Thomas Kleinrensing

Platon kann nichts dafür

Als erstmalig vor Jahrenden in mir der Gedanke aufflackerte, dass der Niedergang des Schulsystems und Bildungsniveaus in unserm Land nicht auf eine Fahrlässigkeit der Politik zurückzuführen ist, sondern eine langgeplante Umsetzung zur Verblödung der Unterschicht in unserer Gesellschaft sein könnte, war ich erschrocken und schockiert. Sollten wirklich Politiker sich eine 2.400 Jahre alte Philosophie zum Gemeinwesen von Platon zu Eigen gebogen haben? Hat wirklich  jemand von denen jemals Platon gelesen? Und wenn ja, auch verstanden? Unvorstellbar.

Bei Platon, jenem griechischen großen Philosophen und Lehrer, war Bildung für die untere Schicht nicht eingeplant. Allerdings, vorausgesetzt die übergeordneten Schichten und die staatliche Führungsebene wären geistig und moralisch im Handeln und Denken hoch stehend, würde quasi als Abfallprodukt für Handwerker, Arbeiter und Bauern, ausreichend Gerechtigkeit und Glückseligkeit übrig bleiben. Da dieser hohe ethische Anspruch heute wie damals nicht erfüllt wurde und ist, ist wohl Platons Idee nur als Vorgabe des Regierens anzusehen. 

Wenn politische Eliten etwas aus der Geschichte gelernt haben dann nur, dass es immer einfacher ist einen soliden Stamm von Idioten zu regieren als ein gebildetes Volk. So sind auch heute bildungspolitische Konzepte und Statements zu Schulreformen und Bildung nur geeignet für Wahlreden und abendliche Talkshows. Und bitte wer nimmt diese Blasen noch ernst, wer schaut sich die Politikstrategen überhaupt noch an?  

Das gemeine Volk der Dichter und Denker wird systematisch vom gewählten Volksvertreter dumm gehalten, während der gehobene Bildungsbürger zu Dekorationszwecken und Machterhalt gefördert wird. In keinem Land Europas, selbst nicht bei den Briten, entscheidet die soziale Herkunft eines Kindes derart über sein späteres Bildungsniveau wie hier in unserem Land. Wo bleibt die einflussreiche Lobby der Lehrer, die sich zu tausenden in den Parlamenten tummelt, während ihr eigentlicher Arbeitsplatz vor die Hunde geht? Augenscheinlich am liebsten in der Klasse der Parlamentarier und nicht vor den Klassen.

7,5 Millionen Menschen in unserem Staat können kaum bis überhaupt nicht lesen und schreiben. Es ist kein Zufall, dass fast ebenso viele angeben, die Bildzeitung zu kaufen. Nicht verwunderlich, da dieses Blatt den Analphabetismus schon im Namen trägt, Bild. Unser marodes Schulsystem rangiert weiterhin auf den hintersten Plätzen in Mitteleuropa, während die politische Elite seit Jahrzehnten von Chancengleichheit und dem größten Schatz unserer Gesellschaft faselt, von der Bildung für alle Kinder. So nachhaltig und konkret, dass der Putz von den Wänden der staatlichen Klassenzimmer fällt.

Der Politikbolide weiß genau, dass er denen da Unten nur etwas Gerechtigkeit und ein Quäntchen Glück zugestehen muss. Diese Methode hat er mit der von Platon und den Erfahrungen aus der jüngeren deutschen Geschichte gepaart. Zumindest muss immer ein Bestandteil der beiden stabil sein. Wenn der Geiz zum Beispiel nicht mehr geil, sondern eine Überlebensstrategie wird, dann reicht es dem Deutschen, das Gerechtigkeitsgefühl nicht zu verlieren. In einer Zeit wie heuer, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird, ist es für den Ottobürger ausreichend, dass die Armut nicht nur eine Randgruppe betrifft sondern er sich in die immer länger werdenden Schlangen vor Sozial- und Schuldnerberatungen einreihen kann. Das hebt das Gemeinschaftsgefühl ungemein und wenn er den Nachbarn sieht, auch das Rechtsempfinden.

Die gefühlte Gerechtigkeit hat natürlich mit der tatsächlichen nichts zu tun. Nur so ist zu erklären, dass Hoeneß für seine Steuerhinterziehung in Millionenhöhe stehende Ovationen der Mitglieder vom FC Bayern bekam und das noch immer knapp 30 Prozent der Deutschen dem Hochstapler Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg als deutscher Führungspersönlichkeit nachtrauern.

