls hatte die Wanderung der Elche begonnen und die Indianer folgten ihnen in die Berge. Ashley hatte sich dem Haus und seine Sitten schnell angepasst, lernte in kurzer Zeit am offenen Feuer zu kochen und Brot zu backen und wusste mit den verschiedenen Kräuter umzugehen. Auch nahm sie jetzt nicht nur das Augenfällige, sondern auch das Verborgene war. Sie widmete sich wie versprochen, liebevoll ihren Wolfshund, wobei ihr Heika erst widerwillig, dann doch öfter half. Einen Namen für ihn suchten sie gemeinsam aus, der auf Splinter fiel. Er war ein Prachtkerl geworden und sah wirklich gut aus, wenn er dasaß und alle die kamen schwanzwedelnd, mit gespitzten Ohren, die Schnauze zu einem Lachen verzogen empfing. Hunde waren gefragt und standen hoch im Kurs. Man hätte sicher nie die geringste Schwierigkeit gehabt, ihn zu verkaufen. Aber Splinter lies sich auch mit Lockungen nicht überlisten, er hatte einen Instinkt, der ihn mit unheimlicher Sicherheit eingab, wann er was zu tun hatte. Konnte sich geschickt verdrücken und tauchte zum rechten Zeitpunkt wieder auf, denn er liebte es nicht ständig bedrängt zu werden. Er war ein ruheloses Tier, schnüffelte oder streifte immer geschäftigt in der Gegend umher, dabei fürchtete er sich vor nichts, was auf vier Beinen lief. Im Raufen war er der Größte, immer stand er ungeschlagen auf allen vier Pfoten, dafür gab es ständig Hunde, die frische Spuren seiner Zähne trugen. Die Monate vergingen. Es wurde Frühling. Langsam setzte die Schneeschmelze ein. Die Sonne gewann immer mehr an Kraft und schien schon recht warm, doch mit Nachtfrösten musste man noch rechnen. Trotzdem erwachte die Natur vollends aus ihren Winterschlaf und entfaltete all seine Pracht. Ashley erlernte mit Hilfe und unendlicher Geduld von Heika, welcher alles erklärte, als sei sie noch ein Kind, das Reiten, mit und ohne Sattel. Bekam durch drängeln Unterricht im Umgang mit Pfeil und Bogen. Welches sich in der Praxis zeigte, was so leicht aussah, doch recht anstrengend war. Auch in der Kunst des Feueranzündens bei strömenden Regen und mit völlig durchweichten Brennmarterial wurde ihr von den Frauen gezeigt. Am liebsten aber beobachtete sie die Wildpferde, oder betrachtete verstohlen Heika. Schon etwas neidisch war sie auf seine blauschwarzen Haare, den edlen Bronzeton seiner Haut, sowie den schwarzen kühnen Augen, welche scharf wie ein Schwert, lebhaft und stolz funkelten. Er war rege, gewandt und intelligent, besaß einen starken Willen, Anmut und Kühnheit. Was die Pferde anging wusste er über dessen Zucht und das Zureiten mehr als alle anderen und mit Begeisterung reitet er jedes Pferd. Ein gefangener Rotfuchshengst, mit weißen langen Gamaschen, schien ihm unter den Mustangs besonderst zu gefallen. Ein wirklicher Prachtkerl, mit einer tadellosen Verfassung, das Fell flammte bei jeder Bewegung in der Sonne wie ein Geschmeide auf, wobei die lange Mähne noch dessen stolze Erscheinung unterstrich.Er versuchte störrisch immer wieder auszubrechen. Er bäumte sich auf, lief einige schritte auf der Hinterhand, wirbelte plötzlich blitzschnell herum und preschte dann querfeldein davon. Oder begann zu stampfen und zu tänzeln wobei viel Anmut und Grazie in seinen Bewegungen lag. Das Tier verdankte wahrscheinlich aus einer langen Ahnenreihe diese Vorzüge. Trotzdem war der Mustang voller Unarten und Streiche, heimtückisch und gefährlich. In den Bergen aufgewachsen, besaß er die Eigenschaft bergsicher wie eine Wildziege zu klettern und jeden schmalen Pfad zu überwinden. Jeder Häscher hatte er damit zur reinsten Verzweiflung gebracht die ihn gerne habhaft werden wollten. Als ein wilder widerspenstiger Kobold machte er Heika mit all seinem Repertoire bekannt. Sein Feuer und seine Intelligenz, verbunden mit einer außergewöhnlicher Schalkhaftigkeit, machten ihn zu dem was er war. So das sein Reiter all seine Kenntnisse und Erfahrungen aufbieten musste. Ihn zu zähmen erforderte eine starke Hand. Ashley schaute diesem Treiben mit Begeisterung zu und verwundert fragte sie sich, was wohl der Grund sei, das Heika noch kein Mädchen sein Eigen nannte. Denn die Anmut der Frauen ist bewundernswert, sie tragen immer ein Lächeln in ihren weichen Zügen. Sind still, bescheiden und schön, wie die Wildnis. Stellen geschickt Federschmuck, Flechtwerk und Webartikel her. Und doch sah sie die verstohlenen, schmachteten und entzückenden Blicke die auf ihn ruhten, sobald er irgendwo auftauchte und so mancher Häuptling hätte ihm sicher seine Tochter zur Frau geboten, denn jede Mutter wäre stolz auf so einen Schwiegersohn gewesen.

