Ernst Dr. Woll

Wenn ich an Ostern denke

Wenn ich an Ostern denke, dann kreisen meine Erinnerungen um die Schuleinführung, die Konfirmation, die Jugendweihe und regionale Osterbräuche. In Deutschland war schon seit der Kaiserzeit der Schuljahresbeginn nicht einheitlich geregelt und ist erst heute in allen Bundesländern auf das Ende der Sommerschulferien festgelegt. Ich wurde  Ostern 1938 eingeschult und ab 1941 wurde dann im damaligen Deutschen Reich die Schuleinführung auf Anfang September festgelegt, das wurde nach 1945 in den Bundesländern der „Trizone“, außer in Bayern wieder rückgängig gemacht In der SBZ (Sowjetische Besatzungszone) behielt man auch den Septembertermin bei. Ab 1964 war dann Bayern wieder Vorbild für die BRD und die Schule begann erneut nach den Sommerferien. Insgesamt verhinderten in Deutschland seit dem Kriegsende 1945 bis heute in den einzelnen Bundesländern zahlreiche Schulreformen ein einheitliches Schulsystem. Mit schulpflichtigen Kindern sollte man deshalb noch jetzt in der Neuzeit tunlichst nicht in ein anderes Bundesland umziehen.
Während meiner Kindheit war die Schuleinführung kein so großes Familienfest, wie es heute vielfach gefeiert wird. Außer der  mit Süßigkeiten gefüllten Zuckertüte und den für den Schulanfang benötigten Utensilien gab es auch keine weiteren Geschenke. Persönlich erinnere ich mich noch an eine Enttäuschung, ich bekam den Schulranzen meiner Cousine, der noch sehr gut erhalten war. Es war aber ein Mädchenranzen, daran erkennbar, dass die Verschlussklappe im Gegensatz zu Jungenranzen nur bis zur Hälfte der Rückseite reichte. Für mich eine Katastrophe, denn damals galt in der Grundschule auf fast allen Gebieten eine strikte Abgrenzung zu den Mädchen. Man wurde von den Schulkameraden ausgelacht, wenn man Kleidungsstücke oder anderes Mädchenhaftes trug oder sich mit Mädchenspielzeug abgab.
Religionsunterricht gab es damals in der Schule nicht, aber für uns Kinder, deren Eltern kirchlich gebunden waren, dann ab 7. Klasse für Jungen und Mädchen zusammen Konfirmandenunterricht. Zur letzten Konfirmandenstunde besprach unser Pfarrer allein mit uns  Jungen (wahrscheinlich auch getrennt mit den Mädchen)  Aufklärungsfragen zum Verhältnis von Mann und Frau. Im Grunde vernahmen wir aber nur, dass ein intimes Zusammensein – was das bedeutete sagte er nicht - erst nach der Eheschließung geboten sei und man keine Witze über dies alles machen sollte. Ich erinnere mich noch an seinen Spruch:
„Kind wirst du rot,
so warnt dich Gott“.
Im Übrigen bereitete er uns auch auf die Prüfung, die eine Woche vor Palmsonntag stattfand, vor. In der Kirche versammelten sich hierzu viele Mitglieder der Kirchengemeinde. Der Pfarrer teilte uns schon die Prüfungsfragen mit und wir mussten nur aufpassen, dass wir auch die uns zugedachte Frage erhielten. Es war aber auch möglich, dem Nachbarn leise und heimlich vorzusagen. Also wurden wir von diesem Geistlichen, der Vorbild sein sollte,  zum Schwindeln angehalten. Ich habe es ihm verziehen, weil er vielleicht mehr Angst vor dieser Prüfung als wir Kinder hatte.
In der DDR gewann dann die Jugendweihe an Bedeutung, die aber auch um die Osterzeit herum stattfand. Ursprünglich verweigerten die Pastoren Kindern, die sich für die Jugendweihe entschieden hatten, die Konfirmation; das änderte sich aber ab Ende der 1960er Jahre und in vielen Kirchgemeinden war für die Jugendlichen Beides möglich.
Viele Osterbräuche in Verbindung mit Osterhasen, bunt bemalten Ostereiern und ähnlichem sind in ganz Deutschland verbreitet. Meine Eltern und Großeltern verstanden es, mir die Geschichten um den Osterhasen eindrucksvoll und spannend zu vermitteln; ich glaubte sehr lange, dass es Eier legende Hasen gäbe und suchte mit Hingabe  in unserem großen Garten die angeblich von ihm stammenden Ostereier. Ich meine, ich war 6 Jahre alt, als ich heimlich beobachtete wie meine Mutter die Eier im Gras, zwischen Blumen, Wurzeln usw. versteckte. Ab dieser Zeit schauspielerte ich und ließ die Erwachsenen in dem Glauben, ich sei noch von der Existenz des Osterhasen überzeugt, obwohl er und der Weihnachtsmann nunmehr Märchenfiguren für mich waren.  Meine kindliche Freude über dieses Fest hatte jedoch auch eine Schattenseite. Alljährlich wurden zu Ostern für den Festbraten Ziegenlämmer geschlachtet!
In unserer Familie mussten wir Kinder alles, was auf den Tisch kam, essen, es durfte nichts auf dem Teller bleiben. Dieses Ziegenlammfleisch schmeckte mir aber gar nicht. Es war so lasch. Am Schlimmsten war aber, dass ich während des Essens immerfort an die quirligen  und lebensfrohen Ziegenlämmer dachte, mit denen ich vorher gespielt hatte und die so jung  sterben mussten.   Erst als ich erwachsen war, entschied ich selbst über meinen Speiseplan, ich aß nun, eingedenk der Kindheitserinnerungen,  kein Ziegenlammfleisch mehr.
In meiner Ostthüringer Heimat gab es für Kinder einen besonderen Osterbrauch, das so genannte Ostereier werfen.  In mit buntem Garn gehäkelte „Eiernetze“ kamen hartgekochte Eier. Ein Strick am Netz ermöglichte dessen schleudern, hoch und weit werfen. Wessen Eier dabei am längsten hielten war Sieger. Wenn alle gekochten Eier kaputt waren,  kamen  dann „Holzeier“ zum Einsatz. Nun galten Höhe oder Weite des Wurfes als Wettbewerbsziel. In meinem Heimatort gab es eine so genannte Eierwiese (ca. einen halben Hektar groß), auf der zu den Osterfeiertagen reger Betrieb beim „Eier aufwerfen“ herrschte. Ich erinnere mich an ein Osterfest als ich 6 Jahre alt war. Am 1. Feiertag vormittags übte ich schon in unserem Garten das „Eierwerfen“ um  am Nachmittag auf der Eierwiese zu den Favoriten zu gehören. Die kaputt gegangenen Eier habe ich immer gleich gegessen. Als ich das 10. Ei aus der Küche holte wurde meine Mutter aufmerksam und unterband mein Tun. Sie tat recht, denn nach einiger Zeit setzte bei mir wie erwartet Bauchweh ein: 10 hart gekochte Eier sind für einen Kindermagen wohl doch etwas zu viel.

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