Ernst Dr. Woll

Radio, Kino, Fernseher, Computer, Handy, Smartphon

Wenn ich heute die Berichte über „Elektronikmessen“ höre und Bilder davon sehe, denke ich unweigerlich an Erlebnisse während meiner Kindheit in den 1930er Jahren und welche Entwicklung diese Technik seither nahm. Wir „Alten“ verstehen die heutigen Kinder und Jungendlichen nicht mehr, wenn sie sich über die neuen elektronischen Medien und Kommunikationstechniken unterhalten. Ab den 1990er Jahren habe ich begonnen, mich intensiv  mit Computer und Internet zu beschäftigen und beherrsche nunmehr Grundbegriffe der Anwendungsmöglichkeiten. Häufig muss ich aber die Enkel fragen, wenn ich Probleme, besonders mit neuer Hartware, nicht selbst lösen kann.
Mit all den Funktionen des Handys, ein solches Gerät schaffte ich mir 1998 an, stehe ich noch bis heute teilweise auf Kriegsfuß. Mir genügt es aber, damit überall telefonieren zu können und telefonisch erreichbar zu sein. Für meine Handyanschaffung  war ein simples Ereignis ausschlaggebend. Wir wohnten in Erfurt und ich hatte mit meinen Enkeln einen Ausflug nach Jena gemacht. Auf der Rückfahrt kamen wir auf der Autobahn in einen großen Stau und befürchteten eine sehr lange Wartezeit. Damit sich die daheim gebliebene Oma keine Sorgen macht, wollte ich gern Bescheid geben. Ein mitbetroffener wartender Autofahrer telefonierte mit einem Handy. Als er fertig war, bat ich ihn um Hilfe - selbstverständlich gegen  Bezahlung - mit dem Mobiltelefon meine Angehörigen zu Hause zu benachrichtigen. Er lehnte mit der Begründung ab,  es würde keine Notsituation vorliegen und er lässt grundsätzlich niemand mit seinem Handy telefonieren. Dies, unabhängig von Anderen zu werden und wenn bei alleinigen Spaziergängen etwas passieren sollte schnelle Hilfe herbeizuholen, waren für mich die wichtigsten Anlässe, schnellstens ein solches Gerät zu kaufen.
Dass heute das Handy zum kleinen Computer (Smartphon) entwickelt wurde, mit dem man nicht nur telefonieren sondern fotografieren und Videoaufnahmen machen, es als Navigationsgerät und vieles mehr benutzen kann, ist mir unbegreiflich. Meine Kinder sagen: „Das braucht man auch nicht begreifen, man muss nur alle diese Funktionen richtig anwenden können.“ Das widerstrebt meiner Grundauffassung und ich entsinne mich, dass in meiner Kindheit Radio und Telefon, aus dem man sehr weit entfernte Menschen sprechen hören konnte, eine große Sensation waren. Doch im Gymnasium begriffen wir, dass dies alles mit der Elektrik und Wellenlehre zusammenhängt, deren Grundprinzipien wir im Wesentlichen  auch verstehen lernten. Um heute ins Wesen der Elektronik einzudringen muss man Spezialist sein. Wir konnten in unserem ersten Radio noch selbst kaputte Röhren oder Schalter auswechseln, bei den heutigen Geräten traut man sich nicht einmal, ohne Gefahr das Gehäuse zu öffnen oder gar „Inneres“ zu reparieren.
So habe ich nunmehr als alter Mensch aufgehört die moderne Technik begreifen zu wollen, weil ich sogar viele Schwierigkeiten mit der komplizierten Bedienung all der neuen Geräte habe. Meine Frau und ich sagen deshalb Kindern und Enkeln: „Schenkt uns bitte nichts mit mehr als 5 von einander abhängigen Bedienungsknöpfen, weil wir immer wieder vergessen, wann wir wo und wie richtig drücken müssen.“ Beim Einkauf von Geräten mit Elektronik müssen sie uns grundsätzlich beraten und in die Handhabung einweisen. Die Gebrauchsanweisungen sind häufig kompliziert abgefasst und von uns Laien nicht zu verstehen.
Wie war ich einst stolz, dass wir in meinem Heimatort in einer Umgebung von 6 Bauern- bzw. Einfamilienhäusern 1937 als einzige Familie ein Radio (Marke Nora) besaßen.  Bei wichtigen politischen Nachrichten, besonders bei „Hitleransprachen“, kamen die Nachbarn zu uns und in unserem Wohnzimmer mussten wir Kinder immer ganz still sein. Nur die Erwachsenen führten im Anschluss an die Sendungen  heftige Debatten. „Schlimmer Krieg wird bald kommen“ sind die Worte, die mir bis heute in Erinnerung geblieben sind. Als dann in den Folgejahren Unmengen billige „Volksempfänger“ in den Handel kamen schafften sich fast alle Familien ein solches Radio an. Eine vortreffliche Methode für die Nationalsozialisten, um damit ihre Propaganda zu verbreiten.
Man sah dann überall zwischen den Gebäuden die gespannten Antennendrähte, in deren Mitte ein Draht befestigt war, der zum Wohnzimmerfenster führte. Ohne diese aufwändigen Antennen war damals der Empfang relativ schlecht. Der Begriff Antenne ist heute eher als „Senderbezeichnung“ und kaum noch als technischer Gebrauchsgegenstand bekannt, weil Antennen in den Empfangsgeräten fast nicht mehr sichtbar sind.
Mein 10-Jähriger Urenkel fragte mich kürzlich: „Was habt ihr eigentlich früher gemacht, als es noch keine Fernseher und Computer gab?“ Ich antwortete: „Noch richtig natürlich mit oft selbst gebastelten Spielsachen gespielt, auf der Straße und im Wald mit Kinderspielen („Fangen“, „Fischer, wie tief ist das Wasser“, „Räuber und Gendarm“ und ähnliche) viel Spaß und Freude gehabt, gelesen und mit der Großmutter „Mensch ärgere dich nicht“ gespielt. Eine große Sensation war für uns der Besuch von Kinovorführungen - anfangs einmal in der Woche im Tanzsaal, später - als wir 14 Jahre alt waren - in einem richtigen Kino. Seine Reaktion: „Oh, das war ja allerhand, trotzdem wart ihr arm dran.“
Das konnte ich so nicht ganz stehen lassen und ich erzählte in schwärmerischer Erinnerung von unseren Kinobesuchen, die für uns damals durchaus ein „Fernsehersatz“ waren: „Wir bekamen auch wenig Taschengeld – darüber beklagt ihr euch ja heute ebenso – und wir mussten den Kinobesuch selbst bezahlen. So waren wir immer darauf bedacht Karten für die billigsten Plätze, die kosteten  50 Pfennige, zu bekommen. Im Kinosaal waren diese vorn von der Leinwand ab die Plätze der ersten 5 Stuhlreihen und immer zuerst ausverkauft. So gab es schon beim Anstellen um die Karten die ersten Rangeleien. Verständlicher Weise waren in der 5. Reihe dann die besten Plätze, wo man sich nicht allzu sehr beim Hochschauen auf die Leinwand den Hals verrenken musste. Wenn die Türen zum  Einlass geöffnet wurden stürmten wir los, um die begehrten Plätze zu erobern. Dann durften wir spannende und auch lustige Filme sehen, die durch die damals bekannten Filmschauspieler Rühmann, Lingen, Moser und vielen anderen ebenso interessant waren wie die Revuefilme mit Marika Rökk und weiteren Filmgrößen. Wir fühlten uns oft in eine andere glitzernde erstrebenswerte Welt versetzt. Ich glaube, das würde euch heute nicht mehr ausreichen, ihr lasst euch leider von Themen wie Kampf, Mord, Autojagd und vielen Sensationen mit Verbrechen begeistern, die in vielen Fernsehfilmen im Vordergrund stehen. Vielleicht wäre ich als Kind auch davon angetan gewesen, bin aber froh, dass wir uns noch an harmlosen Dingen erfreuen konnten. Mit Begeisterung erzählten wir als Jugendliche damals den Witz: In einem Film beginnt an einem Badestrand eine hübsche junge Frau ihre Kleider auszuziehen; als sie gerade die Bluse abstreifen will fährt ein Zug vorbei, der die nächsten Handlungen verdeckt, bis man sie wieder in einem Badeanzug sieht. Zwei junge Männer sehen sich immer und immer wieder diesen Film an und meinen: `Irgendwann muss dieser verflixte Zug doch auch mal Verspätung haben!´“
Ich merkte, mein Urenkel hatte nur höflicher Weise zugehört, denn er sagte: „Die meisten guten Filme kann man sich heute schon auf dem Tablet Computer, den wünsch ich mir,  ansehen, da braucht man gar keinen Fernseher mehr. Man kann selbst ein von den Eltern verhängtes Fernsehverbot geschickt umgehen.“

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.03.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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