Ashley erledigt alle anfallende Arbeiten ohne Einwand und es blieb trotzdem genügend Zeit sich in der Gegend umzusehen. Gern lauschte sie noch barfuß, morgens im Garten, den Gesang der Vögel. Öfter ging sie dann in Bekleidung von Splinter, allein aus, um die Wälder zu durchstreifen, wo sie Bären begegnete oder mal ein Rudel Wölfe von ihren Fressplatz vertrieb. Sie liebte es neue Einblicke in der Arcana ( Geheimnisse ) der Natur zu gewinnen. Dadurch lernte sie das Land kennen und fand, es sei doch trotz Staub, Trockenheit, Schmutz und Elend, trotz herzloser Menschen und protzender Reichtum, etwas ganz anderes, als damals bei ihnen zu Hause. Einen neuen Lieblingsplatz unten am Fluss hatte sie schon gefunden, einen sonnigen Felsvorsprung, gut geschützt vor neugierigen Blicken. Dort konnte sie sich ungezwungen bewegen, ihre Gedanken schweifen lassen. Oft schaute sie auf dem Rücken liegend, den ziehenden Wolken nach, oder beobachtete die Fischotter beim Fische jagen oder ihrem Liebesspiel. Der Tag war heiß und die Sonnenstrahlen brachen sich auf dem Wasser und luden zum baden ein. Ashley schaute sich um, schlüpfte aus den Kleidern, watete ins kalte klare Wasser. Splinter hockte eine Weile am Ufer, trottete aber bald davon. Sie paddelte eine Weile umher, bis ihr kalt wurde. Doch … ein schmutziges, zerlumptes, verwahrlostes Etwas, dessen Gesicht wüste Ausschweifungen verriet, die Haare in fettigen Strähnen herunter fielen, hockte neben ihrer Wäsche. Eine geschundene Kreatur von Pferd, stand mit gesenkten Kopf hinter ihm.Die Augen des Mannes funkelten lüstern. Er griff mit beiden Händen nach einem ihrer Kleidungsstücke. „ Na, willst du nicht heraus kommen und es dir holen?“, fragte er. Dabei schaute er sie mit seinem aufgedunstetem Gesicht und mit einem unerträglichen Alkoholgeruch dreist an. „ Komm hole es dir, wenn du dich traust.“ „ Hau bloß ab, verschwinde,“ zischte Ashley. „ Ah, ha,ha, eine kleine Aufmüpfige, solche mag ich besonderst … dann macht es doppelt soviel Spaß … Gib mir ein paar Dollars, hab einen trockenen Hals ...oder ich verkaufe diese feinen hübschen Sachen. Dafür, … wird so mancher sich nicht lumpen lassen, die Wäsche zu erhalten. Kann mir danach auch meinen Schnaps kaufen.“ Der Mann lachte heiser. Ein plötzlicher Hustenanfall schüttelte seinen mageren Körper, trotzdem fing er an, langsam sein Hemd und Hose auszuziehen. „ Ich werde hier alles zusammen schreien,“ erwiderte sie. „ Na und, tu es doch, keiner wird dich hier hören oder zu Hilfe kommen. Ihr seid doch gewiss nicht so dumm, das zu glauben, was ich sage.“ „ Ha, dass glaube ich jetzt nicht,“ dachte Ashley, nahm zwei Finger in den Mund und ein Pfiff erklang. Noch immer lächelte der Fremde. Bis ein klägliches Heulen ertönte und der Mann inne hielt. Er drehte sich um. Geduckt, die Zähne fletschend, mit gesträubtem Fell stand Splinter plötzlich neben ihm. Der Augenblick war günstig, ohne nachzudenken rannte Ashley aus dem Wasser, erwischte gerade noch dabei ihr Hemd und Hose, schwang sich auf den ungesattelten Klepper von Pferd und galoppierte davon. Sie hörte noch ein Fluchen, dann ein Aufschrei, drehte sich aber nicht um. Sie wusste auch so was kommen würde. Splinter sah nicht nur einem Wolf ähnlich, auch dessen vererbte Geduld war furchtbar. So kam er näher und näher, sobald sich der Mann