Gert Podszun

Urlaubsfotos

 Robert war verwundet. Innerlich. Er quälte sich mit seiner Reisetasche zum Bus. Er wird voraussichtlich keine Fotos mehr machen. Er schaute nicht zurück. Elsa Benn hatte in den letzten Monaten  sehr schwer gearbeitet. Sie war einfach fertig. Ihr Chef hat sie in Urlaub geschickt.
Sie müssen zu sich kommen, sich selbst finden. Dann geht es Ihnen wieder besser.
Sie hatte verstanden und buchte einen Urlaub mit Wellnessprogramm. Ihr körperliches, geistiges und seelisches Wohlbefinden sollte im Rahmen dieses Programms auf ein hohes Niveau gehoben werden.
Jetzt geht es erst einmal um mich! Ich möchte zu mir kommen und mich wieder richtig sehen.
Dazu gehörte natürlich auch passende Kleidung. Sie entschied sich für leichte Stücke, überwiegend in Pastelltönen.
Nun war sie schon ein paar Tage im Wellnesshotel. Der siebte Tag begann.
Die Hotelhalle war leicht verdunkelt. Vom wolkenbedeckten Himmel drangen nur phasenweise Lichtkeulen der Vormittagssonne durch. Elsa kam mit ihrer Strandtasche aus dem Aufzug und hielt nach wenigen Schritten inne. In ihren Taschen befinden sich immer Digitalkameras. Noch während des Frühstücks, welches sie auf der Terrasse zu nehmen gewöhnt war, schien die Sonne wärmend auf ihren Rücken. Jetzt das! Dunkel draußen.
Immerhin war es nicht ständig dunkel. Hin und wieder strahlte ein Bündel Sonnenwärme durch die in östliche Richtung ziehende Wolkenschar und gab Hoffnung auf einen weiteren angenehmen Well-nesstag.
Zögernd was nun zu tun sei, betrachtete sie die Wolken, die hin und wieder hernieder leuchtenden Sonnenstrahlbündeln und die durch die Hotelhalle gehenden, schlurfenden oder eilenden Hotelgäste.
Es wird noch zu früh sein, jetzt zum Pool zu gehen. Gestern gab es erst am Nachmittag schöneres Wetter. Das wird heute auch so sein. Der nächste Wellnesstermin ist erst am späten Nachmittag. Kaffee habe ich auch genug getrunken. Ich könnte einen Test machen.
Haben Sie ein wenig Zeit? Können Sie mir einen kleinen Gefallen tun?
Robert kennt sich mit Digitalkameras aus. Er hielt eine von Elsa Blenn überreichte begutachtend in seinen Händen.
Selbstverständlich. Schließlich bin ich in Urlaub hier.
Kommen Sie bitte mit, es gibt einen windstillen Platz. Zeigen sie mir, wie andere mich sehen. Damit ich sehe.
Warum sollte er der Dame keinen Gefallen tun? Sie wird etwa 47 Jahre alt sein. Reif. Dunkelblondes Haar, erste Ansätze von Grau. Vollbusig, in einen luftigen Pareo gehüllt, Bluse und Shorts, Flip-Flops. Die unvermeidbare Handtasche. Alles Ton in Ton.
Robert hat seine Beobachtung hinter ihr her gehend gerade abgeschlossen, als sie den im Windschatten liegenden Terrassenbereich erreicht haben, der üblicherweise erst nachmittags zur Kaffee- oder Teezeit genutzt wird.
Machen Sie einfach ein paar Bilder. Ich will sehen, wie andere mich sehen, Und ich kann mich selbst nicht von allen Seiten sehen.
Elsa schaute genau zu, wie Robert die Kamera hielt und legte ihre Tasche auf einen der am Terrassenrand stehenden Stühle und kehrte dann Robert den Rücken zu.
Er beobachtete sie durch das Display und füllte den Speicher der Digitalkamera mit verschiedenen Ansichten von Elsa. Zwischendrin zoomte er ihr Ohrläppchen heran ohne es aufzunehmen.
Vielleicht legen Sie den Pareo zur Seite.
Ihre Bluse war aus durchsichtigem Stoff. Während sie mit nach oben ausgestreckter Hand den Pareo in Richtung Stuhl fliegen ließ beobachtete Robert, dass die Wölbung ihres Busens auch aus der Rückenansicht zwischen niedergehendem Arm und Körper zu sehen war. Digital konfirmiert.
Elsa drehte ihren Körper kokett weiter.
Robert zoomte die Nackenhärchen in den Speicher. Seine Augen glitten über ihren Körper. Sie fanden eine traumhafte Hügellandschaft einer reifen Frau. Robert hielt in seiner Betrachtung kurz inne.
Durch die Bluse schimmerte der Verschluss des Büstenhalters. Den kann Mann mit einer Hand öffnen.
Robert verharrte mit leuchtendem Blick, ging einen Schritt nach vorne, die Kamera mit dem notwendigen Abstand vor sein Gesicht haltend. Sein Fotoopfer verschwand aus dem Display und Robert sah die Farben des Pareos zur Trägerin zurückfliegen.
