Ernst Dr. Woll

Pferde bekommen kaum Herzinfarkt, mollig - schöner als dürr

Schon während meiner Jugendzeit in den 1940/50er Jahren machte in unserer Familie und Verwandtschaft der Spruch, der noch heute seine Berechtigung hat, die Runde: „Als junger Mensch jagt man mit der Gesundheit dem Gelde nach, im Alter mit dem Geld der Gesundheit. In der Jugend macht man sich wenig Gedanken darüber, ob es gesundheitliche Folgen haben könnte, wenn man seinen Körper oder gesamten Organismus immer auf Hochtouren laufen lässt, gefährliche Aufputschmittel einnimmt, krankmachende Diäten anwendet oder unseriöser Gesundheitswerbung glaubt.  
Es gibt viele Ratschläge, wie man die Gesundheit bis ins hohe Alter erhalten kann, aber kein Patentrezept für ein „gesundes Leben“ in allen Altersstufen. Es ist der Traum der Menschheit bis ans Lebensende, das man immer weiter hinausschieben möchte, jung, dynamisch und gesund zu bleiben.
Daraus hat sich heute ein immenser Markt für Angebote entwickelt, die man in allen Medien in geschickt aufgemachter Werbung findet. Pharma- und Ernährungsindustrie, Sportgerätehersteller, Fitnessstudiobetreiber, von der Industrie finanzierte Forschungseinrichtungen, Buchautoren, seriöse und unseriöse Fachleute und Viele andere empfehlen ihre Produkte und Anleitungen mit oft fraglichen Erfolgsgarantien. Diese Vielzahl der Empfehlungen ist fast nicht mehr zu überblicken, sie können von Laien nicht sachlich, fachlich beurteilt werden.
Wenn man also auf dem Gebiet „gesund leben“ heute Erfahrungen darstellen will, gerät man sehr schnell auch in den Ruf ein „Besserwisser“ zu sein, um mit undurchsichtigen Empfehlungen Geld verdienen zu wollen. Ich will Erlebnisse beschreiben, worüber man weinen oder auch lachen könnte. Der Leser sollte daraus selbst seine Schlüsse ziehen, ob sie ihm als Rezept für „gesundes Leben“ hilfreich sein könnten.
Ein Unternehmen (das hier aus rechtlichen Gründen nicht genannt wird), das eine Werbekampagne für Vitamine in ausgewählten Kombinationen startete, benutzte hierfür auch Verhaltensweisen und Krankheiten von Pferden. Herzinfarkt gehört nach wie vor zu den häufigsten Todesursachen des Menschen und Empfehlungen, wie die bekannten Risiken zu mindern sind, finden viel Aufmerksamkeit. Deshalb wurde in der Werbung verkündet: „Warum erkranken Pferde kaum an Herzinfarkt? Wir haben es ergründet: Sie bewegen sich viel und ernähren sich natürlich und vitaminreich! Unser  Nahrungsergänzungsmittel enthält alle Wirkstoffe, wie sie auch im natürlichen Futter der Pferde zu finden sind. Das Mittel in der empfohlenen Dosis eingenommen und sich dazu täglich mindestens eine Stunde an der frischen Luft bewegt, reduziert die Gefahr an Herzinfarkt zu erkranken um mindestens 80%!“
Es fanden sich Etliche, die das teure Erzeugnis kauften, weil ihnen die Argumentation logisch erschien. Nur konnte nie, in keiner Studie, der prophezeite Erfolg nachgewiesen werden. Erkrankte wollten den Hersteller verklagen, sie hatten keine Chance. Jeder konnte zu den 20% möglichen Erkrankungsfällen gehören und außerdem war keiner in der Lage, die tägliche einstündige Bewegung nachzuweisen.
Meine Großmutter, die 1947 im Alter von 78 Jahren starb, war immer eine schlanke Frau. Von ihr erfuhr ich viele Lebensweisheiten, so auch zum „gesunden Leben“. Sie meinte: „Dass ich stets schmächtig geblieben bin liegt in meiner Familie, auch ich hätte gern etwas rundlichere Proportionen. Ich habe noch nie gehört: `Die ist aber schön dürr.´ Aber alle sagen:  `Die ist aber schön mollig, die sieht gesund aus.´“  Sie kennzeichnete damit gleichzeitig die damalige Situation vieler Frauen, die in der Kriegs- und Nachkriegszeit wenig zu essen hatten und zwangsläufig mager waren, weil sie auch zum Wohle ihrer Kinder oft selbst aufs Essen verzichteten. Das war ein aufgezwungener Lebensstil. Heute hungern Frauen oft freiwillig.
In der Neuzeit haben sich also die Verhältnisse verändert, niemand will mehr mollig sein, zahlreiche Frauen treiben unheimlichen Aufwand um schlank zu bleiben oder zu werden. Sie übertreiben sogar, wirken dürr und dadurch nicht mehr schön. Diät- und Schlankheitskuren sind hoch in Mode, Magersucht wird zu einer gefährlichen Krankheit. Mediziner warnen und auch die Stimmen seriöser Ernährungswissenschaftler  verhallen im Winde.