vorsichtig von ihm entfernte. Mehrere Angriffe des Grauen erfolgten. Der Mann setzte all seine Kräfte ein und kämpfte trotz den vielen erhaltenen Bisswunden. Plötzlich verschwand Splinter, um wenig später auf einem Felsvorsprung über seiner Beute auf zu tauchen. Er beobachtete das Wesen unter sich und sprang in einem günstigen Moment auf ihn herab. Dann begann ein tragischer Existenzkampf, denn jeder trachtete nach dem Leben des anderen. Beide rollten dabei eine Weile im Sand umher, der Mann hielt den Hund dabei umschlungen, der knurrte, biss und sich sträubte. Doch die Kräfte des Fremden reichten nicht aus, um das Tier zu erwürgen. Die Fangzähne von Splinter schlossen sich immer dichter an der Kehle seines Opfers. Nach weiteren fünf Minuten war alles vorbei, etwas warmes rieselte durch Splinters Kehle und er lies los. Eine Weile blieb er noch schwer hechelnd sitzen und heulte dann seinen Siegesruf. Danach wandte er sich um und trottete den Pfad zum Wald entgegen.

Ashley zügelte das Pferd nach einer Weile, sprang ab, zog sich eilig Hose und Hemd über, gab dann weiterhin Fersengeld. Dabei achtete sie nicht auf den Weg und übersah den Steilhang. Das Pferd kam ins straucheln, stürzte den Abhang hinunter und begrub Ashley unter sich. Sie hörte ein knacken von Knochen. Das Pferd kam wieder auf die Beine, doch sie blieb liegen. Jede kleinste Bewegung verursachte ihr unerträgliche Schmerzen. Sie lag regungslos auf dem Rücken, verlor für eine kurze Zeit das Bewusstsein, bis eine raue feuchte Zunge, wie Sandpapier über ihre Wange fuhr. Splinter jaulte und versuchte mit seiner Schnauze sie zum aufstehen zu bewegen. Sie graulte unter großer Mühe mit einer Hand dessen Kopf und leise, ohne die Augen zu öffnen, sprach sie auf ihn ein. „ Lauf nach Hause, hörst du … hol Hilfe … schnell … beeile dich …." Splinter wusste nicht recht was er tun sollte und lief hin und her. Doch dann schien er zu verstehen und rannte los. Eine schier Unendlichkeit verging. Ashley zwang sich erneut die Augen zu öffnen. Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Jemand kniete neben ihr. Mit einer Hand stützte er sich auf einen kurzen Bogen aus Nussholz. Eine Stimme drang an ihr Ohr. „ … Geier kreisten am Himmel und zeigten mir den Weg. Viel später hätte ich nicht kommen dürfen. Ich werde dir helfen.“ Jetzt stand er auf. Sie sah blauschwarzes langes Haar, welches über die Schulter reichte. Er war fast nackt, trug nur einen leichten Überwurf aus Hirschleder um seine Schultern und hatte einen wunderbaren Körperbau. Er sah sich um, hob eine Axt vom Boden auf. Die Welt um Ashley begann sich erneut im Kreis zu drehen, alles versank in schwarzer Dunkelheit. Als sachte Finger sie berührten, hörte sie wieder die gleiche Stimme wie vorhin. Er beugte sich vor und hob sie hoch. Bei dieser Bewegung durchzuckte sie ein erneuter Schmerz. Vorsichtig legte er sie, aus zwei jungen schlanken Baumstämmen gefertigte, mit dünnen Ästen eine weiche Lagerstatt, bereitete Trage. Deckte sie mit seinem Überwurf zu. „ Einige Rippen sind gebrochen. Habe einen Verband umgelegt, er sollte halten … es wird einige Zeit dauern, bis alles wieder in Ordnung ist. … Ich glaube, durch Schmerzen merkt man erst, das man lebendig ist. Für etwas zu leiden bedeutet, dass einem Dinge nicht gleichgültig sind.“ „ … Splinter … wo ist er?