Dankeschön.
Die Sonne hatte die Wolken verdrängt.
Wir sollten gelegentlich einen Drink zusammen nehmen.
Ja.
Sie nahm ihre Digitalkamera aus seiner ausgestreckten Hand und legte sie in ihre Tasche zurück. Er hörte nur kurze Zeit dem Klatschen der sich entfernenden Flip-Flops zu.
Während des Abendessens versuchte Robert von seinem Einzeltisch aus herauszufinden, wo „sein Fotomodell“ saß. Schließlich bestand ja die Chance auf einen Drink. Und er konnte diesen Pareo und dessen Inhalt nicht ganz aus dem Kopf bekommen. Er wollte die hübsche Dame näher kennen lernen. Ihr dunkelblondes Haar leuchtete so schön in der Sonne. Und er war ihr so nahe. Sehr nahe. Die Gedanken an sie haben ihn den ganzen Nachmittag begleitet.
Sie wird sicherlich alleine hier sein. Sonst hätte sie ihn wahrscheinlich nicht gebeten, diese Fotos zu machen. Ganz sicher. Ich muss sie finden.
Er suchte sich nach dem Essen einen strategisch günstigen Platz an der Hotelbar.
Hier müssen alle Gäste vorbei gehen.
Er wartete und konnte seine innere Spannung nicht verbergen.
Elsa hatte ihr Abendessen beendet. Sie schlenderte an den Boutiquen vorbei, die vor dem Barraum liegen. Robert sah sie kommen und stand von seinem Barhocker auf.
Ich habe ganz vergessen, mich vorzustellen. Robert Dade, ihr Fotograf.
Sie lächelte ihn an.
Elsa Benn, Sie kannten ja meinen Namen auch nicht. Ich bin Ihnen noch einen Drink schuldig für Ihre Hilfe. Aber eins sage ich gleich: Ich zahle nur den ersten.
Robert freute sich. Er betrachtete, wie sie auf dem Barhocker neben ihm Platz nahm. Er lobte wortlos ihre Figur und die Bewegung beim Hinsetzen. Nachdem die Drinks serviert waren, prostete er ihr zu. Sie stellte ihr Glas ab. Er nahm ihre Hand und neigte seinen Kopf zu einem Handkuss.
Ich danke Ihnen, dass ich ihnen heute ein wenig helfen konnte. Wissen Sie jetzt, wie andere Sie sehen?
Ich werde Ihnen eine Antwort hierauf zunächst schuldig bleiben. Die Bilder habe ich noch nicht näher studiert.
Ich würde Sie gerne noch einmal in dem Pareo sehen. Der hat mir gut gefallen.
Elsa blickte ihn kritisch fragend an.
Vielleicht mit sehr wenig darunter?
Das haben jetzt Sie gesagt.
Robert bestellte noch zwei Drinks und setzte voraus, dass Elsa Benn dagegen keinen Einwand haben würde.
Sie sprachen über den Urlaubsort, frühere Urlaubsreisen und dort gemachte Erfahrungen.
Nach dem zweiten Drink wollte Robert noch eine Bestellung auslösen. Doch Elsa fasste ihn am Arm.
Ich möchte jetzt gerne in meine Zimmer gehen. Sie sind so nett und begleiten mich?
Robert sah einen Pareo vor sich.
Sehr gerne, junge Frau.
Vor ihrem Zimmer schaute Elsa ihm in die Augen.
Einen schönen Abend noch. Ich werde noch ein wenig arbeiten. Ich bin Produkttesterin für Digitalkameras. Ich muss herausfinden, ob sie leicht und schnell bedienbar sind. Sie waren der fünfte Tester. Ich werde heute noch den Bericht über den Test mit ihnen fertig stellen.
Robert schlurfte zurück zur Bar.
 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Gert Podszun).
Der Beitrag wurde von Gert Podszun auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.04.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Gert Podszun als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Und wenn du mich nicht lieben willst... von Mariel Gerbert



In diesem Gedichtbüchlein finden sich weitgehend Gedichte und Lyrik über Liebe und Herzschmerz, Verzweiflung und Wut, aber auch ein bißchen Erotik und allgemeine Emotionen. Ihr folgt dem Verlauf einer Liebe, die bisher nicht gelebt werden konnte... was wird die Zukunft wohl bringen???

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Wie das Leben so spielt" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Gert Podszun

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Morgen 3.0 von Gert Podszun (Science-Fiction)
Der Weihnachtsstern von Irene Beddies (Wie das Leben so spielt)
Befriedigte Neugier von Norbert Wittke (Glossen)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen