Heinrich von Buenau

Das Licht auf dem Berge

 

Da redete Jesus abermals zu ihnen und sprach: „Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben“

Wieder einmal saß ich bei Anke und Dietmar im Wohnzimmer und versuchte sie von der Richtigkeit des Glaubens zu überzeugen. Was bei ihnen unterschiedliche Reaktionen hervorrief. Während Dietmar grundsätzlich, wenn auch ohne persönliche Konsequenzen, an die Existenz Gottes glaubte und sich ziemlich neutral verhielt, hatte Anke von Anfang an eine Art Frontalopposition eingenommen. Nichts von dem, was ich sagte, hatte bislang vor ihrem ablehnenden, teilweise vernichtenden Urteil Gnade gefunden. Und vermutlich war es nur unserer langjährigen Freundschaft geschuldet, dass sie mir überhaupt noch bei diesem Thema zuhörte.
     Ich hatte beide über das Schachspielen kennengelernt und war eine Zeitlang fast täglich bei ihnen ein- und ausgegangen. Dann aber geriet ich in jene tiefe Sinn - und Lebenskrise, die letztlich im Juni 1985 zu meiner Hinwendung zum christlichen Glauben geführt hatte. In jenen Monaten hatte ich sie nur noch sporadisch besucht, dann aber nach meiner Bekehrung wieder meine regelmäßigen Besuche, diesmal aber im 2-3 Wochenrhythmus, wieder aufgenommen. Natürlich schon mit dem Hintergedanken, sie von der Richtigkeit des christlichen Glaubens zu überzeugen. „Zu missionieren“, wie ich damals gesagt hätte.

An diesem Abend hatten unsere Gespräche schon längst wieder den üblichen Verlauf genommen, als ich mich angesichts des heftigen Widerstandes von Anke fragte, ob meine Besuche grundsätzlich gesehen überhaupt noch einen Sinn machten. Die Argumente waren längst alle ausgetauscht und seitdem ich kein Schach mehr spielte, war diesbezüglich auch nur noch wenig Gesprächsstoff vorhanden.
    Okay, sagte ich zu mir selber, das ist heute das letzte Mal. Danach werde ich sie in Ruhe lassen! Und so holte ich aus, ihnen noch einmal grundsätzlich meine Position und Argumente für den christlichen Glauben darzulegen. Plötzlich hörte Anke ruhig zu und begann dann sogar Nachfragen zu stellen. Das hat sie doch noch nie getan. Was ist denn jetzt auf einmal los?, fragte ich mich leicht irritiert. Und als wenn sich plötzlich der Wind gedreht hätte, war in der Folge nicht mehr der geringste Widerstand bei ihr zu spüren. Und nicht nur, dass sie klug nachfragte, sie schloss auch bemerkenswerte Folgerungen aus dem Gesagten. Auf einmal schien sie alles zu verstehen und anzunehmen, was ich sagte. Ich konnte es einfach nicht fassen!

Wenn Dietmar diese Wandlung Annes ebenfalls irritiert haben sollte, so ließ er es sich nicht anmerken. Etwa gegen 23 Uhr zog er sich mit den Worten: „Ich bin müde und leg mich jetzt Schlafen! Aber ihr könnt ja ruhig noch weiter diskutieren“, ins Schlafzimmer zurück. Ein Vorgang, der nicht ungewöhnlich war, denn er war berufstätig und musste am nächsten Morgen zur Arbeit. So blieben Anke und ich also alleine im Wohnzimmer zurück.
     Wir hatten uns noch eine ganze Weile angeregt unterhalten, als Anke plötzlich aufstand und mit den Worten: „Also, ich mal jetzt mal schöne Musik“, rüber zum Plattenspieler ging. „Gute Idee!“, sagte ich und stand ebenfalls auf. Vom langen Herumsitzen waren mir die Beine etwas schwer geworden und ich nutzte die Gelegenheit im Zimmer ein wenig im Zimmer umher zu gehen.