“ fragte sie matt. „ Der Hund? … Er lief mir mit Schaum vor der Schnauze über den Weg, dachte schon ein tollwütiger Wolf wäre es und hätte beinah auf ihn angelegt. Zum Glück trug er ein Halsband. Er war total ausgepumpt, musste lang gerannt sein. Er lief immer ein Stück vor, drehte sich dann nach mir um. So wusste ich, das etwas nicht stimmte und folgte ihm. Als ich die Geier bemerkte rannte ich auf die Stelle zu, wo ich dich fand.“ Noch während er redete, schwang er sein Gewehr sowohl die scharfe glänzende Axt und Bogen auf seinen Rücken, legte ein Lasso schräg über Brust und Schulter, fasste mit je einer Hand rücklings nach den Stangen, hob diese gleichzeitig auf und zog die Trage hinter sich her. Oberhalb der Baumgrenze befand sich nur ein Chaos von nackten Gestein und riesigen Felsblöcken, dazwischen Krüppelkieferansammlungen, hier gab es einen relativ guten Weg. Heika stolperte und strauchelte häufig, rutschte teilweise wieder ein Stück zurückgelegten Weg bergab und fand sich unmittelbar am Rande einer Felswand oder eines Steilhangs wieder. Seine Füße waren zerschunden und bluten, trotzdem legte er keine Rast ein.Er lief und kämpfte sich Stunde um Stunde weiter voran. Er war müde, aber der wunderbare Körpermechanismus, der ihm eigen war, trieb ihn ständig unbarmherzig weiter. Der Tag neigte sich dem Ende zu, die Sonne versank langsam hinter einem Hügel, wobei der ganze Himmel erglühte. Die Dunkelheit kommt ganz plötzlich und es ist nicht ratsam in der Dunkelheit weiter zu laufen. Dann kommen die Tiere heraus, vor allem die Schlangen. So lies er die Trage vorsichtig sinken und späte nach wohlbekannten Zeichen, die einen Platz verrieten, an dem Wasser und Brennholz zu finden waren. Nahm dann seine Last wieder auf, um noch vor Einbruch der Nacht bei einer geeigneten Stelle das Nachtlager aufzuschlagen. „ Werde etwas trockenes Holz und Moos für ein Feuer sammeln. Mal sehen, ob ich auch etwas fürs Abendessen auftreiben kann.“ Er nahm sein Gewehr und verschwand leise im Gebüsch. Ashley konnte nichts weiter tun als still zu liegen und zu warten. Splinter leistete ihr dabei Gesellschaft. Mit dürren, trockenem Treibholz und einer erlegten Wildgans kam er zurück. Während er das Wasser mit einem kleinen Lederbecher schöpfte, beobachtete er aufmerksam die Umgebung. Das Feuer war schnell gemacht, als ein leises Knurren Splinter abgab. Ein kurzer abwägender Blick aus Heikas Augen, dann wendet er sich dem Feuer zu und bläst in die knisternde Glut. Der Feuerschein huschte flackernd über ihn hinweg und zaubert in seinen Augen silberne Lichter. Plötzlich stand er auf. „ Ich möchte gerne baden.“ „ Besteht nicht irgend eine Gefahr, jetzt in der Dunkelheit?“ fragte Ashley erstaunt. „ Nein, bis vielleicht auf manche Schlange.“ Er zog sich aus. Die Nacktheit ist bei ihnen eine Selbstverständlichkeit. Sie hatte ihn noch nie ganz nackt gesehen und beobachtete ihn heimlich verstohlen. Er war schlank, eine Katze an Kraft seiner Muskeln, sein Gang war mühelos, alle Muskeln seines Körpers bis zu den Schultern schienen sich zu bewegen. Er Sprang ins Wasser, ein paar mal tauchte er unter, schwamm dann aber mit kräftigen Zügen einer schwimmenden Insel entgegen. Ein Plätschern war zu hören, dann blitzte etwas kurz im Mondschein auf. Ohne irgend einen Laut zu hinterlassen, verschwand die Insel