Irene Beddies

Wendel: Wohin nun?





Unser kleines Gespenst schaute verwundert in den Garten. Das Hundehaus war verschwunden. Auf dem Rasen standen Möbel im Mondschein und im Haus rumpelte es. Was war da los?
Besorgt schwebte es wieder in den Dachboden zurück, um besser hören zu können, was das Rumpeln verursachte. Da erschien auch schon sehr aufgeregt das Mäuschen.
„Was ist denn hier los?“, fragte Wendel.
„Weißt du denn nicht, dass die alte Frau vor ein paar Wochen gestorben ist? Nun sind Leute im Haus, die alle Möbel und Sachen der Frau aus dem Haus schaffen. Schon gestern war ein Möbelwagen hier und hat große Möbel abtransportiert. Aber das hat nicht gereicht, viele Sachen sind noch da und werden auf den Rasen gestellt.“
„Das habe ich gerade gesehen“, antwortete Wendel. „Aber was hat das zu bedeuten?“
Die Maus guckte erstaunt: „Das bedeutet, das Haus wird verkauft werden. Andere Leute werden hier einziehen. Wer weiß, was die alles anstellen? Sicherlich wird neu gestrichen, und was kaputt ist, wird repariert.“
„O je, dann werden sie die Luke heil machen. Wie soll ich dann hier herein kommen?“
„Ich werde ausziehen müssen“, überlegte die Maus, „die neuen Leute werden sicherlich die Löcher in der Wand entdecken und sie zumauern. Dann kann ich nicht mehr in die Küche. Noch heute Nacht will ich mich umsehen, wo ich eine neue Bleibe finden kann. … Das solltest du auch tun“, fügte sie noch hinzu, „ehe es zu spät ist und du hier nicht mehr heraus- oder hereinkommst.“
„Danke für den guten Rat. Ja, das will ich tun. Ich will mich mit der Eule beraten. Ach, übrigens, wo ist der schreckliche Hund geblieben?“
„Den haben sie als erstes abgeholt. Sie sagten, er solle ins Tierheim, weil ihn  keiner haben will. -  Ich will mich jetzt schleunigst auf die Suche nach einer gemütlichen und sicheren Mäusewohnung machen. Dir wünsche ich Erfolg bei deiner Suche.“
„Danke“, sagte Wendel, „und auch alles Gute für dich.“
Damit verschwand er aus der Dachluke in die Nacht.

Wohin? Wo war ein gutes Versteck für ein kleines Nachtgespenst?
Die Eule riet vom Wald ab. Dort gab es immer die Möglichkeit, dass ein Sonnenstrahl oder ein Tier in eine Baumhöhle dringen konnte. In der Stadt waren keine Dachluken zu finden, die offen waren oder offen bleiben würden. Zu Paul in den Keller wollte Wendel nicht ständig, denn dort hatte er keine Ruhe, wenn er einmal einen ganzen Tag durchschlafen wollte. Außerdem war der Keller ja während der Ferien unerreichbar. Da blieb eigentlich nur der Rathausturm, in dem sich die große Uhr befand. Deren Glocke aber schlug so laut die Stunden an, dass an lange Ruhe nicht zu denken war.

Wendel fiel schließlich der Bauernhof ein, in dem er vor nicht so langer Zeit das neugeborene Fohlen bestaunt hatte. Er schwebte dorthin.
Wirklich, im Stall war ein Fensterloch hoch oben unter dem Dach. Es hatte keinen Rahmen und kein Glas. Gerade flog eine Schleiereule dort hinaus.
Er besah sich das Fensterloch von allen Seiten, schlüpfte in den Stall und entdeckte auch gleich das Nest der Schleiereule mit zwei Jungen darin auf dem nächsten Balken. Hier würde er sicher sein. Der Bauer wusste sicherlich von dem Nest und hatte nichts dagegen.
Unter den Dachbalken lagen verschiedene Gegenstände und große Bündel Heu und Stroh. Durch eine offene Luke im Boden, an der eine Leiter lehnte, konnte Wendel die beiden Pferde sehen.
Er schwebte um die Gegenstände herum und suchte nach einem gemütlichen und sicheren Platz. Da war ein großer Korb, in dem rostige Eisenteile lagen. Dann gab es dort eine Holzkiste in einer besonders dunklen Ecke. Sie war leer bis auf ein wenig Heu, das hineingefallen war. Probeweise legte er sich in die Kiste. Hier ließ es sich gut schlafen. Und da die Geisterstunde fast vorüber war, blieb er gleich liegen.
Morgen würde er sich entscheiden, ob er hier bleiben wollte.


© I. Beddies


 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 31.03.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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