Thomas Kleinrensing

Einsam, Zweisam, Dreisam ...

Wir werden nie mehr einsam sein. Wie auch, da der Kontakt niemals abbricht. Die größte Angst die uns täglich umtreibt ist, ganz smart extelekommuniziert zu werden. Das immer währende Gerede, Gesimse, Getöne und Gesirre untereinander, nebeneinander mitunter auch miteinander und aneinander vorbei, falsch verbunden und doch an der richtigen Adresse, hat uns zu Kontaktjunkies gemacht. Waren wir früher schon keine Postverächter sind wir jetzt Kommunikaze und Allesfresser die sich überall und selbst im Nirgendwo etwas ausdrücken. Jeder Input hat auch einen Output, solange der Akku reicht.

Vorbei die Zeiten der kleinen und geheimen Streichholzbriefchen, der Zettelwirtschaft im nicht öffentlichen Verkehr. Damals war telefonieren nichts für klaustrophobe Menschen. „Ich telefoniere“, war das Synonym für mit Kabel gefesselt in der Wohnung oder unschuldig in einer Zelle. Längst vergessen der Nagellack Abrieb beim fraulichen Bedienen der Untertassen großen Wählscheibe und das haklige Knattern beim Rückschwung. Das Anrufklingeln durchdrang mühelos alle Mietshauswohnungen und klang so kalt wie das Geläut der Messdiener beim katholischen Hochamt und in den Brokatüberzügen aus rotem Samt mit Goldborte, sahen die Apparate sogar aus wie die päpstliche Direktverbindung nach Oben. 

Ungläubige Kinderaugen angesichts Hantel großer Telefonhörer mit Spirellikabeln in technischen Museen. Lachsalven beim Betrachten der Toaster großen Alibipfone, heute Chip große Anrufbeantworter. Der Telefonarm jener hochtoupierten Telefonistinnen, die die Gespräche damals noch mit deutscher Handarbeit verstöpselten und mithören konnten, war noch anerkannte Berufskrankheit. Und genauso wie das übergewichtige Telegramm gegen das seichte Gigabyte verloren hat, ist die persönliche Verbundenheit dem anonymen informationsfressenden Gewächs Konnektivität zum Opfer gefallen.

Heute lösen wir Probleme online und schnurrlos, auch jene die wir bisher noch gar nicht hatten und kannten, I-Gott sei Dank. Nachdem jemand vor langer Zeit herausgefunden hatte, wo man die Briefmarke bei der Flaschenpost aufklebt, verbrennen wir heute unermüdlich Zeit und Material im überhitzten Ofen der Kommunikation. Uns wird ganz warm ums Ohr. Die Auswahl ist riesig und die Wahl ist frei: Hier ein Kommentar da ein Smiley als individuelle Postwurfsendung ins System. Hektisch angebunden, bis zu den Lauschern im Shitstorm und trotzdem noch getwittert. Nebenher eine Pizza Margherita auf CD gebrannt, man lebt ja nicht von der Flatrate allein. Das ist 3D Telepathie auf dem dritten Einbildungsweg für alle, die einen kompatiblen Tag haben.

Glasfaserig gewähren wir Einblick in unsere Körperwelten. Vom verschlossenen Menschen zur öffentlich verschlüsselten Laber Tasche. Wir stehen unter gesetzlichem Datenschmutz wie die Maus unterm Artenschutz. Die transportable Datenstationierung sichert die sofortige Behandlung von Irritationen in innersten Schaltkreisen von außen. Hardware, Software und sonst wer gehören heute dem großen Netzwerk an und wir halten uns den Bildschirm vors Gesicht wie einst die Königin: „I-Phone, I-Phone in der Hand, verdammt warum ruft mich keiner an?“

Auch mit dem High-Tech-Henkel- und Handymann ist Einsamkeit nicht unbedingt ertragbar aber immerhin tragbar. Wir wissen, dass wir Anschluss gefunden haben an alles und jeden in dieser Welt, wenn man denn muss und die Welt will. Rund um die Uhr zeihen wir unsere Endlosschleifen im summenden und blinkenden Fluss auf allen Kanälen. Wie wischen auf Bildschirmen rum und vergooglen die Welt mit unserer Anwesenheit. Unsere Kleinigkeiten des Alltags sind fortan Mikrozellen und man ist mit seinem Verbindungsbrett so schön pfadfinderesk – immer und überall mit der Welt verbunden.  

Und am Tag an dem wir dann vor den großen Schalter treten, der laut den alten Schriften heute noch so aussieht wie jener, wo früher noch die Post abging, dort wo selbst Extremisten für Bekennerbriefe, aus Furcht vor der postmordänen Beamtin hinter dem Panzerglas mit Sprechloch, das Porto freiwillig entrichteten. Dort wo alle Menschen gleich abgestempelt wurden. Selbst jener, der mit Brokatüberzug gewandet und Mitra, eine Standleitung bei INRI-Netz sein Eigen nennt. An genau diesem Schalter werden wir unseren letzte Frage an die Gemeinschaft senden: „Kann ich hier meinen Geist aufgeben und wenn ja, gibt es eine Flatrate?“

Tom
19.12.2013

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