Jacques Lupus
Der Wellensittich
Der Wellensittich
(Zufällige Übereinstimmungen mit dem wahren Leben wären rein zufällig!)
© Jacques Lupus
Unsere Mutter Erde hat eine Vielzahl von Arten vereint, die friedlich oder nicht miteinander schlecht und recht leben.
Selbst wir Menschen haben damit ständig unsere Probleme!
Nicht zuletzt zeigen das die Kriege allein im 20. Jahrhundert; aber auch die großen und kleinen Konflikte bei Nachbarn, auf der Arbeit unter Kollegen oder im Familien- oder Freundeskreis haben es in sich. Oft müssen selbst Anwälte sprechen!
Das Wort der Bibel - Liebe deinen Nächsten - hat hier wenig Gehör, und stets geht es nach dem Wort - Aug um Aug, Zahn um Zahn - , selbst wenn es um die Klärung von Nichtigkeiten geht. Der Lebensraum ist schon manchmal zu klein für diesen und jenen Erdenbewohner.
Es ist schon ein Kreuz mit dem anderen neben uns.
Wie durch ein Wunder durfte ich auf schon groteske Art und Weise dieses tägliche Spiel life miterleben. Wieder einmal ging es um den anderen neben uns! Es kam einem Gleichnis nahe.
Unser alter Bauernhof bietet nicht nur uns ein angenehmes Zuhause. Die Großmutter sitzt oft bei Sonnenschein auf der Bank im Garten, um den Katzen beim Spielen zuzuschauen oder
dem Dackel Verhaltensanweisungen zu geben, meine Frau Marlis pflegt den Garten und erfreut sich der Blumenpracht, und ich habe die Anweisung das Gras zu mähen. Ganz nebenbei genehmige ich mir ein frisches Bier, das im alten Schuppen mit seinen dicken Lehmmauern auch stets frisch bleibt, da hier schon Felsenkellertemperaturen herrschen.
Die Schwalben schätzen das alte Anwesen zum Bau ihrer typischen Nester. Hin und wieder suchen die Rotschwänzchen eine Nische, um hier ihren Nachwuchs aufzuziehen.
Mitten im Gehöft steht eine alte Akazie, die der bereits verstorbene Vater als Junge im Alter von 12 Jahren in den dreißiger Jahren pflanzte. Der Baum erfreut sich bester Gesundheit und hat inzwischen ein stattliches Alter von fast siebzig Jahren erreicht. Auf alle Fälle wird er auch unser Anwesen im 21. Jahrhundert verschönern.
Er ist die Heimstatt für den Kauz, der neugierig bis verwundert in die Welt schaut und nach Beute späht, den Pirol, der sich schon mal unsicher fühlt, wenn all zu viel Lärm auf dem Hof ist, die Wildtaube, die sich hin und wieder mit dem Inhalt eines Nachbarnestes des Singvogels ernährt oder dem Finkenpärchen, wo sich besonders der Hahn heraus geputzt hat.
Neben der Akazie steht ein Fliederbusch, dessen Hintergrund ein starkes Efeugeranke an der alten Nachbarscheune bildet. In diesem Efeu baut die Amsel ihr Nest, ein alter Starenkasten wird hin und wieder auch von dem Star im Frühjahr in Besitz genommen. Aber vor allem wohnen hier unzählig viele Spatzen, die eine regelrechte Kolonie gegründet haben. Stets und immer ist ein geschäftiges Treiben zu beobachten, immer gibt es Streit untereinander und ein wildes herum fliegen. Wenn der Hof friedlich miteinander abgegrast wird, kann ich die Zahl auch schon einmal ziemlich genau bestimmen, aber bei der Zahl Fünfzig macht das Zählen keinen Spaß mehr! Ich beschäftige mich mit schöneren Dingen oder eben mit notwendigen Dingen, wie z.B. Graßmäharbeiten oder Hofkehren oder Blumengießen.
Eines Tages stand ich im Garten und baute gerade den Rasenmäher auf. Nicht immer will dieser so wie er soll, und ich brauche Geduld die Funktionalität der Maschine herzustellen. Die Zündkerze wird natürlich gereinigt, der Luftfilter wird gewechselt und die Benzinzufuhr wird überprüft. Der Rasenmäher tut es aber immer noch nicht!
Plötzlich höre ich ein völlig unbekanntes Geräusch auf den Hof. Ein hilfloses
TSCILP-TSCHILP klingt aus Richtung Fliederbusch. Ich verweile bei meinen wichtigen Arbeiten und traue meinen Augen nicht:
Im Fliederbusch sitzt ein entflogener Wellensittich, wunderschön farbig gefiedert!
TSCHILP-TSCILP klingt es erneut, was so klingt: " Wo bin ich denn nur hin geflogen?
Wo ist mein Vogelbauer? Hilft mir denn keiner heraus aus meiner Situation? "
Nun war es nicht mein erstes Erlebnis mit einem entflogenen Wellensittich. Unter fachkundiger Anleitung meines Sohnes Michael war es uns schon einmal gelungen einen entflogenen Wellensittich wieder einzufangen. Viel mehr Michael als ich hatte durch beherztes Anschleichen und geschicktes Werfen einer Decke dafür gesorgt, dass Wellensittich Higgens noch viele Jahre bei seinem Herrchen leben durfte zum allgemeinen Lebensglück aller. Ziervögel haben im realen Leben wohl kaum eine Überlebenchance. Zu viele geschickte Katzen oder Marder streunen umher und pflegen ihren angeborenen Jagdtrieb.
" Man muss die Decke dem los fliegenden Vogel entgegen werfen! " erklärte mir mein Sohn,
" so fängt er sich fast von allein. "
Das wollte ich eigentlich auch tun. Wo ist nur eine geeignete Decke, dachte ich noch und dann nahm alles seinen Gang.
Nicht nur ich hatte den Wellensittich gesehen und gehört. Auch die Spatzenkolonie im alten Efeu hatte Kenntnis von dem hilflosen Vogel genommen. In Sekundenschnelle umschwärmten hunderte Spatzen mit wildem typischem Gezwitscher den Wellensittich und bedrängten ihn regelrecht. Nein - der passte nicht in die Kolonie! Der hatte kein Recht im Fliederbusch friedlich zu verweilen. Hilflos ergab sich der Wellensittich dem Drängen und in einem fast schon kläglichen Versuch der Flucht flog er davon. In einem großen Bogen flog er in Richtung Vogelbauer, und die frechen Spatzen folgten ihm, einem Bienenschwarm gleich. Für Sekunden wurde es Dunkel im Schein der Sonne! Zumindest hatte es den Anschein.
Was aus dem Wellensittich geworden ist, konnte ich nicht endgültig feststellen. Sollte es ihm wirklich gelungen sein vor den vielen Spatzen zu entkommen, so hat sicher eine Hauskatze aus der Nachbarschaft einen guten Schmaus gefunden.
Da wo aber viele Spatzen ihr zu Hause hatten und heute noch haben, da wo viele hunderte zu Hause waren, da war kein Platz mehr für den kleinen bunten Wellensittich, der sich auch einmal die weite Welt anschauen wollte. Für seinen Ausflug zahlte er mit hoher Wahrscheinlichkeit einen hohen Preis:
Er zahlte vermutlich mit seinem Leben!
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.04.2014.
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