Andreas Rüdig

Holodeck

Das Holodeck ist ein Raum dargestellt, in dem beliebige virtuelle Welten mittels einer Kombination aus Holografie- und Replikatoren-Technik simuliert werden können. Im Unterschied zu tatsächlich existierenden Virtuellen-Realität- und CAVE-Systemen können die dargestellten Umgebungen, Gegenstände und Personen aber nicht nur visuell und akustisch, sondern auch haptisch = tastsensorisch realistisch wahrgenommen werden, so daß beim Benutzer ein Gefühl völliger Immersion erzeugt wird.
Das Holodeck gibt es in verschiedenen Varianten. In einer Spielart löst sich simulierte komplexe Materie (wie holographische Menschen) außerhalb des Holodecks auf, während in anderen Variationen einfache Gegenstände aus dem Holodeck mitgenommen werden können. Das Holodeck ist, ähnlich wie ein Replikator, in der Lage, Materie zu erzeugen oder per Transporter ins Holodeck zu beamen. Trinkt jemand im Holodeck Bier, wird dieses kurz vor dem Moment des Trinkens repliziert und dadurch materialisiert. Auch der Zusammenhang zwischen räumlicher Ausdehnung des Holodecks und der Begrenzung der darin erzeugten begehbaren virtuellen Welt ist unterschiedlich: In einer Folge wirft ein Holodeck-Nutzer einen Gegenstand an die Wand des Holodecks, die mit einer kurzen Verzerrung des Bildes reagiert. In anderen Folgen dagegen bewegen sich die Besucher des Holodecks scheinbar ohne räumliche Grenzen, wenngleich sie schon längst auf eine Wand hätten treffen müssen - was allerdings oft durch ein Kraftfeld erklärt wird, das eine tatsächliche Bewegung tretmühlenartig verhindert. Ein wichtiges dramaturgisches Element der Holodecktechnologie sind die sogenannten Sicherheitsprotokolle, die trotz der haptischen Dimension der virtuellen Umgebungen gefährliche Verletzungen der Protagonisten ausschließen sollen.
Sex und käufliche Liebe sind schmutzig, dreckig, verdammenswert und gehören allein schon deswegen verboten. Der Geschlechtsverkehr sollte auf den Bereich der häuslichen Familie beschränkt sein! Insbesondere hübsche junge Damen sollten sich züchtig kleiden und so nicht die Blicke von Jünglingen und jungen, noch ledigen und somit leicht erregbaren Herren auf sich ziehen. Hosen, die nicht unterhalb des Knöchels, und Hemden, deren Ärmel nicht unterhalb des Handgelenks enden, sollten gar nicht erst getragen werden. Auch bauchfrei ist verpönt. Ich werde gegen die Sittenlosigkeit auf den Straßen angehen müssen. Meine Tochter soll nicht in den Händen eines Mannes enden!
 
Aber Mama! Soll ich lesbisch werden!
 
Nein. Nonne werden! Denke nur nie mehr daran, daß es Männer gibt! Vergesse gefälligst schnellstens, was man mit ihrem Beckenbereich so alles machen kann!
 
Aber Mama! Das ist doch ihr schönster und interessantester Körperbereich.
 
(Plumps)
 
Aber Mama! Warum bist du denn jetzt in Ohnmacht gefallen?
 
 
Wie kann ich Spaß haben, ohne daß mir Mama gleich auf die Pelle rückt? Dies war nun die zentrale Frage. Die Lösung ist mir schnell in den Sinn gekommen: Wir haben da ein paar ungenutzte Räume im hinteren Bereich unserer Wohnung. Mama hatte nichts dagegen, als ich sie fragte, ob ich nicht einen davon nutzen könnte.
 
Dort habe ich mir ein Holodeck eingerichtet. Die Wände sind mit weißer Raufasertapete bedeckt. Dann habe ich mich an den Rechner in meinem Kinderzimmer gesetzt. Dort dann ich ein ganz spezielles Programm heruntergeladen. Es besteht aus 2 Teilen. Die harmlose Variante ist ein Yoga-, Entspannungs- und Gymnastikprogramm. Wie der Name schon sagt: Nach einem harten Arbeitstag dient es zur Entspannung. Das Programm bietet das gesamte Wohlfühlprogramm, das der Sportsektor zu bieten hat. Diesen Teil kennt auch Mama. Sie nutzt das Programm manchmal selbst.
 
Der zweite Teil ist schon wesentlich anregender. Sexuell auf jeden Fall. Die Missionarsstellung gibt es hier genauso wie Voyeurismus, Exhibitionismus, Sadomasochismus, Zoophilie und was es sonst noch an Schweinskram in der Liebe gibt. Das Programm ist ehr bildend. Ich habe nirgends so viel über die Spielarten der Liebe erfahren.
 
 
Charlotte, mein Schatz?
 
Ja, Mama?
 
Kommst du mal eben, bitte?
 
Ja, was ist denn, Mama?
 
Ich möchte dir Sigismund vorstellen. Sigismund, das ist meine Tochter Charlotte.
 
Und wer ist Sigismund?
 
Sigismund ist mein neuer Hausfreund.

Hausfreund? Ich wußte gar nicht, daß du einen Hausfreund hast, geschweige denn, daß du dich für Männer interessierst.
 
Ja, ja, ich weiß, Charlotte, daß du mich für prüde hältst. Du tust mir aber Unrecht. Du bist doch selbst der beste Beweis dafür. Ohne einen Mann in meinen Leben würde des dich ja schließlich nicht geben. Aber zurück zu Sigismund. Rate mal, wo ich ihn kennengelernt habe. Genau: Bei dir im Holodeck. Irgendwie bin ich wohl an eine falsche Taste geraten. Das Gymnastikprogramm war jedenfalls urplötzlich weg. Dafür stand Sigismund vor mir und fragte mich, ob er mich auspeitschen dürfe.
 
Er? Dich? (Keuch) (Keuch) Mama! Ich wußte gar nicht, daß du auf Sadomaso stehst.
 
Tja, Charlotte, mein Schatz, du weißst so vieles nicht.
 
Wie kann ich Mama davon abhalten, sich Sigismund gegenüber als Turteltäubchen zu betätigen? Genau: Ich muß 2 Schritte unternehmen. Zum einen muß ich Sigismund abschalten und ihn so für Mama unerreichbar machen.
 
In einem zweiten Schritt muß ich dann den Zugangscode für das Hologramm verändern. Wenn Mama nicht mehr in ihre Phantasiewelt kann, wird sie zwar anfangs traurig sein; alsbald wird sie aber ihren Sigismund und all´ die anderen Gestalten aus dieser künstlichen Welt vergessen.
 
So – der erste Schritt wäre getan. Ich habe mich an den Rechner in meinem Kinderzimmer gesetzt und Sigismund konsequent aus dem Hologrammprogramm gestrichen. Naja, nicht komplett gestrichen. Er sieht jetzt mit seiner schwarzen Kutte und den feurig glühenden Augen wie ein Henkermeister aus. Kitschiger habe ich es nicht hinbekommen.
 
Den zweiten Schritt habe ich nun auch gemacht. Ich bin in mein Sex-Holodeck gegangen und habe dort all´ meine virtuellen Freunde zusammengerufen. „Hört mal,“ habe ich zu ihnen gesagt. „Sigismund war der neue Freund von meiner Mutter. Daher mußte ich sein Aussehen leicht verändern. Er sieht jetzt wie ein Henker aus.“
 
In diesem Augenblick war ein leichtes Flimmern zu sehen. Zunächst achtete ich nicht darauf. Sondern erklärte meinen Sexualpartnern, warum ich sie für mich alleine haben wollte. Erst als ich an der Eingangstür stand und merkte, daß die Tür verschlossen war, ging mir ein Licht auf. Mama hatte dreimal vergeblich versucht, in das Holodeck zu gelangen, und damit das Sicherungssystem ausgelöst. Leider kann man es nur von außen verändern.
 
Eigentlich hat Mama das genaue Gegenteil dessen erreicht, was sie nicht wollte – nämlich Sex (für mich) ohne Ende.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.03.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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