plötzlich. Eine Weile genoss Heika noch das angenehme Nass, entstieg diesem dann. Er bückte sich, um seine Kleider aufzuheben. Zog seine Hose an und griff zu ein Stück Holz, warf es in die Glut um das Feuer weiter am Leben zu erhalten. Nahm die Gans auf und rupfte die Federn ab, nahm sie aus, spießte sie auf einen Ast und legte dies über zwei Astgabeln welche er vorher in den Boden gerammt hatte. Die Flammen leckten gierig das tropfende Fett auf. Heika sagte nichts. Er wendete das Fleisch stetig und gab dem Feuer öfter Nahrung. Als die Mahlzeit fertig war, half er Ashley sich vorsichtig auf zu richten. Schweigend, mit Heißhunger verschlang man das Fleisch. Splinter rollte sich danach satt und zufrieden zu einem Pelzball zusammen und schlief. Das Feuer brannte langsam herunter. Ashley versuchte ebenfalls zu schlafen. Heika rupfte etwas dürres Gras ab, schob es unter den Rücken und schlief, dagegen wie eine Katze unruhig, die sich stets von Gefahren umgeben wissend, immer auf einen plötzlichen Zwischenfall gefasst macht. Splinter war unruhig aufgestanden und legte sich wieder nieder, hielt aber den Kopf empor gerichtete, lauschend bewegte er die Ohren nach alle Richtungen, antwortete auf die fremden Geräusche mit einem bedrohenden Knurren. Der bleiche Mond schickte derweil sein mattes Licht über die undeutlichen Umrisse der Umgebung. Ein plötzlich langes klägliches Winseln des Hundes zeigte ein drohendes Unheil an. Er hat eine Gestalt bemerkt. Heika nahm sein Gewehr auf, ging in die Ebene hinaus und schritt offenbar ziellos umher. Splinter folgte ihm. Mehrere Minuten vergingen bis ein kurzes bellen des Hundes seinen Blick in eine neue Richtung lenkte, wo er allmählich erkannte, vor wem Splinter sie warnen wollte. Dieser kroch jetzt wie ein sprungbereiter Panther auf eine menschliche Gestalt zu. Heika schätzte die Entfernung ab, dann hob er sein Gewehr. Zitternde Hände legten sich plötzlich um seinen Arm.“ „ Nein, warte. Es könnte doch ein Jäger sein, oder jemand der sich verirrt hat!“ sagte eine bekannte Mädchenstimme. Die scharfen Augen des Sioux warfen einen prüfenden Blick auf die kräftige und zugleich geschmeidige Gestalt des jungen Mannes, der sorglos und nicht ohne Anmut auf seiner Büchse lehnte. Er rief Splinter zurück und winkte den Fremden näher zu kommen. Dieser starrte wie gebannt Ashley an. „ Schönen Abend auch! Vielen Dank, das ich mich bei euch aufwärmen darf. Die Nächte sind recht kühl hier draußen. … Lars, Lars Smith heiß ich, komme von ...“ „ Sst!“ sagte Heika auf einmal und ergriff Ashleys Arm. „ Hört ihr nichts?“ Alle lauschten gespannt. „ Schnell, geht in Deckung! Wir bekommen gleich wüste Gesellschaft!“ sagte Heika. Alle verbargen sich geschickt im hohen Gras. Im nächsten Augenblick raste eine Schar wilder Reiter geräuschlos wie Gespenster an ihnen vorbei. Langsam hob Heika seinen Kopf, während er den anderen ein Zeichen gab, still liegen zu bleiben. Die kleine Gruppe von Indianern machte halt, einige stiegen ab, andere zerstreuten sich oder hielten eine Beratung ab. Der junge Bursche zog sachte sein Gewehr hervor und machte sich Schuss bereit. Aber da fühlte er eine raue Hand auf seiner Schulter. Er sah empor und in das dunkle wilde Antlitz eines Kriegers, welcher auf ihn nieder blickte. Trotz der Überraschung sprang er blitzschnell auf die