Denis Geier

Und am Ende steht der Tod Teil 1

Kapitel 5
Der Fantasy-Geschichte »Stadt ohne Wiederkehr«
von Denis Geier

Ein herbstliches Farbenspiel von Rot, Gelb und einem erblassenden Grün umgibt Albert an diesem Tag. Die Bäume um ihn herum scheinen ihr leichtes friedliches Schaukeln im Wind zu genießen und die Wolken am Himmel ziehen ihre Bahnen friedvoll und schweigend wie schon seit Jahrhunderten.
Es ist ein wundervoller Tag, der Albert auf seiner täglichen Wandertour begleitet. Albert ist nicht mehr der Jüngste. 61 Jahre ist das Alter seines Körpers, aber er fühlt sich immer noch wie zwanzig. Albert wandert Tag für Tag dieselbe Runde, durch das Dorf, in dem er geboren wurde, über den Feldweg, auf dessen rechter Seite immer noch dieselben Bäume aus seiner Jugend stehen, hinein in den kleinen Wald aus Fichten und Birken und wieder zurück an der Hauptstraße, vorbei am Bäcker und zurück in seine kleine Wohnung. Auf seinem Weg trifft er wie fast immer Frau Menedig, die mit ihrem kleinen Chihuahua, der wohl kleinsten Hunderasse der Welt, Gassi geht, aber auch Herrn Ludewitz, der früher einmal Bürgermeister des Ortes gewesen ist. Albert fühlt sich wohl hier an diesem Ort, den Gott für Ihn erwählt hat. Heute ist es jedoch etwas anders. Albert hat das Gefühl, er würde beobachtet, und mit seinen Augen ist auch irgendetwas nicht in Ordnung. Er bleibt stehen und lauscht dem Tanzen der Blätter auf den Bäumen. Albert atmet tief durch und lauscht noch konzentrierter. „Alter Mann, beweg dich!“ „Ja“, sagt Albert „Alter Mann, beweg dich!“ Genau das versteht er, aber woher kommt diese Stimme? Hier draußen im Wald!
Albert dreht sich um sich selbst, auf der Suche nach dem Ursprung dieses Satzes. „Mensch, beweg dich!“, ertönt es wieder und Alberts Blick verharrt an einer großen Eiche. Je genauer er hinsieht, desto mehr verschwimmt das Bild dieses Baumes. Er verwandelt sich in einen Turm und auf diesem steht ein Wächter in einer Uniform, die Albert an das Dritte Reich erinnert. Er dreht sich weiter und sein geliebter Wald verändert sich in wenigen Sekunden zu einem Lager. Albert ist völlig verwirrt. Was passiert hier? Wo bin ich? Was mach ich hier? In diesem Augenblick ertönen die Sirenen.
„Luftangriff“ 
Da laufen alle Menschen, Menschen, die er auf seiner Wanderung noch nie gesehen hat, durcheinander über den Platz. Erst jetzt fällt ihm auf, dass es keine Europäer sind, sondern Asiaten. Diese Tatsache verwirrt Albert noch mehr. Er folgt selber einfach nur noch den Massen in den Luftschutzbunker. Bevor er diesen jedoch betreten kann, hört er eine besonders laute Explosion. Er dreht er sich um, sieht in die Ferne und erblickt einen Atompilz. Nun schließt er die Augen, kniet nieder und spricht das Vaterunser bis zu dem Zeitpunkt, als er von der Druckwelle erfasst wird. Als er wieder zu sich kommt, liegt er auf der Intensivstation. Es ist 15:20 Uhr und das Jahr 2014.
„Sie hatten einen schweren Schlaganfall auf Ihrem Spaziergang durch den Wald“, sagt die Krankenschwester. Als Albert das hört, dreht er seine Kopf zur Seite – atmet tief ein und überlegt, was er so real gerade erlebt hat. Er schaut dabei aus dem Fenster seines Zimmers und erblickt einen in der Ferne fliegenden Raben. Dieser ändert auf einmal seine Flugbahn und fliegt nun zielgerichtet auf Alberts Fenster zu. Der Rabe setzt sich auf die Fensterbank, Albert lächelt, denkt an seinen Sohn und daran, was er ihm einst über Raben erzählt hat. »Du darfst jetzt gehen«, diese Worte vernimmt er auf einmal von einer Stimme, die ihm wohlbekannt erscheint. Die Stimme seines Sohnes. Albert lächelt, aber aus seinen Augen schleichen sich zwei Tränen des Abschieds. Seine Angehörigen verlassen den Raum und Albert schließt zum letzten Mal bewusst seine Augen.

In diesem Prozess des Sterbens ertönt leise die Stimme eines Engels im Raum, zumindest nimmt Albert diese göttliche Stimme wahr.
Der Engel liest aus einem Buch:
„…und eine besondere Wärme umhüllte seinen Körper, alles, was einmal wichtig war, verlor an Bedeutung. Diese Art der Wärme, diese besondere Art, erweckte in seinem Geist ein Gefühl des Friedens und der Geborgenheit. Nicht der Körper erlebte diese Art der Wärme, so als ob die Sonne die Haut zart berührt, nein, diese Empfindung war anders, fremd und unbekannt, aber merkwürdigerweise nicht beängstigend. Fühlt es sich schrecklich an, sein Bewusstsein und seine Wahrnehmung nach und nach zu verlieren? Was kommt nach diesem erhebenden Gefühl der Freude und Geborgenheit? Welche Überraschungen erwarten uns in den letzten Momenten unseres Daseins? Die Atmung wird nun flacher, das Seh- und Hörvermögen wird schlechter und der Augenblick des Unausweichlichen kommt näher. Nun ist er da, der wichtigste Augenblick nach der Geburt eines jeden Wesens - der Tod. Das Herz, der Motor unseres Lebens, beendet seinen Dienst. Es tritt der Herzstillstand ein und ihm folgt innerhalb weniger Minuten der Hirntod. In dieser kurzen Zeit zwischen Herzstillstand und Hirntod öffnet sich ein Tor für die Seele zur jenseitigen Welt. Die Hirnaktivität steigt kurzzeitig deutlich an und der Übergang wird für den Sterbenden extrem lebhaft, klar und ungewöhnlich real. Es erscheint nun ein weißes helles Licht in einem Tunnel, das reine Liebe auszustrahlen scheint. Dieser Moment, in dem die Seele den physischen Körper verlässt und die sogenannte Silberschnur, die Körper und Seele zusammenhält, zerreißt - dieser Moment ist die Geburt in eine andere Welt. Wenn das geschehen ist, kann die Seele nicht mehr in den Körper zurückkehren, Sie ist frei, aber körperlos. Alle körperlichen Schmerzen des Erdenlebens werden mit dem Körper zurückgelassen. Es ist nun die Seele, die hier eine besondere Liebe und Wärme erfährt. Die Seele, der wichtigste und doch unbekannteste Teil unseres Seins. Aber damit ist der Übergang noch nicht vollendet, denn der Weg durch den Tunnel des Lichtes steht unserer Seele noch bevor. Durch die Loslösung der Seele vom Körper hebt sich der Schleier zwischen dieser und der anderen Welt. Sehr wahrscheinlich ist das der Grund, dass der Sterbende vorangegangene Verstorbene oder Lichtwesen sehen kann. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, sich für einen Weg zu entscheiden. Ist die Seele bereit, ihre Erfahrungen kollektiv mit der Gemeinschaft der Gläubigen zu teilen? Dafür auf ihre Individualität zum Preis der Wiedergeburt zu verzichten? Oder bleibt diese Seele eine Zeitlang in der Zwischenwelt, in der Welt zwischen Leben und dem Tunnel der Wiedergeburt?“

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Denis Geier).
Der Beitrag wurde von Denis Geier auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.01.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Denis Geier als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Seelenfarben von Eveline Dächer



Dieser Lyrikband malt ein Kaleidoskop meines Lebens
Er gibt einen Einblick in mein Innerstes, meine Seele.
Hier spiegelt sich eine Farbpalette von kristallenem Hell
Über alle Regenbogenfarben bis zum tiefsten Dunkel.
Das Auf + Nieder des Lebens - Gedichte und Bilder, die in die Tiefe gehen.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Mystery" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Denis Geier

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Limba Lee und Limba Lu - Eine kurze Gute Nacht Geschichte von Denis Geier (Gute Nacht Geschichten)
Für meinen Sohn David von Klaus-D. Heid (Lebensgeschichten & Schicksale)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen