Hans K. Reiter

Lausbuben (5)

Den Lehrer Finkenhuber wurmte es gewaltig. Was ihm da widerfahren war, eine Frechheit, wie er fand. Und nicht nur das – seiner Meinung nach, waren subversive Kräfte am Werk, mit dem Ziel, den Lehrkörper, die Autorität des Gymnasiums, der Lächerlichkeit preiszugeben. Das übersteigt das Mass des Erträglichen, hatte er gesagt, aber der Rektor winkte nur ab und hatte geantwortet: Nehmen Sie es gelassener, Schülerstreiche hat es immer schon gegeben. Und er hatte sogar noch hinzugefügt, er, Finkenhuber, solle doch einmal seine Unterrichtsmethoden überprüfen, denn vielleicht läge ja darin die Ursache.

Und so kam es, dass der Bayer Finkenhuber die Nähe des Alexander Denzel suchte und so den Keim für eine Verbrüderung mit einem Nordlicht legte. Jetzt muss dazu erwähnt werden, dass diese Art von Verbindung nichts mit dem Bestreben nach einem multikulturellen Austausch zu tun hatte, sondern andere Ziele verfolgte. Schnell kamen die beiden Lehrer nämlich überein, es diesem heimtückischen Pack heimzuzahlen, an deren Spitze sie unzweifelhaft den Schüler Alois Zehetmeier sahen.

So begannen sich an diesem wunderschönen, sonnigen Wochentag, von dem sogenannten Pack unbemerkt, schwere Gewitterwolken zusammenzubrauen. Freundlich lächelte Alexander Denzel, als er die Arbeitsblätter für die nächste Stunde austeilte und niemand argwöhnte etwas, als der Sportlehrer Finkenhuber den ersten Sportunterricht dieses Tages einläutete. Alles war so, wie immer.

Fünf Minuten vor elf Uhr ertönte über die Lautsprecher der Schulgong und kündigte die nächste Stunde an. Drei Minuten später geschah es. Der Herr Pfarrer der benachbarten Kirche hörte einen heftigen Knall, drehte sich sofort um, blickte hinüber zur Schule und sah, wie schwarzer Rauch aus einem der Fenster im ersten Stock drang. Der Pfarrer liess alles liegen und stehen und lief sofort hinüber, um zu sehen, was geschehen war.

Mehrere schwarzgefärbte Gestalten taumelten gerade aus dem Schulhaus, als der Pfarrer dort eintraf.  Was ist denn geschehen, rief er. Verpuffung, schrie eine der Gestalten, die mit einiger Anstrengung als Alois Zehetmeier zu erkennen war. Nach und nach erfuhr der Geistliche, was geschehen war.

Der Alois und einige andere aus der Klasse hatten die Aufgabe, Vorbereitungen für den folgenden Chemieunterricht zu treffen. Im selben Moment, als der Alois etwas Flüssigkeit aus einer Flasche in einen Behälter mit einer anderen Flüssigkeit goss, kam es zum Knall. Ihm und allen in der Nähe Stehenden fuhr ein gehöriger Schreck in die Glieder, und schwarzer Rauch färbte ihre Gesichter und Teile der Kleidung.

Es kann nicht das in der Flasche gewesen sein, was auf dem Etikett stand, stammelte eine der schwarzen Gestalten und die Martinshörner der eintreffenden Feuerwehrfahrzeuge rissen ihm die Worte aus dem Mund. Schon nach kurzer Zeit zogen sie wieder ab. Es brannte nicht und auch der Rauch hatte sich schon bald verzogen. Irgendeine chemische Reaktion, hörte man einen der Polizeibeamten sagen, die gewissenhaft alle Spuren sicherten. Allerdings fiel ihnen nicht auf, dass die Flasche, die vor kurzem noch der Alois in der Hand gehalten hatte, jetzt nicht mehr identisch mit der vorgefundenen war.