Während sie also nun mit der Plattenwahl beschäftigt war und ich mir im Zimmer die Beine vertrat, vernahm ich auf einmal recht deutlich eine innere Stimme: Frag sie, ob sie sich nicht zum Glauben bekehren möchte! Ich war erst völlig überrascht, dann zutiefst erschrocken. Mit jemanden über den Glauben zu diskutieren ist eine Sache, ihn oder sie aber zur Bekehrung aufzufordern, eine andere. Sie wird sich vielleicht bedrängt fühlen und womöglich heftig reagieren!, dachte ich und zögerte.
    Andererseits hatte ich aber die innere Stimme deutlich vernommen. Um dies zu leugnen, hätte ich mich schon selber belügen müssen. Schließlich ging ich zu ihr hinüber und sagte so beiläufig wie möglich: „Anke, darf ich dir mal eine Frage stellen?“ Sie blickte überrascht von ihren Platten hoch und sagte: „Ja, worum geht`s?“ Nun gab es kein Zurück mehr. Ich überwand meine Furcht und fragte sie ganz behutsam: „Anke, möchtest du dein Leben nicht Jesus übergeben?“ Für einen Moment lang herrschte betretenes Schweigen im Raum. Dann aber sagte sie beinahe schüchtern: „Aber ich weiß doch noch so wenig darüber!“ Ich atmete erleichtert durch. Sie hatte zumindest nicht wie befürchtet heftig reagiert.

    „Ach“, entgegnete ich. „das macht nun wirklich nichts! Als ich mein Leben Jesus übergeben habe, wusste ich auch nicht allzu viel darüber. Entscheidend ist nur, dass man es will. Der Rest ergibt sich dann schon.“ Sie schaute erst noch skeptisch vor sich hin, aber nach einigem guten Zureden willigte sie schließlich ein. „Okay“, sagte ich, „dann lass uns gemeinsam beten!“

Anke hatte ein sehr persönliches Gebet an Gott gerichtet und eine Lebensübergabe vollzogen. Nun saß sie still da. Jetzt begann ich zu beten und dankte Gott, dass Anke tatsächlich den Weg zum Glauben gefunden hatte.und dass Er sie nun auch auf ihrem weiteren Lebensweg leiten und beschützen möge. Während ich so betete, kam mir plötzlich ein Gedanke in den Sinn. Ich überlegte kurz, ob ich ihn aussprechen sollte. Dann aber tat ich es: „Anke, Jesus sagt zu dir: Ich bin das Licht auf dem Berge!“
    Ich hatte die Augen geöffnet, als ich sie ansprach und sah nun, dass sie ihre Augen jetzt ebenfalls öffnete. Sie blickte mich völlig erstaunt an und sagte dann:„Weißt Du, Heiner, was ich gerade erlebt habe?“ Ich schaute sie fragend an. „Als du betetest, sah ich vor meinem inneren Auge auf einmal einen im Halbdunkel liegenden Berghang. Man konnte eine Wiese und Bäume erahnen, aber nichts Genaues erkennen. Mit einem Mal erschien auf der Bergkuppe ein unwahrscheinlich helles Licht und begann schlagartig den ganzen Berghang zu erleuchten.“ Sie machte eine kleine Pause und fuhr dann fort: „Und gerade als ich mich fragte, was dies denn für ein Licht sei, sagtest du, Jesus sagt zu dir: Ich bin das Licht auf dem Berge!“
     Für einen kurzen Moment war ich richtig geplättet. Dann hatte ich mich wieder gefasst. „Weißt Du, was das bedeutet, Anke?“ Ohne ihre Antwort abzuwarten, fuhr ich fort: „Das bedeutet, dass Jesus dir eine direkte Antwort, ein Zeichen, gegeben hat! Damit du sicher weißt, dass du den richtigen Schritt getan hast. Unglaublich!“ Sie strahlte nun über das ganze Gesicht und nickte: „Ja, das ist dann wohl so!“ Mir fiel ein Satz ein, den ich irgendwo einmal aufgeschnappt hatte: Wenn wir uns einen Schritt auf Gott zubewegen, kommt er uns mit einem Riesenschritt entgegen! Ich sprach ihn aus und Anke nickte: "Das ist schon wirklich verblüffend, wie nahe Gott einem kommen kann!“

Hier endet meine kleine Geschichte. Anke schloss sich wenig später einer Baptistengemeinde an und ist, so weit ich weiß ,bis heute dem Glauben treu geblieben.

 

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