In gleicher Weise wird Männern und Frauen, die oft nur ein wenig Übergewicht haben, heute eingeredet, sie seien krank und würden früher sterben. Ich war 1992 mit meiner Frau als Begleitperson in einer orthopädischen Kureinrichtung. Als Gesunder wollte ich trotzdem einige Kuranwendungen in Anspruch nehmen und mir wurden bei der Aufnahmeuntersuchung „Diätmahlzeiten“ verordnet, obwohl ich nach den bekannten Maßstäben nur 4 kg Übergewicht hatte. Ich ließ es über mich ergehen, da ich ja außerhalb der Kureinrichtung Gelegenheit hatte mich hin und wieder satt zu essen. Die Diätassistentinnen waren bei der Essensverteilung derart zickig, dass mir folgendes passierte: Meine Frau hatte Anwendung und ich nahm die Mittagsmahlzeit allein ein. Die Suppe, die ich bekam, war so dünn und eine so kleine Portion, so dass ich das schon bereit gestellte Essen meiner Frau noch vor mich hin stellte und ich wollte beginnen, davon noch etwas zu essen. So schnell konnte ich gar nicht reagieren, wie die Diätassistentin angesaust kam und mir dieses Mittagessen wegnahm. Von da an protestierte ich und verlangte „Normalkost“, die mir gut bekam.
Seit über 70 Jahren fühle ich mich dem Tierschutzgedanken verbunden und habe seither auch etliches dafür getan, unsere Mitgeschöpfe vor Misshandlungen zu schützen und für die Haus- und Heimtiere eine artgerechte Haltung zu garantieren. Nach langjähriger Tätigkeit als Vorsitzender wurde ich Ehrenvorsitzender eines Tierschutzvereins. Man hat mein Engagement im Tierschutz immer angenommen und akzeptiert, auch wenn ich kein Vegetarier wurde und behaupte: Bei diese Ernährungsweise sollte man nicht Mitleid für die Tierwelt in den Vordergrund stellen, sondern auch ernährungsphysiologische Gesichtspunkte berücksichtigen. Wer sich für eine vegetarische oder vegane Lebensweise entscheidet sollte das tun, aber nicht glauben, dass alle diejenigen, die sich dem nicht anschließen, würden unseren Tieren schaden. Von meinem Großvater hörte ich schon seiner Zeit den Spruch: „Wo das Wissen aufhört fängt der Glaube an.“ Manche Befürworter oder Ablehner des Vegetarismus verschließen sich manchmal wissenschaftlichen Tatsachen, dann muss, das habe ich vielfach erlebt, der Glaube herhalten.
Ein passionierter Vegetarier lehnte den Verzehr von Fleisch der Haustiere ab aber Wildtierfleisch hat er leidenschaftlich gern gegessen. Ein anderer hat Rostbratwürste gegessen, weil er meinte, das sei kein Fleisch. Bei einem Vegetarier wurde starker Eisenmangel im Blut festgestellt, eine Therapie mit Medikamenten oder pflanzlichen Nahrungsmitteln, die reich an Eisen sind, blieb ohne Erfolg. Nachdem seine Blutarmut mit anderen Mitteln nicht mehr zu heilen war, entschloss er sich wieder Fleisch zu essen und wurde gesund.  
Viele Menschen meinen mit einheimischen Obst – und Gemüseerzeugnissen aus der Region könnten sie sich gesund ernähren, da scheint sogar etwas dran zu sein. Ein Erlebnis bestärkte aber meine Meinung, viele kleine  Lebensmittelskandale werden gar nicht aufgedeckt, weil es mehr betrügerische Energien gibt, als je Kontrollen möglich wären. Ich kontrollierte 1990 kurz nach der Wende als Amtstierarzt auf einem Wochenmarkt in der DDR und war schon frühmorgens 5,00 Uhr  anwesend. Ein Händler aus den alten Bundesländern hatte viele  Kisten angefahren, in denen sich, richtig deklariert, ausländisches Gemüse befand. Daneben hatte er Behältnisse mit der Aufschrift: „Gemüse aus der Region“ gestapelt, in die er von Leuten, die sich paar „Westmark“ verdienen wollten,  die ausländischen Gemüseerzeugnisse verbringen  ließ. Es bedurfte sogar großer Anstrengungen ihn zur Rechenschaft zu ziehen, weil er behauptete, er habe in der Aufschrift nicht den Namen der Region genannt.
Ebenso kann ich durch eigene Erlebnisse die Medienberichte bestätigen in denen bewiesen wurde: „Wo BIO drauf steht, ist nicht immer BIO drin“, oder in die Packungen mit der Aufschrift „Freilandeier“ rutschen nicht selten Eier aus der Käfighaltung.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.01.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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