Um es kurz zu machen: Der Fall wurde nicht aufgeklärt. Niemandem war erklärlich, wie es zu dieser Verpuffung hatte kommen können. Jegliche Experimente führten zu keinerlei Ergebnissen. Das Mischen der beiden Flüssigkeiten war harmlos und konnte für das Geschehene nicht verantwortlich sein. Man einigte sich schliesslich darauf, dass auf irgend eine Weise eine nicht näher bekannte Substanz ins Glas gelangt sein musste oder es darin möglicherweise noch Rückstände eines vorangegangenen Versuches gegeben hatte.

Dem Alois und seinen Freunden kam das alles mehr als komisch vor, aber sie fanden keinen Hinweis darauf, dass einer der Lehrer verwickelt gewesen wäre. Sie hatten zwar ein wachsames Auge auf Denzel und Finkenhuber, fanden aber nichts Verdächtiges. Erst als Alois zufällig Wind davon bekam, dass der Chemielehrer just an jenem Tag kurz vor Unterrichtsbeginn einen Anruf bekam, der sein pünktliches Erscheinen zum Unterricht verhinderte, war es für die Clique klar: Es war kein Zufall gewesen!

So sehr sie sich auch abmühten, Alois und seine Freunde fanden nichts, was ihre Theorie bestätigte. Wir müssen uns etwas einfallen lassen, sagte der Alois, und zwar etwas, das diesmal die ganze Schule trifft. Seine Freunde gaben ihm recht. So konnte es nicht bleiben. Die Heimhauser Zenzi hatte zwar den Anruf mitbekommen, aber nicht, mit wem der Chemielehrer gesprochen hatte. Das hatte sie dem Alois erzählt.

Ein paar Tage später sah man, wie Jugendliche in einem mehrere Bahnstationen entfernten Baumarkt verschiedene Materialien einkauften. Aber jene, die es bemerkten, kannten die Burschen nicht, und so blieb es verborgen und drang nicht bis Dingharting ans Gymnasium vor.

In der darauffolgenden Woche war Lehrerkonferenz. Der Unterricht endete an diesem Tag um eine Stunde früher und die Schüler strömten frohen Mutes nach Hause. Nur eine kleine Gruppe blieb unbemerkt zurück. Einer davon war Alois.

Als die Konferenz gegen 22:30 Uhr dem Ende entgegen ging, packten die Teilnehmer ihre Sachen zusammen, sagten sich ein gegenseitiges gute Nacht oder einfach nur ciao und begaben sich zur Türe. Der Flügel schlug zurück, dann stockte der Schritt.

Perplex starrten die Versammelten auf eine Mauer. Den Ausgang gab es nicht mehr. Sie waren gefangen. Gefangene in der eigenen Schule. Wie paradox. Sie verstanden es nicht. Jemand musste die Mauer während der Konferenz hochgezogen haben, und sie hatten es nicht bemerkt. Kein verdächtiges Geräusch, nichts.

Hier, seht her, da, ein Blatt Papier!, rief plötzlich einer. Die Köpfe ruckten in die angezeigte Richtung und tatsächlich, ein Zettel aus einem Block, an die Wand geklebt. Es steht etwas drauf, sagte jemand, der am Nächsten stand. Und er las vor: Diese Mauer ist das Ergebnis einer unmöglichen chemischen Reaktion.

Unter den Anwesenden war niemand, der die Botschaft nicht verstanden hätte und so sagte der Rektor: Verehrte Kolleginnen und Kollegen, sollten wir nicht damit aufhören. Schüler spielen Streiche, das kommt vor, aber doch nicht wir, ihre Lehrer. Und wenn diejenigen, die meinen, es trotzdem tun zu müssen, es nicht lassen können, dann doch bitte mit Witz und Scharm. Dabei sah der Rektor auf die Lehrer Denzel und Finkenhuber. Die anderen nickten, sie hatten es geahnt, jetzt wussten sie es.

Fortsetzung folgt!

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.02.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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