Hans K. Reiter

Lausbuben (1)

Am Gymnasium in Dingharting gab es an diesem Tag die Halbjahreszeugnisse. Für die meisten Schüler war das nur insofern aufregend, weil es halt immer bis zum Schluss spannend bleibt und niemand vor Überraschungen gefeit ist. Für einen der Schüler, genau für den Zehetmeier Alois aus der 10b, war das erhaltene Zeugnis zwar keine Überraschung, was die Noten anbelangte, aber der hinterhältige Kommentar von einem der Lehrer, der wurmte ihn mächtig.

Am Nachmittag trommelte der Alois seine engsten Freunde zusammen, um über angemessene Sanktionen nachzudenken. Der Alois und seine Freunde waren nämlich der Ansicht, dass man sich die Hinterfotzigkeit des Lehrers nicht gefallen lassen könne. Der macht des sonst immer wieder, meinte der Alois lakonisch.

Dem Abend sah der Alois mit gemischten Gefühlen entgegen. Die Mutter kannte das Ergebnis seiner schulischen Leistungen bereits, aber der Vater musste sich noch damit auseinandersetzen. Und wenn der Vater schlecht drauf war, konnte so eine Sache böse in die Hosen gehen. Aber, wie es schien, war das, bis auf das Zeugnis selbst, heute ein Glückstag für Alois. Der Vater murmelte etwas wie, es sei doch gar nicht so schlecht und in einem Fach hätte er sich sogar verbessert. Mit dem Lehrer red’ i no, sagte der Vater dann nach einer Weile, weil so a Bemerkung, des steht dem net zua, no dazua, wo’s a Preiß is, und stimma duats a net. 

Das war seines Vaters maximaler Ausdruck von Wertschätzung für die Leistungen des Sohnes und die Bekundung seines Missfallens über die schriftliche Einlassung des Lehrers. Der Alois, froh über des Vaters Reaktion, sagte deshalb: Lass nur Papa, brauchst net mit ihm red’n. Erstens tät’s nix nutz’n und zwoat’ns überleg i mia selber wos. Der Vater schaute verwundert auf den Sohn und meinte dann: Brav so, wirst langsam a Mo, der seine Sachan selber in d’Hand nimmt.

Der nächste Tag war ein Schultag, wie jeder andere, so schien es jedenfalls. Die Glocke im Schulhaus läutete pünktlich um acht Uhr zur ersten Unterrichtsstunde. Das Zimmer der 10b füllte sich rasch, und als der letzte Schall der Glocke verklungen war, sassen alle Schüler auf ihren Plätzen. Als fünf Minuten später der Lehrer immer noch nicht erschienen war, begab sich der Klassensprecher ins Rektorat, um Meldung zu machen.

Das verstehen wir jetzt gar nicht, sagte eine der Angestellten dort. Der Herr Denzel war doch um viertel vor acht schon hier. Auch der Schulleiter wusste nicht, wo der Lehrer Denzel, Fach Mathematik, geblieben war. Merkwürdig, war auch sein Kommentar und er beschloss, mit einigen der unterrichtsfreien Lehrkräfte das Schulareal nach Denzel abzusuchen.

Aufmerksam verfolgten mehrere Augen aus den Fenstern der 10b die Suchaktion. Die meisten wunderten sich darüber, was da vor sich gehe. Alois und seine Freunde hingegen zwinkerten sich zu und warteten gespannt darauf, was der Rektor und seine Lehrer zutage fördern würden.

Nur knappe 15 Minuten später war es dann so weit. Aufgeregt stürzte der Rektor aus einem Seitengebäude hervor, das der Turn- und Sporthalle vorgesetzt war. Er gestikulierte wild mit den Händen und sagte etwas zu zwei herbeigeeilten Lehrern des Suchtrupps.

Die drei eilten stante pede dahin zurück, wo der Rektor hergekommen war. Und dann sahen sie es. Hoch oben an der Decke der Turnhalle zappelte etwas in einem Netz, das an vier Ringen befestigt, nach oben gezogen worden war. Weitere Lehrer eilten herbei und schliesslich packten vier Mann die Seilenden der Ringe, um das Netzt vorsichtig zu Boden zu lassen.

Das zappelnde Etwas entpuppte sich als der verehrte Kollege Denzel, dem jemand einen üblen Streich gespielt hatte. Sein Mund, zugeklebt mit einem Tape, hing er in einem Netzt, das sonst zur Aufbewahrung von Bällen verwendet wurde. Nachdem er sich aus den Maschen des Netzes freigeschält und das Tape mit einem Ruck heruntergerissen hatte, japste er nach Luft und stammelte dann: Das werden sie mir büssen!

Was ist den geschehen?, wollte der Direktor wissen. Der Lehrer Denzel erklärte, dass er das auch nicht so genau wisse, denn er sei etwa 10 Minuten vor acht Uhr über sein Handy in die Turnhalle gebeten worden. Es sei dringend, habe der Anrufer, eine durchaus sonore Stimme, gesagt. Darauf hin sei er hierher geeilt und alles wäre dann blitzschnell gegangen. Er habe nichts erkennen können, denn es sei dunkel und die schwarzen Vorhänge vorgezogen gewesen.

Wenn Sie nichts gesehen haben, wen meinten Sie dann, wenn Sie sagen, das werden sie mir büssen? Unverkennbar war einigen der Lehrer die Schadenfreude erkennbar ins Gesicht geschrieben. Es war im Kollegium nicht verborgen geblieben, dass Denzel immer wieder zu fiesen Methoden griff, um seine Schüler zu disziplinieren. Einige hatten es ihm jetzt wohl heimgezahlt.

Alois und seine Freunde waren sich ganz sicher, dass Denzel genau wusste, wer hinter dem Streich stand. Hatte er nicht den Kommentar verfasst: Der Schüler schwebt mit seinen Gedanken meistens in für ihn unerreichbaren Sphären, sodass es besser wäre, er käme schnellstens auf den Boden der Realität zurück. Er ist ein Träumer, der immer hoch hinaus will, dessen geistiges Vermögen dafür aber nicht ausreicht.

Und so war es auch. Lehrer Denzel verstand der Schüler Wink mit den Zaunpfahl und sinnierte lange darüber, welcher Art Rache er an Alois Zehetmeier nehmen könnte, um die erlittene Schmach zu tilgen. Auf Anhieb fiel ihm nichts passendes ein. Aber eines Tages kam er auf eine blendende Idee, wie er meinte.

Fortsetzung folgt!

 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Hans K. Reiter).
Der Beitrag wurde von Hans K. Reiter auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.01.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

Bild von Hans K. Reiter

  Hans K. Reiter als Lieblingsautor markieren

Buch von Hans K. Reiter:

cover

Der Tod des Krämers von Hans K. Reiter



Wildau, eine kleine bayerische Gemeinde am Chiemsee, ist erschüttert. Der Krämer Michael Probst wird erhängt aufgefunden. Eine unglaubliche Verkettung von Macht, politischen Intrigen, Skrupellosigkeit, Korruption, Sex und Erpressung kommt an den Tag.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (2)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Wie das Leben so spielt" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Hans K. Reiter

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

In diesem Jahr ist's anders... von Hans K. Reiter (Einfach so zum Lesen und Nachdenken)
Bücher zu verschenken von Karin Ernst (Wie das Leben so spielt)
Für die lieben Frauen von Uli Garschagen (Einfach so zum Lesen und Nachdenken)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen