Peter Biastoch
Wenn einer eine Reise macht...
11.02.2010
Nun möchte ich Dir einmal ein wenig von meiner Tochter (Claudia) schreiben. Sie war im vergangenen Dezember ebenfalls verreist. Jedoch nicht zum Ballermann Hit, sondern zu einem Kongress mit anschließender Safari, nach Kenia.
Hat es ihr gefallen? Natürlich! Und ob! Regelmäßig, wenn sie zurzeit aus dem Fenster sieht, kommt von ihr ein Seufzen und der Satz: „Ich will wieder nach Kenia!“ Es ist aber auch wieder hässlich draußen! Während ich diesen Abschnitt schreibe, wandern meine Augen nach rechts, aus dem Fenster. Mein Blick fällt auf eine trübe, graue Außenwelt, wo Schneeflocken durch die Luft wirbeln und heute musste ich auch wieder einmal meine Beine in eine Decke wickeln, damit ich sie endlich erwärmen kann…
Was hat Claudia also alles gesehen? Nun, der Kongress war natürlich für sie ein Hauptereignis, was Dich aber vielleicht nicht so sehr interessieren wird. Oder doch? Aber hier nur kurz das Folgende dazu. Es trafen sich zu diesem Kongress mehr als 44000 Delegierte aus etwa 35Ländern. Das waren eine wirklich bunte Mischung aller möglichen Hautfarben und ein Gewirr der verschiedenen Sprachen. Vor und nach dem Programm und natürlich auch in der Mittagspause, vermischte sich diese Menschenmenge noch mehr und es wurden Freundschaften geschlossen, für die es keine Grenzen existieren – weder die Grenzen von Ländern, noch die der Hautfarbe, der Nationalität, des sozialen Status und nicht einmal der Sprache.
Auf unseren Kongressen, besonders auf solchen internationalen Kongressen, werden immer Unmengen Fotos gemacht. So war es auch dort. Claudia brachte einige Filme mit Kongressbildern mit und auch sie war von sehr vielen fotografiert worden. Ja klar! Eine schöne, junge Frau, mit blonden Haar und heller Haut. Noch dazu in einem schönen Dirndl!
Vor dem eigentlichen Kongress gehörte bereits eine Safari, in den Kenia-Nationalpark, zum Reiseprogramm. Claudias Bilder davon zeigen die verschiedensten Tiere Afrikas, vor der Skyline von der Hauptstadt Nairobi. Es handelt sich um eine recht flache Landschaft, ohne viele große Bäume.
Auch auf die Stadt selbst, wurde sie, samt ihren Reisegefährten, losgelassen. Zuvor gab es noch den Rat, keinerlei Wertgegenstände bei sich zu tragen. Dann gingen sie zu Fuß vom Hotel in eine Ladenstraße. Unmengen kleine Geschäfte, dicht an dicht gedrängt und die Ladenbesitzer ständig auf dem Sprung, jemanden in ihren Laden zu ziehen. Eine spätere Stadtrundfahrt mit dem Bus war dagegen wesentlich weniger anstrengend.
Nach den vier Kongresstagen hatte Claudia noch eine weitere Woche mit Safaris in zwei Nationalparks gebucht. Zuerst ging es in den „Tsavo West National Park“. Zwei Übernachtungen und tägliche Safaris mit den oben offenen Safaribussen. Im Tsavo-Park findet man eine wunderbar hügelig, bergige Landschaft, mit üppiger Vegetation. Der Erdboden hatte überall eine rötliche Färbung und auch die Elefanten, die sich diesen Staub ja immer wieder auf ihren Rücken werfen, hatten darum eine ebenso rote Farbe. Zwischen den Bäumen und Büschen tauchen dann die verschiedensten Tiere auf. Bei der Vorbeifahrt an Lichtungen gibt es Einblicke in das Zusammenleben von Giraffen, Zebras, Elefanten und anderen Tieren. Auch eine Löwenfamilie war zu entdecken.
Von der Veranda ihrer Lodge aus glitt der Blick über zwei naheliegende Wasserlöcher, an denen sich in der Dämmerung und während der Nacht die Tiere einfanden um zu trinken. Wie Claudia uns erzählte, kamen diese Tiere auch sehr nahe an die Lodge heran, so dass man sich ganz ruhig verhalten musste, um sie nicht zu verschrecken. Natürlich gab es auch alles andere, was man so während eines Aufenthaltes in einem Nationalpark erwartet. Da lagen abgenagte Knochen, abgestorbene Bäume reckten ihre kahlen Äste in den azurblauen Postkartenhimmel, mit seinen schönen, immer wieder neu geformten Wolkengebilden.
Und es war auch im Tsavo, als eine ihrer Safaris von einer bewaffnete Eskorte begleitet wurde. Das Ziel dieser Fahrt war ein Wasserloch. Es war das Quellgebiet eines Flusses, in dem sich Flusspferde und Krokodile befanden. Die weibliche Waffenträgerin musste die Touristengruppe begleiten, weil diese für den Weg zu diesem Wasserloch ihre Fahrzeuge verlassen mussten. Leise einem Trampelpfad folgend gelangte die Gruppe an einen Steg, von dem aus, unter einem umgestürzten, abgestorbenen Baum, zwei Flusspferde zu entdecken waren. Die Wache stand vor allem wegen dieser Tiere bereit, denn diese Fleischberge gelten als die gefährlichsten Tiere Afrikas! Man sagt, dass durch Flusspferde mehr Menschen sterben, als durch andere Tiere.
Ein Erlebnis, das sich Claudia wirklich tief eingeprägt hat, war eines Morgens. Claudia war auf die Veranda getreten, um einen ersten Blick zum Wasserloch zu werfen. Es war ein absolut wolkenloser Himmel und die Augen wurden ganz automatisch in eine andere Richtung gelenkt. Da stand er! Deutlich zu erkennen, mit seiner schneebedeckten Krone – der Kilimandscharo! Ein Anblick, wie im Bilderbuch!!! Und an diesem Tag blieb er die meiste Zeit über, auch während der Safaris, sichtbar. Wie man sagte, gibt es nur wenige Tage im Jahr, dass er so ausdauernd zu sehen ist. Meist verbirgt er sich hinter einer Wolkendecke, die zumindest seinen Gipfel einhüllt.
Noch einen weiteren Höhepunkt erlebte Claudia, während einer solchen Safari im Tsavo-Park. Die Fahrer der Safaribusse stehen ständig per Funk miteinander in Verbindung, um sich gegenseitig über die Standorte verschiedener Tiere zu informieren. So einen Ort steuerte also auch ihr Bus diesmal an. Dann blieb er stehen und der Fahrer meinte, dass dort, irgendwo im Gebüsch, ein Leopard sei. Jemand der Mitfahrenden meinte, eine Schwanzspitze hinter einem Baum gesehen zu haben. So vergingen die Minuten und ganz langsam wurden die Sichtungen mehr. Nach einer halben oder dreiviertel Stunde hatte das Tier schließlich ein Einsehen. Der Leopard verließ seine Deckung und begab sich auf eine Hanglage, drehte sich hin und her und legte sich dann praktisch auf den Präsentierteller. Für alle gut sichtbar, blieb er dort einige Zeit liegen und ließ sich fotografieren und filmen. Abgesehen von der doch recht großen Entfernung, ist er auf Claudias Bildern und dem Video recht gut zu erkennen.
Der dritte Nationalpark, den Claudia anschließend besuchte, war der „Amboseli-Park“. Eine völlig andere Landschaft! Alles flach, wie ein Teller. Die Übernachtungen waren in der Kilaguni Serena Safari Lodge, in Bungalows mit je vier Eingängen (in jede Himmelsrichtung einer) und entsprechend vier Zimmern. Hier nun konnte man die Tiere bereits auf größere Entfernung sehen, da es nicht nur sehr eben war, sondern auch nur wenig Vegetation vorhanden ist.
Der Boden im Amboseli hat eine dunkle Farbe, die von der vulkanischen Vergangenheit dieser Gegend herrührt. Auch der restliche Vulkankegel, von welchem diese Magmaströme breitgelaufen waren, wurde gesichtet. Und natürlich waren hier auch die Elefanten wesentlich grauer, als in Tsavo.
Die Tiere lebten hier sichtbar Seite an Seite. Zebras, Strauße, Gnus, Antilopen und Marabus standen in losen Gruppen, die von ziehenden Elefantenfamilien durchquert wurden. Während einer Pirschfahrt wurde ein Zwischenstopp an einem Massai-Dorf eingelegt. Nachdem jemand von der Reiseleitung mit dem Häuptling einen Pauschalbetrag ausgehandelt hatte, wurden die Reisenden mit einem Begrüßungstanz willkommen geheißen. Einzelne aus der Gruppe wurden bei der Hand genommen und in die Reihe der Massai geführt, wo sie mit tanzen sollten. Weißt du, wie die Massai tanzen? Sie springen. Ohne Ansatz, aus dem Stand, vollführen sie mehrere Sprünge hintereinander. Claudia sagte, dass sie sich einfach nur an ihrer Kamera festgehalten hat und so tat, als wäre sie damit unglaublich beschäftigt. Doch zwei derer, die man zum mittanzen eingeladen hatte, wurden davon so angesteckt, dass sie auch später noch, bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit anfingen herum zu springen.
Auch in eine der Massai-Hütten dort durfte man hineingehen. Ein Lehmbau, rund, ohne Fenster. Einzig eine Öffnung in Bodennähe, damit das ständig brennende Feuer Sauerstoff bekommt. Anschließend wurden alle noch auf einen improvisierten Markt geführt, wo sie natürlich etwas kaufen sollten. Da waren lediglich ein paar Decken auf dem Boden ausgebreitet und einfache, selbst gemachte, Kunstgegenstände darauf geschüttet.
Eine weitere Fahrt in den Park führte sie an einen See, inmitten dieser doch recht öden Landschaft. Der See schien recht flach zu sein. Wie soll ich das beschreiben? Stell Dir einmal eine Seefläche vor, die zwar recht groß, aber noch überblickbar ist. Vom Ufer aus breitet sich ein frischgrüner Streifen von mehreren hundert Metern Breite in diese Wasserfläche aus. Es handelt sich um Grünpflanzen, die dort so gut gedeihen. Sie sind so dicht an dicht, dass kleinere Tiere, wie Gazellen, darüber hinweg laufen können. Doch man sieht auch Elefanten und Flusspferde. Sie durchbrechen natürlich diese Pflanzendecke und stehen auf dem Seegrund. So durchwaten die Elefanten diese grüne Masse, mit dem Bauch im Wasser und schieben sich das frische Grün, mit ihrem Rüssel, ins Maul, das sich nur wenige Zentimeter über dem Wasser befindet. Wie ein Schlaraffenland für diese Dickhäuter!
Eine weitere derartige Vegetationsinsel befindet sich inmitten dieses Sees und ist belagert von einer Kolonie Pelikane. Doch so ganz allmählich brach in der Reisegruppe der Unfug durch. Da wurde ein Baum erklommen und man legte sich auf einen flach abstehenden Ast, in der Art, wie man es auf Fotos von Leoparden kennt. An anderer Stelle wurde nach einem Gruppenfoto geschrien. Alles flach, endlose Steppe. Ein großer Stein wurde geholt und platziert, damit man darauf die Kameras mit Selbstauslöser stellen könnte. Doch das war wohl nicht das richtige. Schließlich verurteilte man einen bewaffneten Begleiter, der auch bei dieser Safari dabei sein musste, mit einer Kamera, nach der anderen, diese Gruppe zu fotografieren. Als man ihm den ersten Apparat erklärt hatte, und er das erst Bild gemacht hatte, brandete von den Fotografierten Beifall auf. Daraufhin sagte der Waffenträger in gut verständlichem Englisch: „Das war das erste Mal, dass jemand klatscht, wenn ich abdrücke.“
Irgendwann waren schließlich auch diese Tage zu Ende und es ging an den Heimflug. Was ich nun geschrieben habe, sind natürlich alles Eindrücke aus zweiter Hand. Inzwischen haben wir die Dias wohl schon vier oder fünfmal, gemeinsam mit verschiedenen Freunden, gesehen und jedes Mal eine Erklärung von Claudia dazu bekommen. Doch das kann ich natürlich jetzt nicht alles in einem Brief zusammendrängen. Was ich natürlich auch überhaupt nicht nachvollziehen kann, sind die Gefühle, die sie während all dieser Abenteuer hatte. Ich kenne nicht die Geräusche, die Gerüche, den Geschmack des dortigen Essens und so vieles, was Claudia in Herz und Sinn aufnehmen konnte.
Ach ja – während ich Dir diese Impressionen von Kenia geschrieben habe, konnte ich meine Decke von den Beinen nehmen. Die Sonne Afrikas hat mich wohl so erwärmt! Nennt man so etwas nicht „Fernwärme“? ;-)
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.12.2013.
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