Das alt bewährte Grundnahrungsmittel panem et circenses der antiken Gesellschaften haben wir heute noch. Das sieht man an den aufgepushten Sportsendungen, an DSDS, Voice of Germany, den unterirdischen Realityshows im Nachmittagsprogramm und all den Gut und Günstig Gammelramsch. Georg Schramm brachte es auf den Punkt: „Geistige Beschränktheit kann gesellschaftlich sinnvoll sein und für den Einzelnen eine Gnade“. Er leidet nicht darunter.

Was für ein Volk braucht der Staat? Die Brauchbarkeit war immer, auch in der Bildungspolitik, das oberste Gebot. Die Absonderungen zur notwendigen Umgestalltung zum Wohle aller, sind antrainierte Lippenbekenntnisse und Phrasen. Erinnern wir uns. Seit 1996 hat jedes Kind mit Ende des 3ten Lebensjahres einen gesetzlichen Anspruch auf einen Kitaplatz, ab August 2013 auch alle Ein- und Zweijährigen inklusive Frühförderung. Das steht aber nur auf dem Papier. Fakt ist, dass in der reproduzierenden Phase junger Paare schon einen Anwalt beauftragt sollten um dieses Kitarecht nach der Geburt einzuklagen. Der Anwalt liegt quasi mit im Bett. Und hat das Pärchen den Platz erstritten, ist die Frühförderung und die Qualität vom Geldbeutel abhängig. Jeder Dorfschulze kann die Kitagebühren erhöhen wie es ihm beliebt.

Und damit das nicht für Ärger sorgt, braucht der Staat Menschen die nicht nachdenken. Überhaupt braucht der Staat in erster Linie Verbraucher und Konsumenten, die nicht zögern und vergleichen. Deshalb wird das Geld für Verbraucherzentralen seit Jahren gekürzt. Der Pöbel soll einfach den erst besten Dreck kaufen. Das hat eine bestechende Logik und Systematik. Die Wut wird zwar etwas größer, aber die Verwirrung und Verunsicherung lässt nach. Frustkäufe machen eben glücklich.

Aber vielleicht hat der Staat diese strategischen Planungen vor Jahrenden schon an einen Hundt, einst der große Kläffer des Arbeitgeberverbandes, übergeben. Die Idee, Menschen flexibel für Billiglöhne arbeiten zu lassen, daraus die Renten für nachkommende Generation und zusätzlich seine Riesterrente zu finanzieren, täglich und stetig jeden Mist zu konsumieren, den Jobs hinter herzureisen und auf dem Weg dorthin noch schnell ein paar Kinder zeugen, gehen auf den Hundt zurück. Jetzt werden die in dem Kramerladen weiter entwickelt.

Das passt, da die internationalen Fondsverwalter schon wieder dem Staat das Steuerrecht erklären wollen, so wie Banken und Versicherungen zum Frühstück im Kanzleramt wieder ihre Süppchen kochen. Und jeder Großkonzern weiß, sinkt der Konsum, haben wir ein probates Mittel den Konsumverweigerer los zu werden. Jede Entlassung produziert nämlich nochmals Wachstum. Schon jede Entlassungsankündigung befördert einen positiven Kurssprung. Da hüpft der DAX.

Und damit das alles auch weiterhin so funktioniert, braucht die Politik eben einen breiten, tragfähigen und dummen Unterbau im Volk. Durch diese Taktik lösen sich wie von selbst viele der Widersprüche zwischen Wahlversprechen und Realität auf. Natürlich braucht es dazu etwas Fingerspitzengefühl. Übertreiben und zu offensichtlich sollte man die Strategie nicht nach Außen posaunen, denn dann ist Schluss mit lustig. Ein gutes Beispiel bietet die FDP. Der gelbe Pseudoliberalismus wurde rausgeworfen und standrechtlich abgeschossen, auch wenn Brüderle und Rösler noch leben.

Wenn aber Politiker die ehernen und bewährten Grundregeln der Politik strategisch und systematisch umsetzen, hier ein kleines Glück und dort ein bisschen Gerechtigkeit ausstreuen und sich nicht verplappern, wird das Wachstum und der Konsum so groß, dass auch der Letzte Arbeit findet. Dafür brauchen wir keine Bildungsreform sondern mehr schlichte Gemüter und Platon kann nichts dafür.

12. Januar 2014    
www.tom-kleinrensing.de

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