Füße und packte seinen Gegner an der Kehle. Er würgte ihn mit aller Kraft, doch Heika umschlang den jungen Mann und riss ihn zurück. Ein böser Blick schoss aus Lars Augen. Sogleich waren sie von einem Dutzend roter Teufel umgeben und es blieb ihnen nichts übrig als sich zu ergeben. Ein großes Freudengeheul erhob sich. Man beraubte der Gefangenen all ihrer Habseligkeiten, fesselte sie fest und schmerzhaft mit Riemen aus Bisonhäuten. Sie wurden gut bewacht von mehreren jungen Kriegern. Nur Ashley hatte man ihre Freiheit gelassen, weil keine Bedrohung von ihr zu befürchten war. Sie hatte sich den Lederüberwurf von Heika um die Schultern gelegt und saß mit schmerzerfüllten Augen auf einem einfachen mit duftenden Kräutern und Fellen bedeckten Lager, wartete mit einem versteckt gezogenem Messer in der Hand, auf eine günstige Gelegenheit. Das Feuer wurde wieder zum lodern gebracht. Eine Beratung abgehalten. Der Anführer der jungen Wilden warf Heika, der an einem Baum gebunden stand, einen Blick unversöhnlicher Feindschaft zu und schlich sich davon. Ein anderer junger hochgewachsener halbnackter Krieger ging auf Smith zu, mit einem schnellen Schnitt seines Messers löste er dessen Fesseln. „ Unser weißer Freund hat sein Wort gehalten. Seine List hatte Erfolg. Die schöne wilde Bergblume ist in unserer Hand. Dazu noch ein besonderes Geschenk. Dieser Schakal von Le Cerf Agile, der etliche Männer unseres Stammes getötet, nun endlich gefangen ist. Unser Dank wird natürlich dementsprechend hoch sein. Die Alten werden ein Loblied über dich singen und manche schöne Häuptlingstochter deine Braut. Smith lächelte breit. „ Mein roter Freund Asinus vom Stamme der Irokesen beehrt mich, doch wo bleibt seine Zusage!“ Auf ein Zeichen des Kriegers, wurden all seine Waffen herbei geschafft. Er wies dann auf ein errichtetes Zelt. „ Möge sich mein weißer Bruder dort ausruhen, bis unser Anführer zurück ist. Auch die Bergblume wird dort sein.“ danach begab sich der Krieger langsam zu Heika, baute sich breitbeinig vor ihm auf. Heika blickte in die Ferne und kümmerte sich nicht um ihn. „ Unser Anführer ist aufgebrochen um den hohen Rat zu berichten, was für ein Sieg uns heute gelungen ist. Die Botschaft wird überall mit Freuden aufgenommen werden. Sehr bald wirst du wie ein Hund im Dreck liegen und winseln.“ Schweigen. „ Dein Hochmut wird verfliegen wie eine Feder im Winde, wenn erst der Tomahawk sein Lied singen wird. Es wird eine unbarmherzige Marter werden, mit allen möglichen Scheußlichkeiten. Wir werden dich auf heiligen Boden unseren Göttern opfern.“ Heika wandte ihm den Kopf zu, sagt lächelnd; „ Ich bin ein Gefangener. Verfahrt nach euren Regeln, ich werde nicht klagen. Habe viele Tage auf den Kriegspfad verbracht und manchen Skalp genommen, geh und zähle sie bevor du es wagst unaufgefordert mitzusprechen.“ Seine Züge veränderten sich, als er den alten Häuptling sah, der von einigen Kriegern begleitet, langsam auf ihn zu kam. Mit stolzer Haltung blieb dieser vor ihm stehen. Betrachtete seine tadellose Gestalt und sein regungsloses Antlitz. Stolze zornige Blicke wurden zwischen den beiden Männern gewechselt. „ Höre mich und merke dir meine Worte,“ begann der Würdenträger in gebieterischen Ton. „ Meine Augen haben viele Dinge gesehen und sie können einen Tapferen von einem Feigling unterscheiden. Du bist wie der Fuchs verschlagen und wie der Luchs listig, aber tödlich bei jedem Sprung. Das Blut aber, ist bei jeder Kreatur rot, ob Tot oder am Leben macht hier keinen Unterschied. Früher besiedelte der rote Mann das ganze Land. Die weißen Siedler sind alle Landstreicher die herübergekommen sind um die rechtmäßigen Eigentümer den Boden zu nehmen. Es gibt wohl keinen Stamm mehr, der nicht mit Weißen in Berührung gekommen ist. Immer weiter zogen wir uns, infolge brutaler Landergreifung, immer weiter ins Innere zurück. Viele unserer tapferen Brüder und Schwestern gingen tatsächlich zu Grunde. Ob die Franzosen in Kanada und die rotröckigen Engländer, sie alle prahlen mit ihrer Tapferkeit sowie Siegen, aber die Späher des roten Mannes machten die wirkliche Arbeit. Ihre Taten wurden vergessen. Trotzdem, wo immer der Tot uns trifft, er sei willkommen, wenn nur unser Kriegsruf ein aufnahmebereites Ohr getroffen hat und eine andere Hand sich ausstreckt, um unsere Waffen zu ergreifen und andere Menschen sich daran machen für uns zu kämpfen … du bist ein treuer Mensch und Treue und Ehrlichkeit sind zu seltene Gaben, doch zu oft werden sie vergessen. Obwohl hinter jedem Abenteuer, Not, Schlechtigkeit, Menschenliebe, Freude, Übermut, Tot und unbändiger Lebenswille verborgen ist. Du bist ein Sohn der „ klingenden Wildnis“ kannst sie verstehen und beurteilen. So höre aus meinem Munde den gefassten Beschluss, der gerecht und fair ist. Der junge Adler wird hinaus in die freiheit fliegen, möge aber nur nach vorn und nicht zurück schauen. Onca ist noch jung an Jahren, erblickte aber die schöne dunkelhaarige Bergblume und will nichts behalten als diese Blume, die er gefunden hat. Sie soll für immer hier im Zelt des tapferen Kriegers bleiben. Keine soll höher geachtet werden als sie. Onca ist ein großer Häuptling, sein Name ist in aller Munde und seine Hand ist immer offen. Hugh“ Als Geschenk wurde ein junger prächtiger Apfelschimmel herbei geführt. er war noch wild und unberührt, noch keine Hand hatte ihn gezähmt. Mit einer befehlender Handbewegung gab der Alte ein Zeichen. Die Riemen wurden zerschnitten und Heika vom Baum befreit. Dieser hatte bei der Rede des Greises zu lächeln begonnen, richtete sich jetzt stolz und würdevoll auf, besah sich die feindliche Schar, die ihn umgab. Mit keinem Zeichen verriet er was in ihm vorging. Doch mit bitterem Hass rief er der Menge zu; „ Wenn Ihr glaubt ihr seit am Ziel, dann versprecht euch nicht zu viel. Le Cerf Agile noch jung an Jahren hat schon viele Feinde im Kampf erledigt, aber nie einen Freund seinem Schicksal überlassen. So auch nun nicht. Die wilde weiße Bergblume, wie ihr sie nennt, wird mit mir kommen. Dieser Kampf ist noch nicht vorbei, ich gehe keinen Schritt zurück! Ich gebe niemals auf! Denn ich gehöre nur mir!“ Wildes Geschrei brach plötzlich aus. Asinis konnte seine Wut nicht länger im Zaum halten, drängte sich durch die Gruppe von Kriegern und begann Heika wütend mit Schmähungen zu überhäufen. Entriss seinen Nebenmann den Tomahawk und begann diesen um das Haupt des Nochgefangenen zu schwingen, das man glauben könnte jeder Schlag müsste ihn treffen, wobei er die Methode seinem Todfeind schilderte, wie er ihm die Haut vom Leibe abziehen wolle. Die Tat wurde durch einige Jubelschreie seiner Anhänger befürwortet. Ashley dagegen verfolgte voller Sorge den Vorgang und schrie ein paar mal ängstlich auf, oder verbarg ihr Gesicht zwischen ihren Händen. Aber Heika bewegte sich nicht und blickte starr in die Weite. Asinus holte plötzlich zum Schlag aus, aber sein Arm wurde von der vorschnellenden Hand des Sioux aufgehalten. Beide erstarrten für einen Augenblick. Doch Heika zögerte nicht lange. Mit einer blitzschnellen Bewegung entriss er den Tomahawk, wirbelte ihn durch die Luft und dieser blieb im anvisierten Baum stecken. Asinus heulte auf vor Zorn, sprang auf um sich seiner Waffe wieder zu bemächtigen, doch Heika war schneller. Schoß an der erschrockene Menge vorbei, packte das Beil und sprang mit einigen großen Sprüngen den Abhang zum Fluss hinunter. Ein Racheschrei brauste durch die Meute und sofort stürzten viele Krieger mit Asinus als Führer den Flüchtling nach. Ein scharfer Pfiff von Onca, der wieder zurück zu seiner Gruppe gekommen war und die Bande stoppte ihre Verfolgung, um verwirrt auf weiter befehle ihres Häuptlings zu warten. Heika hatte derweil den Fluss erreicht und sein Körper klatschte ins Wasser. Mit kräftigen Stößen schwamm er auf die nächste Uferseite zu.

Mit erhobenen Tomahawk sowie einem lauten Schrei vom anderen Ufer, verkündete er seinen Triumph. Dann verschwand er hinter einer Anhöhe. Lars hatte mit finsterer Mine dem Schauspiel in sicherer Entfernung zu gesehen. Prüfte seine Büchse, als ob nichts besonderes zu tun gab und stand einige Zeit nur sinnend da. Nun schritt er eilig auf eine kleine Gruppe von jungen Kriegern zu, die ihren Anführer umringten, welcher einen heftigen Wortabschlag mit Asinus führte, um seine Bedenken wegen Heika vorzutragen. Es erfolgte eine erneute Beratung und die Mingos ( Irokesen ) setzten danach ihren Weg fort. Smith schritt voran, ab und zu drehte er sich um und beobachtete verstohlen Ashley. Ihre Bewegungen drückten Trotz und Ärger aus, trotzdem waren die Blicke voller Bewunderung zu den seltsamen fremden Geschöpfen und beschäftigte sie ununterbrochen. Sie wollte es eigentlich nicht wahrhaben und versuchte es so gut wie möglich zu verdrängen, aber ohne Heikas Nähe fehlte etwas. Noch nie hatte sie sich Gedanken gemacht, wie es in seinem Leben aussah. Wenn man ihm Fragen stellte antwortete er wortkarg, zeigte niemals Mitleid oder Mitgefühl. Trotzdem zog sich all ihr Verlangen immer mehr zu ihm hin. Sie bemerkte das Splinter fehlte, als sich der Treck in Gang setzte, blieb er zurück. Er hatte sich wieder einmal rechtzeitig aus den Staub gemacht. Doch hoffte sie, dass er den Weg nach Hause findet und bald Hilfe kommen würde. Erst zum späten Abend machte der kleine Trupp bei einer geeigneten Stelle halt. Ashley hatte bis jetzt tapfer all die Schmerzen ertragen, war aber nun völlig körperlich erschöpft. Schnell wurde das mitgeführte Zelt erneut aufgestellt, für Ashley extra eine weiche Schlafstätte errichtet. Feuer wurde aber nicht entfacht, um keine Feinde anzulocken. Smith bot sich als Wächter an und bezog seine Stellung. Aber die Strapazen des langen Fußmarsches, die Stille und die Müdigkeit forderten ihren Tribut und Lars nickte schließlich ein.


Fortsetzung folgt

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.12.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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